Studie: Mobile Web Experience deutscher Unternehmen

Responsive Web Design

Wir Mobile-Experten predigen schon seit Jahren, dass ein Unternehmen zwingend eine mobil-optimierte benötigt. Doch alles Mahnen, dass Unternehmen die massive Entwicklung hin zu einer mobilen Nutzung mitgehen müssen, scheint oftmals ergebnislos zu verhallen.

Mit Googles Ankündigung (auch „Mobilegeddon“ genannt), ab April 2015 mobil-optimierte Webseiten in den Suchergebnissen entsprechend zu kennzeichnen und nicht-mobil-optimierte Webseiten auch schlechter zu ranken, kam etwas Bewegung in die Unternehmen.

Befragung und Benchmark

Eine Studie zur Mobile Web Experience von Crisp Research, im Auftrag von T-Systems und CoreMedia, fördert hierzu einige spannende Ergebnisse zu Tage. Einerseits, wie -Entscheider in deutschen Unternehmen ihre eigenen Aktivitäten einschätzen und im Vergleich dazu, wie deren Webseiten in einem Benchmark tatsächlich bewertet werden.

Befragt wurden im Mai und Juni 2015 überwiegend IT-Manager (ca. 50% der Befragten) aus 120 Unternehmen aus verschiedenen Branchen. Die produzierende Industrie stellt mit einem Viertel der Unternehmen (25 %) die größte befragte Gruppe dar. Die Branchen Logistik und Verkehr, Banken und Versicherungen,
Gesundheitswesen sowie IT, Media und Telco sind mit zehn bis elf Prozent vertreten.

Unternehmen mit 1000 bis 5000 Mitarbeitern stellen mit rund 43 Prozent die größte Gruppe dar. Fast ein Drittel der Befragten findet sich in Unternehmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitern wieder.

Mobile fest verankert

Rund 80 Prozent der Unternehmen geben an, eine Mobile Strategy aktiv zu verfolgen oder sehen diese sogar als strategisches Kernthema an.

Bei den mit der Mobilitätsstrategie angestrebten Ziel dominieren die Flexibilität der Organisation und das Empowering der Mitarbeiter. Die Geschäftsprozesse anzupassen und zu optimieren erscheint vielen Befragten offensichtlich als nicht sehr wichtig, obwohl Mobile gerade hier enorme Effekte bewirken kann.

 

Mobile Traffic wächst

Über 95 Prozent der Unternehmen setzen bereits heute oder zukünftig darauf, ihre Kommunikation
über ein Omni-Channel-Konzept zu steuern. Mit 52 Prozent hat die mobile Webseite hinsichtlich ihrer Relevanz für den digitalen Kundenkontakt die klassische Unternehmenswebseite (49 %) bereits überholt. Reine Desktop-Webseiten sind ein Auslaufmodell, in das die Unternehmen nur geringfügig investieren werden.

Neue Kontakte entstehen häufiger mobil und bestehende werden oft mobil gepflegt. Dies erkennen auch die befragten Manager und rechnen zukünftig mit ca. 38 Prozent mobilem Traffic auf ihren Webseiten.

„Mobilegeddon“ oft unbekannt

Dies alles mag recht positiv stimmen, doch danach befragt, ob die Entscheider etwas von Googles „Mobilegeddon“ wüssten, fielen die Antworten eher enttäuschend aus. Über ein Viertel der Befragten hörten davon zum ersten Mal, obwohl hier überwiegend IT-Manager befragt wurden. Ein weiteres Viertel wusste zwar davon, hat aber schlicht nichts getan. Ob dies auf Unwissenheit oder Ignoranz beruhte, wurde leider nicht abgefragt.

 

Mobile nur im Marketing

Im Gegensatz dazu erklärten 80 Prozent der Befragten, dass mobil-optimierte Webseiten für ihr Unternehmen wichtig wären. Aus Sicht der Entscheider jedoch vorrangig für Marketingzwecke (64 %). Essentiell für den Geschäftserfolg empfinden sie nur 14 Prozent der Befragten. Etwas mehr, nämlich fast 16 Prozent hingegen halten mobile Webseiten schlicht für Kostentreiber ohne ausreichenden Nutzen.

 

Schlechte Noten für mobile Webseiten

Im Hinblick auf den im zweiten Teil der Studie durchgeführten Benchmark wurden die Entscheider danach gefragt, wie sie Erreichbarkeit und Experience der eigenen mobilen Webseiten einschätzten. Über die Hälfte der Befragten gaben dem eigenen Unternehmen hier nur ein „Ausreichend“, über ein Viertel hält das eigene Angebot für verbesserungswürdig bzw. nicht vorhanden.

Nur knapp 21 Prozent halten sich selbst für führend bei der Erreichbarkeit und nur magere 12,5 Prozent bei der User Experience.

 

CMS, CXS, RWD

Beim Einsatz von Content- bzw. Experience-Management-Systemen setzt der Großteil der Unternehmen auf Adobe, gefolgt von Typo3 und OpenCms.

Es zeigt sich, dass sich Unternehmen insbesondere bei der Wahl zwischen dediziert mobiler Webseite und Responsive  noch schwer tun. Teilweise haben Unternehmen im ersten Schritt eine komplette mobile Webseite aufgesetzt und sind erst danach auf Responsive Web Design umgestiegen. Dies erklärt, warum 40 (RWD) beziehungsweise 43 Prozent (dediziert) der Unternehmen angaben, derartige Initiativen bereits ergriffen zu haben. Auch planen weitere 17 beziehungsweise 20 Prozent der Unternehmensentscheider den Einsatz einer der beiden Funktionen.

