Quo vadis, Facebook?

mark zuckerberg

Gestern Abend verkündete Facebook den etwas überraschenden Schritt, dass man Oculus VR für 2 Mrd. Dollar kaufen wird – ein führendes Virtual Reality Unternehmen und eines der Lovechilds aus dem Silicon Valley. Das Unternehmen hat seiner erste VR Brille, die „Oculus Rift“, über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter in Gang gebracht und von Beginn an viele Lorbeeren eingeheimst. Mit der neuen Generation der Brille wurde die Auflösung verbessert, was der ganzen Experience mehr Realitätsnahe gab und das Unternehmen vom Startup zum echten Player heranwachsen lies. Vor 2 Jahren ging der Millarden-Deal mit Instagram über den Tisch. Gerade erst hatte Facebook 19 Mrd. für den Messenger-Dienst WhatsApp hingelegt. Nun weitere 2 Mrd. Dollar für eine VR Brille. Die Kriegskassen bei Facebook sind augenscheinlich prall gefüllt. Die Strategie für die Einkäufe steht hoffentlich auch auf sicheren Beinen.

Facebook kauft Oculus für 2 Mrd. Dollar

Die Reaktionen über den jüngsten Coup reichen von schierer Enttäuschung über den „Sell out“ des VR Startups, über den Ärger, dass sich Facebook weiter geliebte Anwendungen und Unternehmen einverleibt, bis hin zum Jubel über die strategische Entscheidung beider Unternehmen. Bevor man jedoch aus reiner Emotion für eine Seite entscheidet, sollten man die Kaufentscheidung hinterfragen.

Oculus Rift - Overview

Hauptsache nicht Google

Ein wichtiger und sehr strategischer Punkt ist sicher, dass man, wie auch bei WhatsApp, verhindern wollte, dass Google sich den VR Spezialisten krallt. Da man vielerorts darüber grübelt, ob Google mit Glass wirklich weiß, wie es weitergehen und in welche Richtung gehen soll, hätte ein Szenario durchaus Googles Kauf von Oculus VR sein können. Damit hätte man das Thema AR sozusagen spielerisch an den Mann gebracht und vielleicht sogar eine Verschmelzung von Augmented und Virtual Reality ermöglicht, zumindest eine stärkere Verflechtung in den Alltag. Aber diese Gedankenspiele können wir erstmal beiseite lassen. Was ist also der Grund für diesen Deal?

Der Facebook News-Feed als Virtual Reality?

Zunächst einmal ist es viel zu kurzsichtig darüber zu reden, dass der Facebook News-Feed in virtueller Form erscheinen wird. Der Gedanke liegt sehr nahe, ist aber völliger Quatsch. Ob stattdessen Facebook-Funktionalitäten in Oculus Rift eingebunden werden, ist viel eher wahrscheinlich. Auch Brendan Iribe, Mit-Gründer und CEO von Oculus VR lässt in der offiziellen Meldung durchblitzen, dass man nun mit Mark und Facebook an der besten VR Plattform arbeiten wolle, da die virtuelle Welt wesentlich von sozialen Verknüpfungen und Interaktionen abhängig sei:

„We are excited to work with Mark and the Facebook team to deliver the very best virtual reality platform in the world. We believe virtual reality will be heavily defined by social experiences that connect people in magical, new ways“

Mobile ist heute. Vorbereitung auf die Plattform von morgen.

Facebook hat seine letzte Mission „Mobile first“ erfolgreich vorangetrieben. Die Zahlen zum letzten Quartel 2013 zeigen, dass das weltgrößte soziale Netzwerk mehr als 1,2 Milliarden Nutzern hat, was ein Zuwachs von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist. Damit stieg der Umsatz im vierten Quartal 2013 um 63 Prozent auf 2,6 Milliarden Dollar (1,9 Milliarden Euro), wovon erstmals mit 53 Prozent Werbeanteil die Mehrheit über mobile Endgeräte erwirtschaftet wurde. Mobile ist also für Facebook zum Standard geworden, weshalb man sich nun weiter nach vorne orientiert.

Aus dem offiziellen Statement von Mark Zuckerberg ist jedoch zu entnehmen, dass man wesentlich mehr damit vorhat, also nur eine schlichte Verknüpfung. Mit der Oculus Rift erlebt man eine völlig neue Erfahrung, die einem erlaubt, einem Spiel, Film oder Ort zu live beizuwohnen, allerdings halt auf virtuelle Weise. Der Gedanke dabei ist jedoch das, wofür sich Mark und Facebook einsetzen: Menschen, Ort und Dinge zusammenbringen.

