Das vernetzte Auto: Die Automobil-Branche im digitalen Wandel

Tesla

In der letzten Woche trafen sich über 180 Experten auf einer Konferenz zum vernetzten Auto in München, um über die Zukunft des Automobils zu diskutieren. Auf der “Content and Apps for Automotive Europe 2014” sprachen Hersteller, Zulieferer und Drittanbieter über Geschäftsmodelle, Restriktionen, Ängste, aber auch über Strategien wie das Smartphone, der mobile Lifestyle und das Auto miteinander verschmolzen werden können. Vieles ist bereits im Gange, wie wir bereits auch schon hier und hier beschrieben haben.

Die Suche nach dem Connectivity-Standard

Die Automobilbranche bewegt sich naturgemäß relativ langsam. Die Länge eines Produktentwicklungszyklus liegt zwischen 6-8 Jahren, während bei Apple und Google jedes Jahr ein neues Smartphone an den Start geht, bei anderen Herstellern sogar alle 4-6 Monate. Seit der Einführung von BMWs ConnectedDrive in 2001 hat sich daher für den Kunden nicht wesentlich viel verändert. In der Zwischenzeit haben so gut wie alle großen ihr eigenes System im sogenannten Center Stack eingebunden. Nach wie vor geht das Angebot aber selten über die Grundfunktionen wie Karten, Telefon, Musik oder Wetter hinaus. Ein Grund ist sicherlich, dass beharrlich nach einem Standard gesucht wird, um das Risiko einer Investition, wie z.B. eines neuen Infotainment-Systems oder Schnittstellen im Allgemeinen, so gering wie möglich zu halten. Neben dem unterschiedlichen Update-Rhythmus von Auto und Mobile Device, spielen letztlich auch Sicherheitsaspekte und Restriktionen eine große Rolle.

Die 2011 gestartete Initiative des Car Connectivity Consortium (CCC), um MirrorLink als Standard durchzusetzen, ist nicht ganz erfolglos. Oft als “Screen Duplication” oder “Screen Replication” betitelt, bringt die Technologie über definierte Schnittstellen unterschiedliche Apps vom Smartphone auf das Display im Auto. So ergibt sich zwar eine einfache Lösung auch im unteren Produktsegment “vernetzte” Autos anzubieten, jedoch lässt sich in vielen Gesprächen und Vorträgen heraushören, dass MirrorLink wohl immer eine Übergangs- oder Zweitlösung bleiben wird. Hersteller können auch mit diesem Standard nach wie vor nicht die Gestaltung und Interaktion im Sinne eines eigenständigen (und differenzierenden) Markenerlebnisses beeinflussen. Ach ja, außerdem sollte man wissen, dass MirrorLink nicht mit iOS kompatibel ist. Und wenn man sich Marktprognosen (s. u.) anschaut, verhofft man sich ein großes Potenzial im Aftermarkt für die Infotainment-Systeme samt entsprechender Services, das man gerne natürlich möglichst umfassende selbst abschöpfen möchte.

Alpine ICS-X8 with Samsung Galaxy S3 and DriveLink

Werbung und mobiles Nutzungsverhalten im Fahrzeug

Ein Pionier der Automobil-Branche hinterließ seiner Nachwelt seinerzeit ein sehr bedeutsames Zitat:

“Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.” Henry Ford

Nur leider halten sich heutzutage die wenigsten daran. Stattdessen werden unzählige Untersuchungen mit Nutzern und potenziellen Kunden gemacht, um herauszufinden, was sie wirklich von dem Auto der Zukunft erwarten. Heraus kommt oft, dass es dem Kunden beim Kauf in erster Linie um Sicherheitsaspekte geht und erst viel später um Infotainment. Wenn man so fragt, ist das sicher auch nachvollziehbar. Nur kann man Befragungen und Statistiken unterschiedlich interpretieren. Und wird mit dem Research nicht das eigentliche Problem behandelt, helfen die akkuratesten Ergebnisse nichts. Hätte man 2007 gefragt, wie das nächste Handy aussehen soll, wäre mit Sicherheit bei keiner Befragung das iPhone herausgekommen.

Man behilft sich also oft mit Ergebnissen, die keinen radikalen Wandel, sondern einen schrittweisen ermöglichen. Sodass ein kleiner Fortschritt auch mit dem Zyklus der Produktentwicklung der Automobil-Branche vereinbar ist. Während die Vorstöße von Apple und Google eher als ein Eindringen in das eigene Terrain empfunden werden, sieht man Tesla interessanterweise als Best Practice an. In einem nächsten Artikel werde ich näher auf Google, Apple und Tesla eingehen, nur soviel vorab: Tesla hat es verstanden, sich als digitale bzw. Technologie-Marke zu positionieren, die ein Fahrzeug herstellt. Im Gegensatz dazu kommen die traditionellen Marken als Autohersteller daher, die versuchen die neuen Technologien einzubauen.