Der Benchmark

Im zweiten Teil der Studie, dem Benchmark, wurden die mobilen Webseiten von 511 mittelständischen und großen Unternehmen hinsichtlich Leistungsfähigkeit und User Experience untersucht.

Es zeigt sich, dass innerhalb dieser Stichprobe gut 41 Prozent der untersuchten Webseiten sichtbar für die mobile Ansicht angepasst wurden. Dies ist im Hinblick auf die Antworten der befragten Entscheider aus dem ersten Teil der Studie ein recht stimmiges Bild.

Über alle untersuchten Unternehmenswebseiten hinweg wurden knapp 33 Prozent ermittelt, die auf Basis eines RWD betrieben werden. Dies entspricht etwa 79 Prozent der gesamten „mobil optimierten“ Webseiten und zeigt damit deutlich, dass sich RWD als neuer Standard bei der Auslieferung der Webseiten für die mobile bzw. kanalunabhängige Ansicht etabliert hat.

Für eine detaillierte Darstellung der einzelnen Parameter und deren Ergebnisse sei auf die Studie verwiesen.

Handel vorn, Energie abgeschlagen

Der Blick auf den Branchenvergleich zeigt, dass der Groß- und Einzelhandel am besten abschneidet, auch wenn es hier sehr große Unterschiede innerhalb der Branche gibt. Dem Handel folgt die Chemie- und Pharmaindustrie und das Gesundheitswesen. Auf einem der letzten Plätzen liegen erstaunlicher Weise IT-, Telko- und Medienunternehmen, denen man hier durchaus etwas mehr zugetraut hätte. Noch schlechter stehen die - und Logistikunternehmen da. Schlusslicht sind die Versorger und die Energiewirtschaft.

 

Beim reinen Anteil mobil-optimierter Webseiten ändern sich das Bild. Hier liegt die Pharmaindustrie (80 %) vorn, gefolgt von Chemie (67 %) und IT/Telekommunikation/Media (65 %). Auf den letzten Plätzen dann das produzierende Gewerbe (39 %), Versorger/Energiewirtschaft (33 %) und Land- und Bauwirtschaft (25 %).

Die Studie hält auch hier weitere Details und auch Ergebnisse einzelner Unternehmen bereit.

Fazit

Der Vergleich zwischen der empirischen Befragung und den Benchmark-Ergebnissen zeigt deutlich, wie stark Selbsteinschätzung und Realität bei der Mobile Web Experience auseinanderliegen.

Entscheider überschätzen die Güte der eigenen mobilen Webseiten systematisch. Denn nur gut 40 Prozent der Webseiten sind derzeit überhaupt sichtbar für die mobile Ansicht angepasst. Hier liegt noch viel vor den Unternehmen, denn Mobile ist heute bereits einer der entscheidenden Wettbewerbsvorteile für Unternehmen aller Branchen. Und dies wird sich in den kommenden Jahren verschärfen.

Wir haben die Studie in unserer Studiendatenbank verlinkt.

Beitragsbild: Shutterstock

Über Heike Scholz 429 Artikel
Nach über zehn Jahren als Strategieberaterin für internationale Unternehmen gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mobile zeitgeist und machte es zum führenden Online-Magazin über das Mobile Business im deutschsprachigen Raum. Heute ist sie ein anerkannter und geschätzter Speaker und gehört zu den Köpfen der deutschen Internet-Szene. Weiterhin ist sie Beiratsmitglied für die Studiengänge Angewandte Informatik und Mobile Computing an der Hoschschule Worms. Als Co-Founder von ZUKUNFT DES EINKAUFENS, begleitet sie die Digitale Transformation im stationären Einzelhandel. Sie berät und trainiert Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und fördert mit ihrem Engagement die Entwicklung verschiedener Branchen und Märkte.

2 Kommentare

  1. Hallo Heike,
    ein sehr interessanter Artikel über das Verständnis von mobile friendly in der Wirtschaft. Bei der UX der mobilen Webseite, wurde da objektiv beurteilt oder im Hinblick auf den Funktionsumfang auf Desktop-Seiten? Denn es ist klar, dass bei der mobilen Seite das Design vereinfacht und die Funktionalität auf ein Optimum reguliert wird. Dies ist vorallem der Bildschirmgrößen und der Übertragung geschuldet.

    Mein erster gedanke bei den 16 % der Befragten, die es nur als kostenverursachend empfinden war: wie können die das nur denken? Aber mein zweiter Gedanke war: es gibt Branchen, die werden mobil kaum besucht. Wenn es eine Branche ist, die typischerweise von einem Arbeitnehmer während der Arbeitszeit gesucht/besucht wird, dann ist davon auszugehen, dass dieser einen großen Bildschirm auf seinem Schreibtisch hat.

    Aber im Handel ist die mobile Version nicht mehr wegzudenken, da muss ich dir Recht geben. Das wird in den nächsten Jahren auch sicherlich noch verstärkt kommen…

    Viele Grüße
    Christoph

    • Hallo Christoph,

      bei der Beurteilung der Mobile Experience ging es rein um die mobilen Webseiten. Das ist natürlich nicht objektiv, wenn Entscheider die eigenen Webseiten beurteilen und vor deren inneren Augen werden auch ganz sicher teilweise die Desktop-Seiten gewesen sein. ;)

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