2013 war das Jahr der mobilen Location-Based-Services (LBS). Es ist an der Zeit, kurz inne zu halten und Bilanz zu ziehen: Wo steht LBS heute? Was klappt, was klappt noch nicht? Und vor allem: Wohin geht die Reise? Nachfolgend drei Antworten von unserem Gast Autor Moritz Förster, zum Thema Location-Based-Services.
Sind die LBS Zahlen zu rosig?
Die Zahlen von Umfragen und Studien sind schön, bislang gelingt es nur aber nur wenigen LBS Bedürfnisse und Angebote im „Hier“ und „Jetzt“ zu matchen. Eine Goldmedia-Studie zu Location-Based-Services im August hat ergeben, dass 56 Prozent der Smartphone User Location-Based-Services mehrmals im Monat nutzen. Tatsächlich ist LBS alles andere als ein Selbstläufer. Wenn man bedenkt, dass auch Kartendienste dazu zählen, ist es sogar eher verwunderlich, dass es „nur“ 56 Prozent sind. Nicht vergessen darf man, dass Orientierungsapps es deutlich einfacher haben als andere Ansätze.
Viele Location-Based-Systems haben einen gemeinsamen Nenner: Der User informiert sich auf seinem Smartphone über Dinge in seiner Umgebung. Bei diesen LBS stellt das Verhalten des Users eine räumliche und zeitliche Unbekannte dar: Wann der Konsument wo eine Information abruft ist unsicher. Wie einfach oder schwierig der Markteintritt ist, liegt an den „Dingen“, die lokalisiert auf den Smartphones erscheinen. Der Vorteil von Karten: Der Content ist relativ statisch. Das heißt, dass keine kritische Masse erforderlich ist, damit er nicht wegbricht. Schwieriger wird es, wenn die Information selbst ein räumlicher und zeitlicher Unsicherheitsfaktor ist. Zum Beispiel, wenn zwei Personen mit gleichen Interessen gematched werden; oder wenn freie Kapazitäten vermittelt werden sollen; oder wenn freie Autos mit Fahrern gematched werden sollen. Dann müssen A und B gleichzeitig und am gleichen Ort und an gleicher Stelle zusammen treffen – die Herausforderung wird größer.
Im Car-Sharing wurde der Markteintritt gemeistert, indem mit einer flächendeckenden Flotte das erste große „Ei“ selber gelegt wurde, bevor die erste kleine Henne in Form von Fahrern schlüpfte. Aber Autos sind geduldig. Bei Dating Apps müssen Männlein und Weiblein im Hier und Jetzt zusammen finden. Finde ich dreimal keinen Partner wird die App gelöscht. Dating hat gezeigt, dass auch zwei in Raum und Zeit nicht vorhersehbare Ereignisse lokalisiert gematched werden können.
Was bremst den deutschen LBS Markt?
Eine große Hürde für LBS ist die deutsche Kultur der Organisations- und Planungswut. Eigentlich alle LBS liefern nicht nur Informationen über das „Hier“, sondern auch immer über das „Jetzt“. Das Problem: Die Deutschen leben gar nicht im „Jetzt“, sondern in der „Zukunft“. Je nachdem welchen Markt man beackert, erschwert dies den Markteintritt. Konzerte, Kinos und Theater – alles Dinge, die man zusammen unternimmt. Finde ich in meiner Nähe günstige Konzerttickets, muss ich immer noch einen Freund finden, der mit mir hingeht. Angesichts des überfüllten Terminkalenders des Durchschnittdeutschen ein großes Hindernis. Kosmetiktermine organisieren deutsche Frauen drei Wochen im Voraus und freie Arzttermine erhalte ich erst, wenn ich längst wieder gesund bin. Selbst Tennis-Termine organisiert der Durchschnittsdeutsche zehn Tage im Voraus. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich über eine App jemanden in meiner Nähe finde, der spontan mit mir Tennis spielen möchte? Hat die App dreimal nicht funktioniert, fliegt sie wieder vom Smartphone.
Wird LBS erfolgreich?
LBS wird sich durchsetzen, weil das spontane Leben deutlich einfacher wird als das organisierte Planen. Aufgrund fehlender technologischer Möglichkeiten erleichterte das langfristige Planen von Arbeit und Freizeit uns den Lebensalltag. Selbst spontanen Menschen blieb oft keine andere Möglichkeit als sich der vorherrschenden Organisationswut anzupassen: Kurzfristig finden sie keine freien Plätze in Mitfahrgelegenheiten, keinen Tennisspielpartner und niemanden, der mit ihnen aufs Konzert geht. Durch LBS erhalten spontane Menschen ein Tool, das ihnen die Gestaltung ihres Lebens im Hier und Jetzt deutlich vereinfacht. Wir erleben eine Phase, in der sich der Trend umdreht: Die Planer passen sich den Spontanen an. In vielen Bereichen vereinfacht das langfristige Planen den Lebensalltag nicht mehr, sondern erschwert ihn. Zunächst haben sich LBS etabliert, bei denen Information geduldig ist – zum Beispiel Karten, die unabhängig davon, ob sie abgerufen werden, vorhanden sind; oder Autos, die an ihrem Platz ausharren, auch wenn sie nicht gebucht werden. Inzwischen sind wir in eine Phase übergegangen, in der immer mehr LBS den Durchbruch schaffen, die Henne und Ei bewältigen müssen – etwa das lokale Matching von Angebot und Nachfrage. Zukünftig wird sich dieser Trend auf immer mehr Sub-Communities ausdehnen, die ihre Interessen spontan über ihre Location-Based-Special Interest-App organisieren.
Über den Autor:
Moritz Förster beschäftigt sich seit fünf Jahren gedanklich mit dem kurzfristigen Matching von Angebot und Nachfrage durch eine flexible Preisgestaltung. Als Sales Manager der LmD Lastminute-Dealz GmbH treibt er seit Anfang des Jahres die Branchen übergreifende und kurzfristige Vermittlung freier Kapazitäten voran.
:) Zu dem Henne / Ei Thema hatten wir im Januar auf dem Location Based Services Barcamp #4sqcamp in Dortmund eine gleichnamige Session – siehe http://www.doschu.com/2014/01/4sqcamp-ganz-praktisch-henne-ei/