Lösungen statt Schokoherzen

Foto: Jürgen Litz

Reicht es, Schokolade zu verteilen, um bei Kunden zu punkten? Zuckerguss kann nicht darüber hinwegtäuschen, wenn sonst alles schief läuft

Die Transformation von Unternehmen im Sinne von Kunden und Mitarbeitern liegt mir sehr am Herzen. Das gilt auch für den Konstanzer Unternehmer Jürgen Litz, der mit CobraCRM eine datenschutzkonforme Plattform geschaffen hat. Im Interview mit Jürgen Litz beschäftigen wir uns mit Entwicklungen zur DSGVO und des Customer Experience Managements (CXM), weil sie tiefgreifende Auswirkungen haben – sowohl für die Kundenbeziehung, als auch für die Wertschöpfung im Unternehmen.

Das Problem mit oberflächlichem Customer Experience Management

Johannes Ceh: Auf dem Weg zu unserem Treffen wurde ich von der Bahn mit einer goldenen Schokolade beschenkt – „Lieblingsgast“.

Jürgen Litz: Sie erinnern sich noch an Air Berlin – das waren die mit ganz viel Herz. Aus Schokolade. Auf eBay können Sie sich diese Symbole eines oberflächlichen Customer Experience Managements kaufen. Das scheint nicht nachhaltig erfolgreich gewesen zu sein.

Johannes Ceh: Leider glauben heute immer noch viele, dass CXM vor allem „Schokoladenherzchen“ an Touchpoints bedeutet. Wie weit diese Sicht führt, das machen einem die Schokoladenherzchen von Air Berlin schmerzhaft deutlich.

Jürgen Litz: Nichts gegen Aufmerksamkeiten. Für wirkliche Empathie und ein individuelles Eingehen auf die Kunden oder eine perfekte Kundenerfahrung standen diese Herzchen aber nie. Vor allem konnten sie nie sicherstellen, dass für die Kunden der Job erledigt wird, den sie erwarten.

Johannes Ceh: Auch ein Zugbegleiter der Bahn klagte noch im Dezember des vergangenen Jahres auf Social Media lautstark über ein falsches Service-Verständnis.

Jürgen Litz: Noch habe ich Hoffnung, aber der Vorstand muss begreifen, dass es nicht um die Schokostückchen geht, die gerade in den Zügen verteilt werden, sondern darum, pünktlich von A nach B zu fahren. Noch schlimmer: Zum Teil haben Vorstände systematisch daran gearbeitet, dass durch fehlende Integration der Job für die Bahnkunden nicht erledigt wurde. So gibt es zum Beispiel das System „Planstart“. Das heißt: Ein Zugführer muss möglichst zeitig abfahren – und für jede Verspätung muss ein Schuldiger benannt werden. Für die gibt es sogar Prämienabzüge. Wenn ich also auf einen Anschluss warte, kann das teuer werden. Strafe droht, wenn man an den Kunden denkt! Wenn er aber dann unzufrieden ist, gibt es Schokolade. Das ist nicht die Lösung.

Johannes Ceh: Natürlich nicht. Mir hat die Bahn aber am Wochenende konkret Hoffnung gemacht. Bereits vier Stunden vor Zugfahrt hatte mir die App der DB eine klare Empfehlung gegeben, bestimmte Züge nicht zu nehmen. Ich plante um, wählte einen späteren Zug, entspannte noch länger mit meinem Buch. Mit ihrem Social Listening hat die Bahn mich in diesem Fall entlastet.

Jürgen Litz: Schönes Beispiel. So muss es weitergehen!

Wie ideales CXM aussehen sollte

Johannes Ceh: Es gibt viel zu tun. Keine Frage. Gleichzeitig verdienen solche Lösungen im Sinne des Menschen Respekt, weil sie Menschen befähigen, besser zusammen zu arbeiten und zu leben. So etwas zu erstellen ist aber wesentlich komplexer als Schokoherzen zu verteilen.

Jürgen Litz: Stellen Sie sich mal ein unglaubliches Szenario für die Bahn vor. Was wäre, wenn die Bahn ihren Job wirklich optimal erledigt. Unter Einbezug individueller Konditionen, meiner Zeitplanung, Zugauslastung, Anschlüsse via MyTaxi und Co. Also wirklich ganzheitlich.

Johannes Ceh: In diesem Szenario stimmt nicht nur der individualisierte und integrierte Kern-Service, sondern auch alles an zusätzlichen Leistungs-, Informations- und Komunikationsservices.

Jürgen Litz: Das Szenario klingt fast utopisch und sicherlich wird man dieses Rom einer idealen Customer Experience nicht an einem Tag erbauen. Was noch wichtiger ist: Damit in diesem Sinne nicht nur die Schokolade begeistert, sondern auch der eigentliche Kern-Service – das Bahn fahren -, muss ein CXM systematisch durch ein Customer-Relationship-Management unterstützt werden.

Johannes Ceh: Ich erschrecke immer wieder, wie schnell von Customer Experience gesprochen und dabei Customer-Relationship-Management (CRM) vergessen wird.

Jürgen Litz: CXM und CRM sind im Idealfall die beiden Seiten einer Doppel-Helix oder eines Doppel-Halbkreises, bei denen die Erfahrungen des Kunden an den Touchpoints mit den Maßnahmen und Informationen der Kundenteams synchronisiert sind. Bei einem solchen Gleichklang wüsste die Bahn durch ihr CRM, was ihren Kunden wichtig ist, und könnte eine perfekte Erfahrung des Kunden Schritt für Schritt sicherstellen.

Johannes Ceh: Das gilt auch umgekehrt: Modernes CRM funktioniert nicht ohne einen neuen Fokus auf den Kunden und seine Erfahrungs-Reise, insbesondere seine Entscheidungs-Reise.

Über Johannes Ceh 22 Artikel
Johannes Ceh unterstützt Unternehmen, Digitalisierung an Kunden und Mitarbeitern auszurichten. Er ist Keynote-Speaker und Berater für neue Formen der Zusammenarbeit und digitale Verantwortung. Nach Jahren bei Sport1, SKY, Springer & Jacoby, BMW, Daimler, JungvonMatt und Ogilvy schreibt er aktuell an einem Buch zum „Zeitalter des Kunden“ und dem damit verbundenen Wandel in Unternehmen.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


Ich bestätige, dass die hier von mir eingegebenen persönlichen Daten in der von mobile zeitgeist genutzten Datenbank bis auf Widerruf gespeichert werden dürfen.