In den vergangenen drei Monaten sind drei Studien zur Multi Screen Nutzung veröffentlicht worden, die je nach Auftraggeber mit sehr unterschiedlichen Resultaten – und damit: Kernbotschaften – aufwarten. Der Kampf um die Gunst der Werbeindustrie zwischen TV und „neuen“ Medien geht also in die nächste Runde.
Catch me if you can
Bereits im August wurde in der Studie „Catch me if you can“ bei der vor allem für TV-werberelevanten Altersgruppe von 14 – 59 Jahren untersucht, wie die Nutzer zwei Geräte mit Bildschirmen gleichzeitig bedienen. Dabei wurde festgestellt, dass die Nutzer an sich den „First Screen“ nicht als solchen wahrnehmen, weil sie nur jeweils einem Gerät die aktive Aufmerksamkeit schenken.
Ein Beispiel dafür: Wenn im TV z. B. Nachrichten geschaut werden und ein Begriff zu einem interessanten Thema fällt, den der Zuschauer gerne detaillierter erklärt haben möchte, nimmt er ein Tablet, Laptop oder Smartphone und gibt den Begriff in eine Suchmaschine ein. Seine Aufmerksamkeit hat sich Vom TV hin zum anderen Gerät gewendet, da sich der Nutzer auch für ein neues Thema interessiert und der TV die gesuchten Informationen im Moment nicht liefern kann.
Dabei wurde festgestellt, dass 86% aller Nutzer Multi Screener sind, die parallel zum TV entweder Laptop (56%), das Smartphone (55%) oder ein Tablet (49%) in die Hand nehmen. Gemessen an der Verbreitung der Geräteklassen also fast gleichmäßig aufgeteilt.
Wichtig halte ich dabei die folgende Erkenntnis: So wird das „ergänzende“ Gerät nicht einfach nur genutzt, sondern ihm gehört auch die volle Aufmerksamkeit bei 58% der Nutzer, falls es sich um ein Laptop handelt und bei 55% der Nutzer mit einem Smartphone. Bei 92% dieser Nutzer erfolgt diese Nutzung parallel (also ohne Zusammenhang zum Inhalt des TVs) wie z. B. Email (83%), Suchmaschine (72%) oder Nachrichten(71%), lediglich bei 8% der Nutzer gibt es eine inhaltliche Verbindung zwischen TV und weiterem Screen, meist während der Werbeblöcke.
Für die Werbeindustrie bedeutet dieses Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit der Erreichbarkeit der Fernsehzuschauer durch Werbespots stark gesunken ist. Der Statistik zur Folge wechseln von 100 Fernsehzuschauern gerade einmal 14 nicht zu einem anderen Gerät. Zwar gehört dem Fernsehen auch 42% der Gerätewechsler weiterhin ein Teil der Aufmerksamkeit, doch umgerechnet verliert das Fernsehen vorübergehend fast genau die Hälfte aller Fernsehzuschauer. Abzüglich der üblichen Quote an Toilettengängern, Essenzubereitern und Chipstütenholern ist dieses Ergebnis ein Disaster für die Bewegtbildwerbeindustrie.
Stattdessen verschiebt sich der Fokus wohl zunehmend auf die Schaltung von Werbung auf programmbegleitenden Webseiten oder Apps (sofern möglich) wie z. B. Twitter, Facebook, What’s App oder den Sender eigenen bzw. Show begleitenden Apps, da sich hier zumindest die Impressions und Interaktion des Werbemittels ein Stück weit besser messen lassen kann als beim Einbahnstraßenfernsehen.
Mobile Barometer
Ebenfalls im August wartete das Marktforschungsinstitut Interrogare mit dem „Mobile Barometer“ und einem anderen Ergebnis auf, welches die These, dass die Second Screen-Nutzung zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Fernsehprogramm führt. So zeigt deren Ergebnis, dass 41% der Tablet- und 20% der Smartphonenutzer als Folge von TV-Werbespots nach Produkten recherchieren. Also ein klares Statement PRO TV-Werbespots.
Novemberstudie
In die gleiche Kerbe schlägt auch eine aktuelle Novemberstudie, die allerdings weniger mit Zahlen protzt, als vielmehr unterschiedliche Nutzungsverhalten anführt bzw. die Nutzer in ihrer „Aufmerksamkeitsspanne“ einsortiert.
An Hand bekannter „Familienformate“ wie „Wer wird Millionär“, „Ich bin ein Start, holt mich hier raus“ oder „Das Supertalent“ wurde hier untersucht, wie die Nutzung von weiteren Screens die Werbeerinnerung beeinflusst. Interessanterweise sind wurden hierfür allesamt Formate gewählt, die bewusst eine Show begleitende App nutzen bzw auf diese auch während der Sendung zurück greifen und Interaktionsmöglichkeiten wie Chats etc bieten.
Abseits der verschiedenen Nutzerkategorien lautet das Fazit: Die Nutzung von Second Screen hat einen positiven Einfluss auf die Werbewirkung.
Verglichen mit einer Werbeerinnerung von 24% bei normaler TV-Nutzung, stieg diese auf 30%, wenn ein weiterer Screen sendebegleitend genutzt wurde. Bei paralleler Nutzung sank die Erinnerung allerdings auf durchschnittlich 21%.
Der Auftraggeber der Studie schloss wie die Interrogare-Studie daraus, dass sich die Schaltung von Werbespots in TV lohnt und die Wahrnehmung vergrößert wird, wenn das Programm auf Second Screen setzt.
Schaut man zwischen die blümerant formulierten Ergebnissätze und genauer auf die Zahlen, stellt man allerdings fest, dass die Anzahl der Parallelnutzer mit 28% (Werbeerinnerung: 21%) die Anzahl der Second Screen-Nutzer (11% mit Werbeerinnerung: 30%) mehr als doppelt so hoch ist, was die positiven Ergebnisse wieder ein wenig revidiert.
Laut TNS Infratest werden mehrere Screens gleichzeitig allerdings nur 12 Minuten am Tag genutzt, was in etwa der Dauer von zwei Werbeblöcken entspricht.
Summa summarum handelt es sich also um einen täglichen 12-Minuten-Kriegsschauplatz, um den die verschiedenen Medienanstalten zur Zeit um die Gunst der Werbetreibenden buhlen.
Die erste Studie wurde übrigens von den Webvermarktern InteractiveMedia und United Internet Media in Auftrag gegeben, die zweite Studie von SevenOne Media (ProsiebenSat1-Tochter) und die aktuelle Studie von RTL-Vermarkter IP Deutschland.
Ein Schelm, wer Böses bei der Verbindung zwischen Auftraggeber und dem jeweiligen Ergebnis denkt.
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