Mobile Payment: In China herrscht Alipay, in Deutschland Nachholbedarf

Quelle: Unsplash, Jonas Leupe

Ein Besuch von Neuschwanstein kann vieles bedeuten. Für die einen ist es eine kulturelle Erfahrung, für die anderen die Möglichkeit, atemberaubende Natur zu erleben. Für mich ist es die Erkenntnis: funktioniert. Auch bei uns. Wenn auch nicht mit unserer Technik. Mitten im Massenstrom von Touristen fand ich auf dem Weg zum Ticket-Center für die Schlösser der Gegend einen Juwelier vor, der sich im ersten Moment scheinbar nicht von anderen Touristen-Shops unterschied. Doch vor dem Laden prangte ein Schild, das die verkündete: “You can pay with Alipay.”

China denkt bereits darüber nach, das Bargeld abzuschaffen

Diejenigen, die sich gar nicht mit der Materie Payment befassen, würden jetzt schulterzuckend weitergehen, um hoffentlich noch eines der letzten Tickets für Neuschwanstein zu ergattern. Ich blieb jedoch stehen und bewunderte den Geschäftssinn des Juweliers, der bereits eine der wichtigsten Zielgruppen vor Ort adressierte: die chinesischen Touristen. Diese sind nicht nur in die deutsche Kultur vernarrt, sie bringen auch eine zukunftsweisende Technologie zu uns, die wir in seit Jahren anstreben, doch immer noch nicht erfolgreich umgesetzt haben: das mobile Bezahlen. Während wir hierzulande dabei sind, einen technischen zu etablieren, Banken sowie die großen Tech-Konzerne Google und um den Vorsprung eifern und mit der Politik wegen Sicherheitsbedenken kämpfen, zieht China schon in Erwägung, das Bargeld abzuschaffen.

600 Millionen benutzen Alipay

QR-Code-basierte Bezahllösungen für portable Mobil-Geräten der Internet-Riesen wie Alibaba Group (Alipay), Tencent (WeChat) und UnionPay mit gleichnamiger Software sind in Fernost bereits Standard. So gibt es beispielsweise weltweit über 600 Millionen aktive User die Alipay benutzen, was es damit zur derzeit erfolgreichsten Mobile Payment-Methode macht.

Der Grund, warum sich beispielsweise Google Pay und Apple Pay nicht in China durchsetzen konnten, ist dabei weniger die Vorsicht vor Datenschutz, sondern schlicht der Zeitfaktor. In China gibt es Tencent's WeChat Pay seit 2014, Alipay bereits seit 2004. Apple Pay etablierte sich erst 2016 auf dem chinesischen Markt. Google Pay kann sich bis heute nicht durchsetzen, da chinesischen Nutzern In-App-Käufe über den Google App-Store und Google generell nicht gestattet sind. Insofern gibt es die einheimischen, chinesischen Bezahldienste über QR-Code nicht nur länger, sie sind auch weniger problembehaftet. Ein weiteres Problem: -Chips sind nicht standardmäßig in den chinesischen Marken-Geräten wie , Xiaomi oder Oppo integriert.

Der Hauptteil der User von Alipay sind Chinesen, doch Alibaba Group eröffnet inzwischen auch anderen Ländern die Möglichkeit, mit der Mobile Payment App zu bezahlen. Seit einem Jahr auch in Deutschland. Wie bei dem Juwelier in Neuschwanstein. Oder seit Neuestem auch beim Modehaus Breuninger, um asiatischen Touristen diese Bezahl-Option zu ermöglichen.

Datenschutz-Aspekte werden ignoriert

Damit gehört das Modehaus mit zu den Unternehmen, welche die Zeichen der Zeit erkannt haben. Leider nicht mit einer deutschen Lösung. Oder vielleicht zum Glück? Alipay stößt gerade aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen auf Bedenken. Es bleibt unklar, wer alles neben mir noch meine Daten einsehen kann. Die Datenschutzfrage wird weitestgehend ignoriert. Doch wie sieht es hierzulande mit Mobile Payment aus? Da ist in den letzten Wochen einiges ins Rollen geraten. Apple-Konzertchef Tim Cook hat letztens verkündet, dass er noch in diesem Jahr den Bezahldienst Apple Pay nach 4-jährigem Bestehen auch in Deutschland bis Ende an den Start bringen will. Google hat seinen Dienst Google Pay als Konkurrenz zu Apple Pay bekannt gegeben. Und auch die Sparkasse mischt nun mit. Kurz nach Google hat das deutsche Kreditinstitut seine App “Mobiles Bezahlen” vorgestellt, die aber bisher nur mit Android ab Version 5.0 und NFC-Chips funktioniert. Ist das der Aufwind, auf den wir alle gewartet haben? Oder ist es vielmehr heiße Luft?

Über Carsten Thomas 236 Artikel
Autor und Gamingnerd. Stets interessiert an Tech-Innovationen, Medienwandel und Technikutopien. Redakteur bei mobile zeitgeist.

1 Kommentar

  1. Die EU wirft einfachen Zahlungen von Kleinbeiträgen Knüppel zwischen die Beine. Während ich mit der Karte in einer Sekunde Einkäufe bis 25€, also z.B. Tickets, ohne jeden Nachweis meiner Person bezahlen kann, muss ich mich beim Smartphone wegen CDCVM auch bei kleinsten Beträgen am Smartphone authentifizieren. Damit dauert ein Vorgang bis zu einer Minute, wie ich eben mit der Sparkassen-App bei Rewe erlebt habe.
    Wer nutzt denn da noch ein Smartphone und nicht lieber die gute alte Karte?!

    Da schiebe ich doch dann lieber – wie früher schon einmal – die Girocard in meine Smartphonehülle, halte diese ans Terminal und muss nix eingeben oder entsperren. Daran sieht man, wie bescheuert diese Lösung ist.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


Ich bestätige, dass die hier von mir eingegebenen persönlichen Daten in der von mobile zeitgeist genutzten Datenbank bis auf Widerruf gespeichert werden dürfen.