„When you put it [Oculus Rift] on, you enter a completely immersive computer-generated environment, like a game or a movie scene or a place far away. The incredible thing about the technology is that you feel like you’re actually present in another place with other people.“

Gaming als nächster Schritt

Für viele wird dabei jedoch immer noch kein passender Schuh draus. Denn Live-Streamings zu Sportevents oder Musikveranstaltungen gibt es ja schließlich. Also eine weitere Spiele-Plattform? Gaming ist ein sehr lukrativer Markt, in dem Facebook mit seinen Social Games durchaus ordentlich mitmischt und bereits viele Erfahrungen sammeln konnte. Allerdings konnte Facebook bei Mobile Games nie so richtig Punkten. Währenddessen hat sich um Oculus eine immer größer werdende Fan- und besonders Entwicklergemeinde gebildet, die sich viel von der VR-Brille verhofft. 75,000 Bestellungen des Development Kits für die Oculus Rift sind zuletzt eingegangen, die nicht nur auf ein reges Interesse, sondern auch auf eine baldige hohe Aktivität hinweisen.

John Carmack und Facebook

Außerdem ist sehr wichtig zu wissen, welche personellen Entwicklungen sich mit diesem Deal ergeben. Der der Chef-Entwickler von Oculus Rift ist kein anderer als John Carmack, der Vater des ersten Ego-Shooters und Schrecken aller Eltern und Jugendschützer: Doom. Nach Aussage von Mark Zuckerberg wird Oculus weiterhin eigenständig arbeiten und die bisherigen Pläne nun mit Unterstützung von Facebook vorantreiben. Auch Carmack wird CTO von Oculus bleiben, der überzeugt ist von VR. Und wenn er einer Sache Potenzial ausspricht, sollte man gut hinhören. Schließlich hat er als Pionier und Entwickler mehr Einblick in diese Milliarden-Dollar-Industrie als jeder andere.

Facebook als Ökosystem

Als Mobile seinen großen Anschub bekam, erwischte es Facebook ein bisschen auf dem falschen Fuß und musste mir erheblichen Anstrengungen den Anschluss wieder zu finden. Aber während sie ständig an ihrem Produkt, also der Website und der App, schrauben, um es so zu gestalten, dass es die Nutzer gerne auf ihren Handys oder Tablets verwenden, ziehen die mobilen Dickschiffe – Apple, Microsoft , Amazon, Google – weiter ihren Kurs durch, ohne auf Facebook achten zu müssen.

Wenn also Facebook in Zukunft ein Pfeiler des Internet sein bzw. bleiben möchte, und ich zweifle nicht daran, dass das Mark Zuckerberg will, dann fehlt Facebook eine wichtige Schlüsselkomponente: die Infrastruktur, das Ökosystem.

Apple hat iOS , Google hat Android , Amazon hat seinen Android-Zweig FireOS, Microsoft hat Windows Phone. Facebook hat … nichts. Stattdessen ist man auf die Ökosysteme der Konkurrenz angewiesen. Bisher war dieser Weg erfolgreich für Facebook. Und auch in naher Zukunft gibt es noch viel Entwicklungspotenzial auf mobilen Geräten, mit dem sich Facebook weiter zu den großen Playern zählen kann. Der Kauf von Oculus jedoch zeigt einen wesentliche weiteren strategischen Ausblick, den man aktuell nur schwer Fassen kann. Facebook hat sich quasi eine Hardware gekauft, mit der man eine Infrastruktur der Zukunft versucht (bzw. erhofft) aufzusetzen. Eine Infrastruktur zukünftiger Betriebsysteme und Interfaces vielleicht. Und wenn diese neuen Formen von Betriebsystemen und Interfaces auf den dann alten mobilen Geräten aufsetzen, werden diese plötzlich belanglos und austauschbar werden. So oder so ähnlich lautet vielleicht der große Plan von Mark Zuckerberg.

„One day, we believe this kind of immersive, augmented reality will become a part of daily life for billions of people. Virtual reality was once the dream of science fiction. But the internet was also once a dream, and so were computers and smartphones. The future is coming and we have a chance to build it together.“ Mark Zuckerberg

Während wir also noch über die unterschiedlichen Nutzungszahlen von Desktop und Mobile reden, denkt Facebook über die unterschiedliche Nutzungsdauern in der realen und der virtuellen Welt nach. Ich bin gespannt, wann wir euch diese Zahlen präsentieren können.

Über Goran Minov 31 Artikel
Nach Stationen als Online-Projektmanager und Senior Konzeptioner ist Goran heute als Schnittstelle zwischen Kreation, Strategie und Kundenberatung nun seit 2010 als Emerging Media Manager bei MRM Frankfurt tätig, wo er das Ohr auf der Schiene hat und nach Innovationen und Trends Ausschau hält.

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