Beeinträchtigen digitale Technologien die Gesundheit?

Quelle: fancycrave1, pixabay

Gesünder leben trotz und mit digitalen Technologien

Ständige Erreichbarkeit, eine steigende Flut an Informationen und immer neue Technologien, die Teil unseres Lebens werden und von denen wir abhängig sind: Wie der Umgang mit digitalen Technologien und Medien gesünder gestaltet werden kann, daran forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Augsburg, Bamberg, Erlangen-Nürnberg, München und Würzburg gemeinsam. Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst fördert den neu eingerichteten Forschungsverbund ForDigitHealth mit rund 3,35 Millionen Euro für die Dauer von vier Jahren.

Die Digitalisierung führt zu grundlegenden Veränderungen unserer Gesellschaft und unseres individuellen Lebens. Dies birgt Chancen und Risiken für unsere Gesundheit. Zum Teil führt unser Umgang mit digitalen Technologien und Medien zu negativem Stress (Distress), Burnout, Depression und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Demgegenüber kann Stress auch eine positive, anregende Wirkung (Eustress) haben, die es zu fördern gilt. Die Technikgestaltung ist weit fortgeschritten, sodass digitale Technologien und Medien dank zunehmender künstlicher Intelligenz, Adaptivität und Interaktivität die Gesundheit ihrer menschlichen Nutzerinnen und Nutzer bewahren und fördern können.

„Viele Menschen erleben in ihrem Alltag selbst, wie uns digitale Technologien einerseits unterstützen, wie sie uns andererseits aber auch im Griff haben und wir unser Leben nach ihnen richten. Sie merken das beispielsweise, wenn Sie sich fragen, wie Sie mit all den E-Mails am Arbeitsplatz zurechtkommen sollen oder wenn Sie sich dabei ertappen, wie Sie alle fünf Minuten auf Ihr Smartphone schauen, ob es eine neue Nachricht für Sie gibt oder wer Ihr gepostetes Bild schon angeschaut oder kommentiert hat“, meint Prof. Dr. Henner Gimpel von der Universität Augsburg, der Sprecher des neuen Forschungsverbunds ForDigitHealth ist. Dessen Ziel ist es, die Gesundheitseffekte der zunehmenden Präsenz und intensivierten Nutzung digitaler Technologien und Medien – speziell in Hinblick auf die Entstehung von digitalem Distress und Eustress und deren Folgen – in ihrer Vielgestaltigkeit wissenschaftlich zu durchdringen sowie Präventions- und Interventionsmöglichkeiten zu erarbeiten und zu evaluieren. Dadurch soll der Forschungsverbund zu einem angemessenen, bewussten und gesundheitsförderlichen individuellen wie kollektiven Umgang mit digitalen Technologien und Medien beitragen.

An diesen Fragestellungen arbeiten ausgewiesene Expertinnen und Experten aus den Fachdisziplinen Medizin, Psychologie, Informatik, Wirtschaftsinformatik und Kommunikationswissenschaft in elf Einzelprojekten, die spezifische Aspekte der übergeordneten Themen fokussieren. Die Themenbereiche umfassen neben den diversen Theorien zu Stress und den Methoden der Stresserfassung auch grundlegende ethische und rechtliche Aspekte sowie die Bedeutung und Auswirkung des Umgangs mit digitalen Technologien und Medien für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen (wie z. B. Kinder und Jugendliche oder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer). Außerdem werden auch die verschiedenen Lebensbereiche und Kontexte – wie in der Familie oder am Arbeitsplatz – berücksichtigt. Es gilt zu erforschen, wie der jeweilige Umgang mit bestimmten digitalen Technologien und Medien in verschiedenen Alltagskontexten praktiziert und erfahren wird und wie sich dies insbesondere auf die psychische und physische Gesundheit von unterschiedlichen Personen(gruppen) auswirkt – aber auch auf deren Lebensqualität, Produktivität, Alltagspraktiken, Selbstwahrnehmung, Gemeinschaftssinn sowie vorherrschende und abweichende Vorstellungen von Normalität.

