Der Diesel-Skandal hinterlässt seine Spuren in der deutschen Automobilbranche. Audi zahlt in der Dieselaffäre 800 Millionen Euro Bußgeld. (Welches übrigens in die Landesjustizkasse einfließt und von dem betroffene Autofahrer nichts sehen werden.) Volkswagen hat eine Milliarden-Strafe erhalten. Nun steht auch Opel im Visier der Justiz, 100.000 Autos werden laut Bundesverkehrsministerium zurückgerufen. In einer Brandrede betont VW-Chef Herbert Diess jedoch, dass die Folgen der Abgasaffäre vor allem die deutsche Autoindustrie treffen wird und die Spitzenposition am Weltmarkt gefährdet.
VW-Chef: „Die Idee der Elektromobilität wird ad absurdum geführt“
Kritisch sieht Herbert Diess zudem den hohen Anteil an Elektroautos in Deutschland. Seiner Meinung nach würde der für den Antrieb erforderliche Strom die Umweltbilanz eher verschlechtern, denn verbessern. Mit etwa 600 Gramm CO2 in der erzeugten Kilowattstunde Strom würde Deutschland in Europa im hinteren Mittelfeld stehen. Weiterhin stellt Diess den Vergleich auf, dass wir in Deutschland “anstatt mit Benzin oder Diesel im Prinzip mit Kohle” unterwegs sein würden, obwohl wir elektrisch fahren. Schlimmstenfalls mit Braunkohle. Die Idee der Elektromobilität würde demnach ad absurdum geführt werden. CO2-Emissionen in Deutschland würden demnach gleich bleiben oder gar ansteigen. All die Milliarden, die in den Strukturwandel für E-Mobilität geflossen seien, würden dem Ergebnis demnach nicht gerecht werden.
Der Diesel-Skandal und Diess’ harsche Aussagen haben Elektromobilität wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Viele Deutsche haben sich bereits mit der Technologie und ihren Möglichkeiten auseinandergesetzt. Die einen haben bereits eine Probefahrt unternommen, andere sich gar ein E-Auto zugelegt. Dennoch sieht die große Mehrheit viele Hürden, die sie daran hindert, ein Elektro-Auto zu kaufen. Einerseits ist dies eine fehlende ausgebaute Lade-Infrastruktur, andererseits zu geringe Reichweiten. Auch der zum Teil hohe Preis für E-Auto-Modelle schreckt viele ab.
E-Mobility ist Antreiber für die Stadt der Zukunft
Nicht alle wissen allerdings, dass Elektromobilität an sich nur ein Teilaspekt einer ganzen Innovationsbewegung ist. In allen Fragen des Energiekonzepts der Zukunft ist E-Mobility nicht wegzudenken. In einer smarten, ressourcensparenden und urbanen Lebenswelt wird E-Mobility ein Anker sein, um die Vision der Smart City zu realisieren. Dass Vision Realität werden kann, beweist beispielsweise die Stadt Shenzhen in Südchina. Nach einer Totalumstellung ihres öffentlichen Busverkehrs auf 16.500 E-Bussen hat die Stadt den Kampf gegen ihr starkes Luftproblem gewonnen.
Elektrofahrzeuge sind zudem branchen-überwindende Innovationsträger und werden unser Bild von Auto und Fahrzeug an sich verändern. Wenn Energieverbraucher über das sogenannte Vehicle-to-Grid auch zu Strom-Erzeugern werden, wird ein neuer Energiemarkt entstehen. Fossile Energieträger werden infolgedessen gefordert sein, sich diesem neuen Markt anzupassen. Denn in Zukunft werden Straßen nur noch als “Energie-Bahnen” aufgefasst. Diese werden ein intelligentes Stromnetz via Smart Grid benutzen. Mitsamt E-Autos werden andere Verkehrsteilnehmer (Bahn, ÖPNV, Fluglinien) in intelligenten Lade-Infrastrukturen integriert, um so ein energie-effizientes Verkehrssystem zu etablieren.
E-Auto ist mehr als Tesla
E-Mobility muss sich daher dem Markt weiterhin öffnen und auf sich aufmerksam machen. Populäre Player wie Tesla oder das chinesische BYD Unternehmen können mit ihren innovativen Produkten nicht allein einen Wandel herbeiführen. Vielmehr müssen alle Beteiligte an einem Verkehrs- und Energiesystem der Zukunft arbeiten. Startups, Telekommunikations- und IT-Unternehmen, Software- und Content-Provider, Energieunternehmen und letztlich die Autohersteller selbst werden sich in naher Zeit noch intensiver mit Antriebstechnologien, Akkus, Infrastruktur, Smart Grid, Verkehrsregulierungen und rechtlichen Fragen beschäftigen müssen, um Elektromobilität auf die Sprünge zu helfen.
Kommentar von Oliver Klatt (mobile zeitgeist):
„Der faule Dieselkompromiss der Politik mit der Autoindustrie, ausgetragen auf dem Rücken der Autofahrer oder noch Automobilisten – stinkt im wahrsten Sinne des Wortes, wie die Abgase zum Himmel. Fehlende Kompetenz, mangelnder Weitblick und das Festhalten an alten, überholten Technologien sind die eigentliche Gefahr für Deutschland.
Das „Diesssche-Ablenkungsmanöver“ ist ein Armutszeugnis für seine Arbeit, zeigt die offensichtliche Hilflosigkeit eines Vorstandsvorsitzenden und steht sinnbildlich für die Kommunikation der Politik und der Autoindustrie. Wir können doch alle eins und eins zusammenzählen, um zu wissen, dass an der deutschen Automobilindustrie mehr als 800.000 Arbeitsplätze hängen und diese einen wichtigen Beitrag zur aktuell exzellenten Arbeitsmarktlage und zum Wohlstand in Deutschland leisten.
Die Politik wurde zu faulen Umtauschprämien-Kompromissen gezwungen, um nicht Arbeitsplätze zu riskieren. Statt konstruktive, innovative und weitsichtige Lösungen zu präsentieren hat unser Mitbürger und Vorstandsvorsitzender Diess nichts anderes zu tun, als der Politik polemisch die Pistole auf die Brust zu setzen. Warum nicht Transparenz zeigen? Warum nicht eingestehen, Fehler gemacht zu haben? Es wäre doch ein Anfang, spätestens jetzt offen und ehrlich zu kommunizieren, aus den „Fehlern“ gelernt zu haben und nun alles daranzusetzen, das Sündenregister der Autoindustrie nicht größer werden zu lassen.
Es gibt für Deutschland keinen industriellen Ersatzreifen der die Automobilbranche ersetzen kann, deshalb wäre es wünschenswert, dass sich die verantwortlichen Manipulierer gemeinsam mit Politik, Ländern und Städten an einen Tisch setzen und endlich ernsthaft und transparent die Mobilitätswende angehen – idealerweise mit sauberen, nachhaltigen und zeitgemäßen Autos.“
Quellen:
heise.de, 15.10.18
welt.de, 15.10.18
spiegel.de, 16.10.18
fr.de, 26.04.18
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