Wo bleibt Virtual Reality? Über die schwere Geburt neuer Technologien

Virtual Reality hat aktuell Startprobleme. Welche Schritte muss die Technologie durchleben, damit die VR-Brille sich durchsetzt?
Foto: pixabay, Wren Handman

Wenn wir über Virtual Reality sprechen, gehen wir zumeist von der Technologie selbst aus und wie sie unsere Gesellschaft und unser Berufsleben verändern wird. Doch wer einmal eine VR-Brille auf der Nase hatte und über mehrere Stunden Immersion erlebt hat, dem wird erst bewusst, dass er völlig in eine eigene Welt abtaucht, in der die Sinne nach und nach zurücktreten.

Dieses ungeahnt tiefe Entschwinden in die virtuelle Welt verläuft niemals völlig getrennt vom Einfluss der Realität. Man nimmt die virtuelle Welt immer auch als Teil der persönlichen Geschichte wahr, da Philosophie, Kultur, sozialer Status und kognitive Gewohnheiten sich im Kopf mit der fiktiven Welt vermischen. Dies lässt sich an vielen VR-Experimenten erkennen. Beispielsweise, wenn User in der virtuellen Welt auf Avatare reagieren, lässt sich sogar der Grad an Rassismus messen.

Virtual Reality als ultimatives Experimentierfeld

Virtual Reality ist bereits jetzt viel mehr als Zeitvertreib und alberne Spielerei. CNC-Fräser nutzen die Technologie, um 3D-Modelle zu bauen, Chirurgen können in der Ausbildung in einem Simulator Eingriffe üben und Musiker über VR in einem virtuellen Musik-Studio Instrumente einspielen. Das außergewöhnliche Ortsgefühl, welches die VR-Umgebung erschafft, ist eine Spielwiese für kreative Akteure und digitale Player gleichermaßen. Es ist eine der Technologien der Zukunft.

Und doch scheint es mit dem Erfolg von VR etwas zu hapern. Während vor rund fünf Jahren VR-Startups und Studios wie Pilze aus dem Boden schossen und von einer technologischen Wende gesprochen wurde, scheint Virtual Reality und deren Fortschritt heutzutage wieder etwas eingeschlafen zu sein. Ein Beispiel für einen raschen Aufstieg und Fall ist das VR Startup Nullspace. Nur eine Woche benötigte das Startup um sich über Kickstarter zu finanzieren. Nur wenige Wochen später kam die Pleite. Ähnlich erging es auch dem Startup Jaunt. Nach Millioneninvestitionen musste das Vorzeige-Startup der Branche seinen Bankrott erklären und all sein VR- Equipment verscherbeln. Auch in China sieht es nicht anders aus. Nach einem Forbes Artikel sind 90 % der chinesischen VR Unternehmen pleite.

Technologische Hypes kommen und gehen. Blockchain hat jenes Auf und Ab Ende 2017 mit der Kryptowährung Bitcoin erfahren, als der Kurs bei  20.000 Euro stand und sich nun 2019 bei rund 3000 US-Dollar eingependelt hat. Doch wo scheinbar ein Rückschritt besteht, kann zugleich das Potential für neue Möglichkeiten entstehen. Beispielsweise bringt der Fall des Bitcoin nun die Technologie dahinter, Blockchain und dessen Potential, wieder in den Fokus.

Phasen technologischer Entwicklungen

Kann auch Virtual Reality wieder einen Aufschwung erfahren? Jede neuartige Technologie durchlebt verschiedene Phasen, ehe sie den Status der Akzeptanz erreicht. Zunächst ist es der Hype junger Jahre, in denen sich vorrangig nur Tech-Nerds damit beschäftigen, dann kommen eine oder mehrere Tiefphasen, bis schließlich ein Durchbruch stattfindet. Dieser Durchbruch lässt sich zumeist daran bemessen, dass der Bedarf der neuen Technologie für den Rezipienten nicht nur möglich, sondern notwendig wird, um am Zeitgeist teil zu haben. Steve Jobs hat dies beispielsweise mit seiner berühmten Präsentation des iPhones erreicht. Bereits vor dem iPhone 2G gab es Smartphones, doch erst Steve Job machte die neuen Geräte salonfähig.

Neue Technologien können auch Inkubatoren für gesellschaftlichen Wandel sein. Johannes Gutenbergs Buchdruck hat nicht nur dem Buch den Weg in die Welt geebnet, sondern im weiteren Verlauf den kirchlichen Reformation Luthers, sowie der Ausbreitung der Wissenschaften geholfen.

VR als Spielplatz

Wenn man diese Perspektive annimmt, kann VR mehr sein, als der schlichter Killer der Langeweile. Es gilt aktuell bei VR ähnlich wie bei Blockchain nicht zu sehr auf der technologischen Bedeutung zu beharren, als vielmehr erneut das Spielerische als Ausgangsbasis zu sehen, welche die kreativen Möglichkeiten der Technologie auslotet.

Über Carsten Thomas 236 Artikel
Autor und Gamingnerd. Stets interessiert an Tech-Innovationen, Medienwandel und Technikutopien. Redakteur bei mobile zeitgeist.

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