Interview: Digitaler Stress – Welche Rolle spielt dabei das Smartphone?

Auch das Smartphone belastet mehr und mehr im Arbeitsalltag

Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer müssen im digitalen Prozess eingebunden werden

mz: Sie stellen fest, dass Digitaler Stress das Potenzial hat, unsere berufliche Leistungsfähigkeit zu verringern? Das würde bedeuten, dass die Technologien, die eigentlich dazu gedacht sind, unseren Arbeitsalltag zu erleichtern, unser Produktivitätspotenzial reduzieren. Wie überzeugen Sie Arbeitgeber, dass es sich hierbei um ein ernstzunehmendes Problem handelt, während dieser (der Arbeitgeber) ihnen voller Begeisterung seine aktuellen Wachstumszahlen präsentiert?

Wir können den Arbeitgebern auf jeden Fall zustimmen, dass neue digitale Technologien hohe Potentiale und Chancen bieten. Diese nicht zu nutzen wäre fatal. Dennoch dürfen Arbeitgeber die Risiken nicht vergessen, die damit einhergehen. Insbesondere wenn sie sich Erwartungen zu Produktivität und Wachstum machen, dürfen sie nicht vergessen, dass Digitaler Stress mit einer verringerten Arbeitsleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und über zunehmende Krankheiten potentiell mit vermehrten Fehltagen einhergehen kann. Dadurch können die vermeintlichen Produktivitätspotentiale wieder reduziert werden. Daher ist es beispielsweise wichtig, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Einführung neuer digitaler Technologien einzubinden, da dies eine Maßnahme ist, um die negativen Auswirkungen zu reduzieren.     

mz: In der zunehmenden „Verwischung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben“ erkennen Sie großes Konfliktpotenzial. Ist es denn nicht gut, dass unsere Arbeitsgeräte immer mobiler, unsere Arbeitsplätze räumlich unabhängiger und unsere Arbeitszeiten flexibler werden?

Für manche ist es eine große Chance digitaler Technologien, dass wir mit Hilfe beispielsweise des Smartphones mobil und flexibel sind. Es gibt aber auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit dieser Flexibilität nicht umgehen können oder wollen und die sich klarer getrennte Lebensbereiche wünschen. Sie stehen vor einem großen Konflikt, wenn sie beispielsweise während des Familienausflugs einen Anruf aus der Arbeit erhalten, da sie nicht wissen, welcher Aufgabe sie sich gerade widmen sollen. Es ist daher wichtig, die Präferenzen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen. 

„Digitaler Stress ist Stress, bei dem diese Anforderungen aus unserem Umgang mit digitalen Technologien und Medien entstehen“

mz: Ist die Screentime die neue Gleitzeit? Werde ich mich gegenüber meinem Arbeitgeber erklären müssen, wenn in meiner Freizeit mein Netflix-Konsum, die Bearbeitung privater Mails oder Whatsapp-Korrespondenz meine Arbeits-Screentime beeinträchtigen?

Freizeit bleibt ja immer noch freie Zeit und daher frei einteilbar, auch wenn zunehmend mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer potentiell jederzeit erreichbar sind. Auch im Arbeitskontext gibt es hohe datenschutzrechtliche Hürden, die Arbeitgeber daran hindern, die Arbeitsleistung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über die Aufzeichnung der Screentime zu überwachen.       

mz: Eine weitere Erkenntnis Ihrer Studie ist, dass der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes nicht alleine ausschlaggebend ist für das Level an Digitalem Stress und Stress dort auftritt, wo der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes nicht zu den Kompetenzen der Arbeitnehmer passt. Ist Digitaler Stress ein Ergebnis mangelnder Medienkompetenz?

Stress ist das Ergebnis eines Ungleichgewichts zwischen äußeren Anforderungen und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, diese zu bewältigen. Digitaler Stress ist Stress, bei dem diese Anforderungen aus unserem Umgang mit digitalen Technologien und Medien entstehen. Insofern stimmt es, dass Digitaler Stress entsteht, wenn meine Kompetenzen und Ressourcen nicht ausreichen, den Anforderungen meines digitalen Arbeitsplatzes gerecht zu werden. Das Gleichgewicht kann hergestellt werden in dem Kompetenzen und Ressourcen gestärkt oder die Anforderungen angepasst werden.

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