Dass eine Umfelderkennung fehlerfrei funktioniert, ist einer der Knackpunkte beim autonomen Fahren. Neue Sensoren auf der Basis von Hochfrequenzstrahlung könnten die Lösung sein. Sie entstehen künftig an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Hierfür finanziert das Bundesforschungsministerium den Ausbau eines Mikroelektronik-Labors mit knapp vier Millionen Euro. Professor Dr. Nils Weimann erklärte im Interview mit mobile zeitgeist die Besonderheiten des Projekts.
mz: Neue Sensoren auf Basis von Hochfrequenzstrahlung sollen zur fehlerfreien Umfelderkennung beitragen. Können Sie das Prinzip erklären, wie diese Sensoren arbeiten und worin die Vorteile liegen?
Heutige Kfz-Radarsensoren arbeiten bei Frequenzen um 77 GHz. Wir wollen in der Frequenz viel höher gehen, bis 300, 500 oder 700 GHz. Mit der kürzeren Wellenlänge der höheren Frequenzen ist die Auflösung entsprechend höher, wie auch aus der Optik bekannt. Dazu kommt, dass in modernen FMCW-Radarsystemen (frequency modulated continuous wave, auf Deutsch frequenzmoduliertes Dauerstrichverfahren) die Genauigkeit der Abstandsmessung von der Bandbreite abhängt, die um die Trägerfrequenz genutzt werden kann. Um 300 GHz herum haben wir viel mehr Frequenzraum als um 77 GHz. Mit 10x höherer Auflösung und 10x genauer Abstandsmessung können Objekte genauer klassifiziert und neben ihrer Position auch die Orientierung erfasst werden. Nachteile der höheren Frequenzen sind die höheren Absorptionsverluste der Strahlung durch Wasserdampf in der Atmosphäre, sowie die sogenannte Freiraumdämpfung, die mit dem Quadrat der Frequenz zunimmt. Diese Probleme wollen wir durch innovative Bauelemente lösen, die effizient THz-Strahlung mit hoher Ausgangsleistung erzeugen.
mz: Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt mit knapp vier Millionen Euro. Wie werden die Gelder investiert werden?
Zusammen mit meinen beiden Kollegen Prof. Stöhr und Prof. Kaiser sind wir mit der Förderung in der Lage, zwei besondere Maschinen zur Produktion von Halbleiterbauelementen zu erwerben, sowie den Frequenzbereich unserer Messtechnik auf 1,5 THz zu erweitern. Eine zu beschaffende Halbleiter-Epitaxieanlage (MOVPE, Metal-Organic Vapor Phase Epitaxy) werden wir zum Kristallwachstum von Indiumphosphid-(InP)-Schichten einsetzen. In diesem Halbleitermaterial können die Elektronen sich schneller als z.B. in Silizium bewegen. Die heute demonstrierten schnellsten elektronischen Bauelemente werden in InP realisiert. Diese Materialtechnologie bildet die Grundlage unserer Bauelementforschung. Das InP-Materialsystem wird auch für photonische Bauelemente im Infrarotbereich um 1,55 µm eingesetzt. Wichtige Anwendungen sind in der Glasfaser-Kommunikation sowie, für uns besonders interessant, in der optischen Abtastung von Objekten (Stichwort LiDAR). Die zweite Produktionsanlage benötigen wir zur Herstellung von dielektrischem Material, das als Isolatorschicht in elektronischen Bauelementen und als optische Koppelschicht in photonischen Bauelementen eingesetzt wird. Diese Anlage arbeitet nach dem Atomlagenabscheidungs-Verfahren und gibt uns höchste Materialqualität bei atomarer Schichtdickenkontrolle.
mz: Welche anderen Potenziale haben die schnellen Wellen und welche Anwendungsbereiche gibt es außerdem?
Besonders die Drahtlose Kommunikation wird in den nächsten Jahren von höheren Frequenzen profitieren. Schon in den jetzt kommenden 5G-Systemen werden neue mobil genutzte Frequenzbereiche um 26 GHz erschlossen, weit über den heute um 1 – 2 GHz benutzten Bändern. Neben den Menschen kommunizieren immer mehr Maschinen miteinander. Insbesondere intelligente Verkehrssysteme werden einen weiteren Zuwachs des mobilen Datenverkehrs bewirken. Der exponentiell steigende drahtlose Datenverkehr wird in Zukunft auch die Nutzung von Bändern um 140, 300 und 450 GHz erfordern. Erste Standardisierungen für die 300 GHz-Bänder sind bereits erfolgt. Neben der Automobiltechnik und Robotikanwendungen in der Industrie 4.0 ist die Telekommunikation ein bedeutender Zukunftsmarkt für diese Höchstfrequenztechnik.
mz: Wo sehen sie selbstfahrende Autos und die Technologie in 10 Jahren?
Wir erleben gerade die Einführung und graduelle Verbesserung von Assistenzsystemen. Für zunehmende Autonomie braucht es weiter verbesserte und gleichzeitig günstig herstellbare Sensoren, Vernetzung zwischen den Fahrzeugen, hochbitratige V2X-(vehicle to everything)-Datenkommunikation sowie lokale und zentrale KI zur Prozessierung der großen Informationsmengen. Dazu wollen wir in der Sensorik und der drahtlosen Kommunikationstechnik Forschungsbeiträge leisten. Die Einführung voller Autonomie (Level 4 bis 5) wird erst dann erfolgen, wenn die Systeme gut genug sind, sodass die Gesellschaft ihnen vertraut. In jedem Fall werden wir in 10 Jahren Autos kaufen können, die das Umfeld besser als menschliche Fahrer beobachten und verarbeiten können.
mz: Vielen Dank für das Interview.
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