„Wenn Sie eine Lösung finden, sind Sie reich“, war der ungefähre Wortlaut der Experten, die ich im Rahmen meiner Masterthesis zum Thema Geschäftsmodelle für Smartphone-Apps in der Verlagsbranche befragte.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe zwar keine Lösung gefunden, jedoch sehr viele Meinungen gesammelt und Ansätze formuliert. Einige Antworten fasse ich hier zusammen.
Generell sollte ein Geschäftsmodell für eine App sehr nah an den Bedürfnissen der Zielgruppe entwickelt werden. Die Kunst ist es, für EIN bestimmtes Problem oder Bedürfnis EINE perfekte Lösung zu bieten. Im Gegensatz zum Printprodukt ist eine App NIE fertig. Sie muss stetig optimiert werden – technisch sowie inhaltlich.
Verlage sollten sich ein sehr genaues Bild vom Mobile Markt verschaffen und ihre Zielgruppen kennen bzw. deren Verhalten analysieren. Sie müssen bereit sein, alte Strukturen und Denkweisen zu verlassen und neue interne Prozesse zu schaffen.
Auch die Wettbewerbssituation ist eine neue –befindet sich der Verlag doch in Konkurrenz zu Startups, Entwicklern und Einzelpersonen.
Um Geld mit Apps zu verdienen, sind verschiedene Erlöskonzepte zu betrachten. Die von mir befragten Experten haben eine Reihe von Erfolgsfaktoren identifiziert:
- Modularität von Erlösmodellen bietet Flexibilität für die Zielgruppe
- Kombination mehrerer Modelle bietet Sicherheit für den Verlag
- Freemium-Konzepte mit In-App-Purchase schaffen Reichweite und Stärken die Verlagsmarke (stellen für Verlage eine Herausforderung dar, da Inhalte zerlegt und stufenweise angeboten werden müssen)
- Kostenbasierte Modelle eigenen sich vorrangig für den B2B-Bereich
- Crossmediale Erlöskonzepte bergen Potenzial
- Schnüren von Produktpaketen und Einpreisung von Apps
- Wirtschaftliches Potenzial werbebasierter Modelle analysieren
- Schaffung eines Mehrwerts durch die Integration von nutzerorientierten Services, die die Zahlungsbereitschaft fördern können
In Bezug auf den letzten Punkt herrscht Uneinigkeit bei der Frage, ob Smartphone-Apps eine Loslösung vom Kerngeschäft mit dem Content erfordern. Einige Experten sehen Verlagsinhalte nach wie vor als DIE Kernkompetenz. Apps erfordern demnach lediglich eine neue Herangehensweise an Inhalte, sie müssen übersetzt und für das Medium Mobile aufbereitet werden.
Auf der anderen Seite sprechen die Experten von einem Transfer des Kompetenzbereichs und der Neupositionierung der Verlage als multimediale Dienstleister. Apps erfordern zielgruppenspezifische Services, die einen Mehrwert darstellen, über die reine Wiedergabe von Inhalten hinausgehen und speziell für mobile Endgeräte gemacht sind. Eine Auseinandersetzung mit aktuellen Trends und App-Features ist erforderlich, um Services zu identifizieren, die zum Medium App passen, die Nutzungssituation der Zielgruppe treffen und monetarisierbar sind. Die sinnlose Integration beliebiger „Spielereien“ hingegen kann die Zielgruppe verärgern bzw. überfordern und technische Schwachstellen mit hohem Verbesserungsaufwand schaffen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Verlage laut Experten sehr wohl mit Apps Geld verdienen können, wenn sie bereit sind, sich dem Mobile Markt zu öffnen, alte Verlagsstrukturen und -prozesse zu überdenken und ihre Zielgruppe sehr genau zu analysieren. Gelingt es dann noch, über Inhalte hinauszudenken und Experimentierfreudigkeit hinsichtlich der Erlösmodelle zu entwickeln, dann steht einem erfolgreichen Mobile Business nichts im Wege.
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Über die Autorin: Silke Modjesch hat an der Hochschule der Medien in Stuttgart Mediapublishing studiert und sich im Rahmen ihrer Masterthesis mit App-Geschäftsmodellen für die Verlagsbranche beschäftigt. Als Freelancerin arbeitet Sie in der Online Abteilung des Ulmer Verlags und ist gelegentlich als freie Journalistin und Fotografin tätig.
Apps sind heute so ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, man siehe die Corona-Warn-App
Guter Beitrag zudem ein Lob an dich für die guten Infos die du in deinem Weblog bereit stellst.
Dass wir uns richtig verstehen: mir geht es hier prinzipiell um die Rolle, die Verlage oder verlagsähnliche Konstrukte spielen könnten. Es ist nicht „systemimmanent“, dass diese nicht gebraucht werden resp. viele der Funktionen. Siehe zB die aktuellen Debatten unter Selfpublishern.
Korrekt ist aber (leider) auch, dass tatsächlich viele Medienhäuser das Prinzip „Durchwursteln“ für sich auserkoren haben und einer überraschenden Fantasielosigkeit frönen. Insofern stehe ich durchaus zum „Prinzip Verlag“, glaube aber nicht, dass die Unternehmenslandschaft in 10 bis 20 Jahren diesselbe ist wie heute.