Wissenschaftsminister Bernd Sibler betonte: „Gesundheitsforschung ist Zukunftsforschung! Der Forschungsverbund ‚ForDigitHealth‘ geht entscheidenden Fragen nach, die eine hohe Relevanz für ein gesundes Leben mit digitalen Medien haben. Im Zeitalter der Digitalisierung ist es von großer Bedeutung, dass wir diese souverän und selbstbestimmt einsetzen. Entscheidend ist dabei auch ein Bewusstsein dafür, dass und wie digitale Medien unseren Alltag und unsere Gesundheit beeinflussen.“

Öffentliche Veranstaltungen und Blog informieren die Bevölkerung

Im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen, über einen wissenschaftlichen Blog und im Austausch mit einem Netzwerk aus Kooperationspartnern und Interessierten wird der Forschungsverbund seine Fragestellungen und Erkenntnisse in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. Ziel ist es, dazu beizutragen, Autonomie und Selbstbestimmungsfähigkeit im Sinne einer digitalen Souveränität der Menschen wiederherzustellen, zu erhalten und zu befördern.

Sprecher des Forschungsverbunds ist der Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Henner Gimpel, Stellvertreterin ist die Informatikerin Prof. Dr. Elisabeth André, beide an der Universität Augsburg.

Vier von elf Teilprojekten an der Universität Augsburg

An der Universität Augsburg sind vier der elf Teilprojekte angesiedelt. Einerseits befassen sie sich damit, wie im Kontext des Arbeitsplatzes und der Freizeit mit digitalem Stress umgegangen wird. Andererseits wird untersucht, wie das Thema als gesellschaftliches Phänomen in der Medienberichterstattung dargestellt wird und welchen Beitrag aufmerksame, stresssensible und gesundheitsförderliche KI-Komponenten leisten können.

Prof. Dr. Henner Gimpel (Professur für Wirtschaftsingenieurwesen) erhebt über einen längeren Zeitraum, wie Menschen an ihrem Arbeitsplatz versuchen, digitalen Stress zu bewältigen. Ebenso steht im Fokus, wie sich diese individuellen Strategien weiterentwickeln, wenn sie durch Information über digitalen Stress und Stress-Coping sowie Schulungsangebote zum Umgang mit digitalem Stress in der Selbstreflexion unterstützt werden.

Mit dem Umgang mit digitalen Stress im freizeitbezogenen Alltag befasst sich der Augsburger Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Jeffrey Wimmer. Sein Teilprojekt untersucht, welche Formen von digitalem Stress in diesem Kontext wahrgenommen werden und wie dieser in den Alltag eingebunden ist. Von Interesse ist auch, welche Rolle bestimmte Kontextfaktoren (u. a. Mediensozialisation, Medienkompetenzen, Peers sowie wahrgenommene Mediendiskurse) auf die Wahrnehmung von und den Umgang mit digitalem Stress spielen.

Inwiefern digitaler Stress als gesellschaftliches Phänomen in der Medienberichterstattung thematisiert wird, erforscht die Kommunikationswissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Kinnebrock. In welchen Medien wird digitaler Stress wie (Betroffene, Umfelder, Ursachen, Symptome und Folgen) thematisiert? Und welche konkrete Folgeerkrankungen, aber auch denkbare Präventions- oder Interventionsmaßnahmen werden debattiert?

Der Frage, inwiefern Künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, um digitale Technologien und Medien gesundheitsfördernder zu gestalten, geht der Lehrstuhl für Multimodale Mensch-Technik Interaktion von Prof. Dr. Elisabeth André nach. Insbesondere soll ein Beitrag zur Verbesserung von multimodalen interaktiven Systemen, welche die psychologische Gesundheit fördern, geleistet werden. Zentrales Anliegen dabei ist, dass Endnutzerinnen und -nutzer in den Gestaltungsprozess der aufmerksamen und stresssensiblen KI-Komponenten einbezogen werden müssen.

Quelle: Universität Augsburg

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