Wir Deutschen gelten ja als mehr oder weniger technophob. Uns wird häufig vorgeworfen, neuen Technologien mindestens skeptisch, wenn nicht grundsätzlich feindlich gegenüber zu stehen. Darüber hinaus wir sind eine Nation von weltbesten Fussball-Bundestrainern und natürlich Autofahrern.
Dies im Hinterkopf wundert man sich nicht, dass in der aktuellen Studie von TNS Emnid, beauftragt vom BVDW, heraus kommt, dass „nur“ 41 Prozent der Deutschen eine erhöhte Verkehrssicherheit durch autonome Fahrzeuge erwarten. Im Umkehrschluss heißt dies, dass fast 60 Prozent der weltbesten Autofahrer davon ausgehen, dass sie selbst fehlerfreier unterwegs sind, was bei 3.475 Verkehrstoten im vergangenen Jahr doch eher fragwürdig erscheint.
Verlust der Souveränität
Doch lassen wir das Scherzen. Was diese Zahlen sehr deutlich zeigen ist, dass derzeit Individuen und damit auch die ganze Gesellschaft mit dem Tempo der technologischen Entwicklung nicht mithalten können. Das heißt nicht, dass wir es nicht kennen oder verstehen. Es heißt vielmehr, dass uns häufig die Referenzrahmen fehlen, Technologien einzuordnen und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile zu bewerten. Es fehlen ethische und kulturelle Ankerpunkte. Da unsere Erfahrungen und Werte bei diesen neuen Dingen nicht greifen wollen, sind wir verunsichert.
Es entstehen unbegründete Vorbehalte und Ängste, die dazu führen, dass wir diese uns verunsichernden Technologien lieber ablehnen. Damit stellen wir für uns wieder Sicherheit und Souveränität her. Problem gelöst.
Autonome Fahrzeuge verunsichern uns, weil wir gefordert sind, über etwas Kontrolle abzugeben, von dem wir doch denken, dass wir es beherrschen würden. Selbst Auto zu fahren zeichnet uns als souverän handelnden, erfolgreichen Menschen aus, der „sein Ziel selbst bestimmt“. Das Lenken eines Fahrzeugs ist also mehr als das reine Bedienen eines Transportmittels, um möglichst bequem von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Es ist Status, gefühlte Freiheit, Eigenständigkeit, Individualität und mehr.
Maschine besser als wir selbst?
Und nun sollen wir dies alles aufgeben und uns einer Maschine anvertrauen, die noch nicht gezeigt hat, dass sie „besser“ ist als wir. Kann sie das überhaupt sein? Wir mussten uns die Erlaubnis, das Wissen und Können des Autofahrens erst mühselig und teuer aneignen, uns mehreren Prüfungen unterziehen. Und jetzt soll dieses komplexe Handeln von einem Computer übernommen werden? Das kann der doch gar nicht. Doch. Der kann und er wird. Und es ist auch gut so.
Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir so viel Vertrauen in Maschinen/Computer aufgebaut haben, dass wir ihnen bestimmte komplexe und kritische Aufgaben übertragen und die direkte Kontrolle abgeben. Ich bin zuversichtlich, dass wir dadurch sehr viel gewinnen können, bei allen Reibungen, die es an den verschiedenen Stellen erzeugen wird.
Ängste sind nachvollziehbar und verständlich. Doch dürfen wir uns davon weder lähmen noch verleiten lassen, Neues zu ignorieren oder auszusperren. Der internationale Wettbewerb, in dem jede(r) von uns direkt oder indirekt steht, verlangt von uns Offenheit, Unvoreingenommenheit und Neugier. Aber auch eine kritische Auseinandersetzung auf Basis von möglichst vielen Informationen. In diesem Sinne freue mich mich auf weitere spannende Innovationen und die mit ihnen verbundenen Diskurse und Veränderungen.
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