Bedarfsgerechte Verkehrsmittel, keine Bindung an Abfahrtszeiten oder Haltestellen und eine kostengünstige Nutzung: Das ist die Vision der Mobilität der Zukunft. Wie diese konkret aussehen kann, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bielefeld, der Fachhochschule Bielefeld, der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe und des Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo ab sofort in der gemeinsamen Vorstudie „Vernetzte Mobilität OWL“. Die Studie bildet die Grundlage für vier Einzelprojekte, die sich im Qualifizierungsverfahren der Regionale 2022 befinden. Im Interview mit mobile zeitgeist geht Dr.-Ing. Thorsten Jungeblut, Akademischer Rat, Projektleiter bei Cognitive Interaction Technology – Center of Excellence, Universität Bielefeld, auf die Vision einer möglichen Mobilität der Zukunft ein.
mz: Wie könnte nach Ihrer Vorstellung eine Mobilität der Zukunft aussehen und was muss geschehen, damit diese realisiert werden kann?
Dr.-Ing. Thorsten Jungeblut: Die Vision der Mobilität der Zukunft beschreibt im Wesentlichen drei Eigenschaften der öffentlichen Beförderung: Sie ist bedarfsgerecht, flexibel aber gleichzeitig kostengünstig. Bedarfsgerecht bedeutet, dass ich genau auf das Verkehrsmittel zurückgreifen kann, welches ich entsprechend meiner Möglichkeiten (z.B. körperliche Einschränkungen, Transport eines Fahrrads etc.) benötige. Die Beförderung soll flexibel bezüglich der Abfahrt (on-demand) und des Ortes (keine Haltestellenbindung) sein. Um allen Menschen diesen Komfort einer individuellen Beförderung zu ermöglichen, sollen die Kosten Im Rahmen bisheriger ÖPNV-Tarife bleiben oder sogar sinken. In der „Vernetzten Mobilität“ werden dabei die verschiedenen Verkehrsmittel (Fahrrad, Bus, Bahn) optimal miteinander kombiniert. Automatisierte oder sogar autonome Fahrzeuge sind ein entscheidender Technologiefaktor, der diese Vision in greifbare Nähe rücken lässt.
mz: Welche Teilaspekte werden im Rahmen der Studie erarbeitet? Gibt es besondere Schlüsselthemen?
Dr.-Ing. Thorsten Jungeblut: Ziel der Studie ist die Bearbeitung von Konzepten und Fragestellungen zur Einführung vernetzter Mobilität und autonomen Fahrzeugsystemen auf der Straße und Schiene. Aus dieser projekt-übergreifenden Vision ergeben sich grundlegende und übergreifende technische, gesellschaftliche und rechtliche Fragestellungen, die Rahmen der Vorstudie bearbeitet werden müssen. Ergebnis der Vorstudie sind Handlungsempfehlungen und Anforderungen für den Aufbau von Reallaboren zur erlebbaren Demonstration von automatisiertem/autonomem und vernetztem Fahren im ÖPNV/SPNV.
Die technische Fragestellungen werden sicher ein Schlüsselthema sein, es geht darum, Anforderungen an das autonome Fahren zu definieren und mit verfügbaren Fahrzeugen abzugleichen. Wichtig sind aber auch die (zulassungs-)rechtlichen Fragestellungen, um solche (teil-)autonomen Fahrzeuge im ÖPNV/SPNV im Rahmen von Reallaboren in OstWestfalen-Lippe (OWL) einzusetzen.
mz: Können Sie Einblick in eines der vier Leitprojekte geben und welche Ziele dieser verfolgen?
Dr.-Ing. Thorsten Jungeblut: Die mindenherforder Verkehrsgesellschaft mbH (mhv), die Universität Bielefeld und HELLA GmbH & Co. KGaA haben gemeinsam eine Projektskizze zum „Automatisierten Verkehr in Stadt und Umland (AUTÖPIA)“ in das Regionalentwicklungsprogramm „Regionale 2022“ eingebracht.
In AUTÖPIA sollen die Grundlagen geschaffen werden, um unter Verwendung vorhandener Fahrzeugtechnologien, Stadt und Umland in OWL mit automatisierten, öffentlichen Verkehrsmitteln flächendeckend zu vernetzen. Dieses geschieht durch Anbindung ländlicher Räume an überregionale Verkehrsknoten mit elektrischen, autonomen Kleinbussen/Pkw sowie einer Verdichtung, Erweiterung, Diversifizierung und Flexibilisierung des ÖPNV-Angebotes. Ziel ist der nicht haltestellengebundene 24/7-Betrieb auf Bestellung (On Demand).
Kern von AUTÖPIA ist ein Reallabor basierend auf Pilotgebiet (Bad Oeynhausen – Löhne – Vlotho/Exter) zur Evaluierung bestehender autonomer Systeme. Eine reale Fahrgastbeförderung ermöglicht die Erfassung umfassender problemrelevanter Daten, um so die Weiterentwicklung der Technologien zielgerichteter auf den ÖPNV im ländlichen Raum auszurichten.
mz: Vielen Dank für das Interview.
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