Spätestens seit Facebook auf seiner Developer Conference F8 Mitte April 2016 das SDK (Software Developer Kit) für Bots im Facebook Messenger bekannt gegeben hat, sind die Chat-Bots in aller Munde. Doch was sind Bots eigentlich? Wo und wie werden sie bereits eingesetzt?
Bots, eine Abkürzung des Wortes „Roboter“, sind Programme, die weitgehend autonom agieren und meist sich wiederholende Aufgaben abarbeiten. Es gibt sie schon lang und sie begleiten uns zum Beispiel als Webcrawler (Google Bot) oder simulieren Spieler in Multi-Player-Games.
Was neu ist und viele Netzbewohner zurzeit elektrisiert, ist die Anwendung von Bots in Chats und Messengern, wie WhatsApp, Kik, Line, WeChat oder eben dem Facebook Messenger, eben die Chat-Bots. Unternehmen und Marken können so dorthin vordringen, wo Millionen von Menschen intensiv und vertrauensvoll kommunizieren und die Nutzer können nützliche und unkomplizierte neue Services erwarten.
Apps: Es ist schwierig
Angesichts der großen Herausforderung, eine mobile App auf die Smartphones der Nutzer zu bekommen und diese zu einer regelmäßigen Nutzung der App zu bewegen, versprechen die Chat-Bots einen einfacheren Zugang. Anstatt gleich mehrere Apps für die gängigsten Betriebssysteme, Smartphones, Display-Größen und App Stores zu erstellen, kann man nun mit einer „Micro-App“ für den Facebook Messenger eine Milliarde Menschen erreichen. Der Nutzer muss nichts installieren, keinen Account anlegen, keine Bezahldaten am Smartphone eintippen. Alle diese Daten sind auf der Plattform bereits vorhanden – und nicht nur diese. Auch alle anderen Informationen über uns, die wir Facebook so bereitwillig jeden Tag zur Verfügung stellen, können die Bots nutzen, um eine möglichst gute User Experience zu erreichen.
„Assist“, ein Chatbot-Service aus San Francisco, orchestriert gleich mehrere verschiedene Dienste, für die man sonst jeweils eine App hätte nutzen müssen. Vom Bestellen eines Taxis, Essens oder von Blumen oder Tickets, bis hin zur Terminbuchung beim Friseur, kann Assist alles erledigen und spezialisierte Dienstleister wie Uber, Citymapper oder Florist One entsprechend kontaktieren.
Fußball-Fans können im Facebook Messenger den „Bild-Transferticker“ abonnieren. Ein Prinzip, das schon viele Medien- und Handelsunternehmen auf WhatsApp nutzen.
Interessanter wird es jedoch, wenn die Chatbots echte Interaktion erlauben. In einer Kampagne für den Horrorfilm „Insidious: Chapter 3“ konnten sich Fans im Messenger Kik mit der Hauptfigur, die nach einem Unfall ans Bett gefesselt ist und Kontakt nach außen sucht, unterhalten.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die App „Crave Romance“, die Liebesromanautoren die Möglichkeit bietet, das Storytelling bis auf das Smartphone zu verlängern. Die LeserInnen erhalten täglich ein neues Kapitel und zusätzlich Selfies und Videos der Romanprotagonisten und Chatnachrichten, die von einem Bot erzeugt werden.
Dies sind alles erste Ansätze, die noch vergleichsweise statisch und teilweise unidirektional daher kommen. Zukünftig werden wir aber durch Fortschritte bei der „Intelligenz“ der Bots weitaus komplexere Services sehen. Ob wir dann den Bot noch von einem Menschen werden unterscheiden können, bleibt abzuwarten. Für viele der Services wird das auch unerheblich sein.
Sind Chat-Bots das Ende der Apps?
Auf jeden Fall wird sich unsere Art, das Smartphone zu bedienen durch eine verbesserte Bild- und Spracherkennung ebenso massiv verändern wie die Welt der Apps. Denn wenn die Bots zu unserem zentralen Interface werden und wir mit ihnen ganz natürlich über Sprache kommunizieren, können sich Ein- und Ausgabefunktion trennen und in verschiedenen Geräten unterkommen. Diese Geräte integrieren sich dann nahtlos in unsere Umgebung, in unsere Kleidung, Accessoires oder sogar mittels Implantaten in uns selbst. Und viele der Apps, wie wir sie heute kennen, werden verschwinden. Sie werden atomisiert, in ihre kleinsten Teile zerlegt und von den Bots übernommen.
Werden alle Apps nun verschwinden? Nein, das werden sie nicht. Aber es wird Apps geben, die durch Bots ersetzt werden. Andere Apps, mit einem komplexeren Funktionsumfang werden nicht von den zunächst einfachen Bots bedroht. Doch müssen auch diese Apps sich in Sachen User Experience verbessern. Und so bleibt zu hoffen, dass die Bots zu besseren Apps führen werden.
Dieser Artikel erschien in veränderter Form zuerst auf next.media Hamburg.
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