Diese Diskrepanz ist spürbar, denn Tesla besitzt, in der Art wie geplant, produziert und vermarktet wird, die Leichtigkeit und das Tempo anderer moderner “Internetunternehmen”. So können neuste Entwicklungen und Innovationen wesentlich schneller umgesetzt und für sich behauptet werden. Das merken nun klassische Autobauer und kommen langsam in Zugzwang, auch wenn sie noch nicht befürchten müssen, dass ihnen der Markt wegbricht. Tesla kann sich momentan im besten Fall lediglich als Innovationsführer und in gewisserweise als Markttreiber behaupten, die Masse wird trotzdem bei , Audi und Co. bleiben.

Connected Cars: ein Zukunftsmarkt für Automobilhersteller und Telekommunikationsunternehmen

Aber anstatt das Marketing- und Produktrad komplett neu zu erfinden, liegt der Fokus der Automobilhersteller momentan mehr auf der Replikation bzw. Erweiterung des mobilen Devices im Auto. Für Werbungtreibende und Hersteller wird dies ein weiterer Werbekanal werden, den man gerne mit gelernten Mitteln in naher Zukunft monetarisieren möchte. Und die Aussichten sind nicht schlecht. Laut GSMA birgt der globale Markt für das vernetzte Auto ein Umsatzwachstum auf 39 Mrd. Euro bis zum Jahr 2018 (s. Studien-Datenbank).

Dabei wird gleichermaßen dem Produktverkauf sowie dem Aftermarket ein hohes Potenzial ausgesprochen. Und in Zukunft wird gerade die Zeit nach dem Verkauf eines Fahrzeugs für die Hersteller an Bedeutung gewinnen, da man dann näher am Kunden sein wird und stärker auf dessen Bedürfnisse eingehen kann bzw. individuellere bewerben kann.

“One of the huge benefits of a Connected Car like the Nissan Leaf is not only the immediate information available to the customer but also building a detailed understanding of how people use their cars.” Ian Digman, Nssan, General Manager, Europe Cross Carline Product Planning

Bis 2022 wird es nach einem Report von Telefónica (s. Studien-Datenbank) 1,8 Milliarden automobile M2M-Verbindungen (Machine-to-Machine) geben. Das wird 700 Millionen Connected Cars umfassen und 1,1 Milliarden Aftermarket-Geräte für Dienste wie , nutzungsabhängige Versicherungen, Fahrzeugdiebstahlsicherung und Infotainment. Kein Wunder also, dass auch ein Telko-Unternehmen wie Telefónica in diesem Markt mitmischen möchte. Schließlich geht es um mobile und digitale Dienste. Und das ist seit den letzten Jahren das große Spielfeld der Telekommunikationsunternehmen. Da wundert es auch niemanden mehr, wenn der Konzern, zu dem hierzulande O2 gehört, seine enge Partnerschaft mit Tesla verkündet. Telefónicas globale M2M-Lösung, die auf der Plattform von Jasper Wireless basiert, stellt die mobilen Internetzugänge für das In-Car-Infotainment sowie die Telematik des Tesla Model S und zukünftige bereit. So werden beispielsweise Online-Navigation, Musikhören oder Browser über das Internet während der Autofahrt möglich. Darüber hinaus verfügt das Tesla Model S auch über ein Ferndiagnose-System, das in Echtzeit wichtige Informationen über den Zustand des Fahrzeugs und die Sicherheit an den Fahrer oder den Tesla-Service übermitteln kann.

„Bei unserem beschleunigten Umbau zu einem vollkommen digitalen Telekommunikationsanbieter erkennen wir viele , um unseren Kunden noch mehr zu ermöglichen“, sagt Peter Rampling, Managing Director Digital bei Telefónica in Deutschland.

Ein Markt im Umbruch

Aktuell ist es also für die Automobil- und der Mobile-Branche eine sehr spannende Zeit. Neue Player drängen in den Markt und wirbeln ein wenig Staub auf. Alte Player fangen einen Transformationsprozess an, den man bereits bei Marken wie Nike, McDonalds oder Coca Cola sehen konnte. Ein Prozess, der unausweichlich ist, wenn man mit einer zukünftigen Zielgruppe mithalten möchte. Die neuen Entwicklungen ermöglichen die Weiterführung des Marktes in das digitale Zeitalter mit samt den Vor- und Nachteilen, die wir bereits kennen und vorahnen können (Stichwort: Privatsphäre). Man darf also gespannt sein.

Über Goran Minov 31 Artikel
Nach Stationen als Online-Projektmanager und Senior Konzeptioner ist Goran heute als Schnittstelle zwischen Kreation, Strategie und Kundenberatung nun seit 2010 als Emerging Media Manager bei MRM Frankfurt tätig, wo er das Ohr auf der Schiene hat und nach Innovationen und Trends Ausschau hält.

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