„Das ist doch ein wenig eine Nerd-Aussage, oder? Verlage spielen durchaus eine Rolle und werden das auch weiterhin tun – die Mehrzahl der Leser schätzt es eben doch noch, Inhalte zielgruppengerecht aufbereitet und kuratiert zu bekommen. Nicht jeder ist ein Feed-Junkie, im Gegenteil.“
Ich habe meine These tatsächlich ein wenig zugespitzt präsentiert – aber im Kern ist sie richtig. Verlage reden heute fast nur noch von „Content“. Inhalte sind eine Ware, sie wird „produziert“ und „vermarktet“, auf „Plattformen“ gehoben. „Kuratiert“ wird da schon lange nicht mehr, da wird nur noch „Content“ verschoben. Die Auflagen vieler renommierter Zeitschriften sprechen eine deutliche Sprache. Die Magazine und Zeitungen passen nicht mehr und die Leser gehen still und leise.
Die Landlust ist ein hervorragendes Beispiel, dass es auch anders geht. Aber diesen Aufwand betreibt kaum noch ein Verlag. Die meisten wollen mit nur kleinen Änderungen weiterwurschteln und hoffen, dass das Geld damit wieder zurückkommt. Kommt es aber nicht.
„Verlage haben im Internet-Zeitalter ihre Vermittlerrolle zwischen Anzeigenkunden und Lesern verloren. Man braucht keinen Verlag mehr, um als Hersteller an neue, potente Endkunden zu gelangen. Leser brauchen auch keine Magazine mehr, die Ihnen die Inhalte gut aufbereiten, zusammenstellen und bewerten, dass können Sie selbst im Internet oder in Blogs und Sozialen Netzen.“
Das ist doch ein wenig eine Nerd-Aussage, oder? Verlage spielen durchaus eine Rolle und werden das auch weiterhin tun – die Mehrzahl der Leser schätzt es eben doch noch, Inhalte zielgruppengerecht aufbereitet und kuratiert zu bekommen. Nicht jeder ist ein Feed-Junkie, im Gegenteil.
Frage ist eben nur, wie diese Rolle im detail aussieht im digitalen zeitalter, ob Strukturen und Prozesse in Verlagen und vor allem Produkte von Verlagen noch auf die Nutzeranforderungen passen.
Also, das ist ehrlich gesagt nur Blabla in diesem Artikel. „Schauen Sie genau hin“, „analysieren Sie Ihre Zielgruppe“ etc. – geht’s noch allgemeiner? Eigentlich fehlt nur noch ein Satz wie „Verstehe Deinen Kunden und seine Bedürfnisse und Du wirst reich“.
Verlage haben im Internet-Zeitalter ihre Vermittlerrolle zwischen Anzeigenkunden und Lesern verloren. Man braucht keinen Verlag mehr, um als Hersteller an neue, potente Endkunden zu gelangen. Leser brauchen auch keine Magazine mehr, die Ihnen die Inhalte gut aufbereiten, zusammenstellen und bewerten, dass können Sie selbst im Internet oder in Blogs und Sozialen Netzen.
Die Antwort lautet sehr wahrscheinlich „nein“, wenn man sich selbstkritisch fragt: Braucht es noch klassische Verlage? Sein Inhalte einfach nur auf die mobile Plattform auszudehnen, gleicht dem Herumdoktern an Symptomen. Im Kern bringt das nichts, es verlängert nur das Leiden.
Wo ist die neue Rolle als Vermittler zwischen Lesern und Herstellern, die neue Kunden erreichen möchten? Wer das gut für sich beantworten kann, hat den richtigen Weg gefunden. Das geht mit Papier, mobil oder auch ganz anders.
Danke für Ihre Kritik David Göhler. Ziel meiner Thesis war es, anhand von Experteninterviews verschiedene Ansätze und Herangehensweisen für eine „Mobile Strategie“ in Verlagen zu identifizieren. Das Antwortspektrum war sehr breit gefächert und kontrovers, was mir gezeigt hat, dass sich die Verlagsbranche eben noch kein klares Bild vom Mobile Markt machen kann. Es gibt keinen „goldenen Lösungsweg“ und kein Patentrezept. Es gibt eben momentan nur Ansätze, wie man sich dem Mobile Markt nähern kann. Diese Ansätze sind alle in starkem Maße abhängig von der Verlagsausrichtung, den Inhalten, der Zielgruppe und vielen weiteren Faktoren und können in einem Artikel, der eine fast 300 Seiten lange Masterthesis zusammenfasst, nur ansatzweise und z.T. allgemein formuliert zusammengefasst werden.
Die Frage, ob wir noch Verlage brauchen, ist nicht Bestandteil meiner Arbeit. Ich stelle vielmehr aus Verlagssicht die Fragen: Was können/müssen wir tun? Wie reagieren wir auf den Mobile Markt und wie können neue Produktkonzepte, Geschäftsmodelle und Erlösmodelle aussehen? Dazu gehören auch vielleicht selbstverständliche Schritte, wie die Zielgruppenanalyse. Ich will nicht sagen, dass dies für Verlage bisher ein Fremdwort war, jedoch sind Apps als „Serviceprodukte“, die ein Problem/Bedürfnis der Zielgruppe in einem ganz bestimmten Kontext lösen sollen, vielleicht näher an der Zielgruppe dran und stärker an deren Bedürfnissen orientiert, als es ein Buch sein mag.
Hartl – in meiner Arbeit ging es speziell um Fach- und Sachverlage, also schwerpunktmäßig den Buchbereich (z.T. auch Zeitschriften). Der Werbemarkt hat deswegen auch nur eine untergeordnete Rolle gespielt, aber interessante Gedanken, Tom Engel.
Um welche Verlage handelt es sich denn?
Zeitung oder Buch?
Verlage haben neben dem journalistischen Content noch weitere Assets, die mobil monetarisierbar sind: Anzeigen-Vertriebsteam mit lokaler Kompetenz, lokale Kontakte zu Unternehmen, Verbänden & Lesern, regionale Anzeigenkunden und die Möglichkeit, Print ins mobile zu verlängern etc. Darüber lohnt es sich nachzudenken!