Warum Verkaufszahlen nur die halbe Wahrheit erzählen

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Smartphone-Betriebssysteme 2012 nach Nutzungs- vs. Verkaufszahlen. TomiAhonen Almanac/IDC/eigene Grafik

Wenn von Marktanteilen im Smartphone-Markt die Rede ist, dann in den meisten Fällen in Bezug auf Verkaufszahlen. Ein Blick auf Nutzungszahlen zeigt, dass damit allerdings nicht der gesamte Markt erfasst wird.

Der Blick auf Verkaufszahlen verzerrt die Realität

Im Sommer 2012 konnte Android in Deutschland laut Kantar Worldpanel einen Marktanteil von 78,6 Prozent vorweisen, alle anderen Betriebssysteme schienen marginalisiert, selbst iOS kam nur noch auf magere 11,2 Prozent. Nur sechs Monate später, im aktuellen Worldpanel, liegt Android plötzlich bei einem Anteil von 65,3 Prozent. Immer noch unangefochtener Spitzenreiter, aber doch 13 Prozentpunkte vom einstigen Sommer-Hoch entfernt.

Wie ist in so kurzer Zeit ein so großer Verlust möglich? Hier kommen zwei Faktoren zusammen. Erstens ist der erfasste Zeitraum eines jeden Kantar Worldpanels mit drei Monaten relativ gering, so dass sich beispielsweise Verkaufsstarts neuer wesentlich stärker auswirken als bei einem längeren Zeitraum.

Zweitens werden im Kantar Worldpanel eben Verkaufszahlen herangezogen, die per se nur die in einem bestimmten Zeitraum verkauften Geräte berücksichtigen. Das ist eine legitime Sichtweise, blendet aber all die Geräte aus, die tatsächlich da draußen im Mobile-Markt sind und genutzt werden.

Mit Nutzungszahlen zum vollständigen Bild des Smartphone-Marktes

An anderer Stelle habe ich bereits ein kurzes Plädoyer für Nutzungszahlen gehalten, mit denen sich der Blick auf den Smartphone-Markt ergänzen lässt. Mit Nutzungszahlen ist dabei die Zahl der Endgeräte gemeint, die tatsächlich im Markt vorhanden sind und aktiv genutzt werden (können) – eine schlechte Umschreibung des im Englischen viel treffenderen Ausdrucks „active installed base“.

Unabhängig voneinander haben kürzlich Steve Litchfield auf AllAboutWindowsPhone sowie Tomi Ahonen auf seinem Blog entsprechende Zahlen zur „active installed base“ zusammengestellt, die sich teils erheblich von aktuellen Verkaufszahlen unterscheiden.

Bleiben wir beim Beispiel Android, weil die Unterschiede hier besonders deutlich sind. Laut IDC kommt Android für das vergangene Jahr auf gut 68 Prozent Marktanteil. Das bedeutet aber eben nur, dass auf gut zwei Dritteln aller 2012 verkauften Smartphones Android läuft. Über den Marktanteil am gesamten Smartphone-Markt sagt diese Zahl nichts aus.

Unter den tatsächlich (allerdings handelt es sich bei Zahlen zur „active installed base“ um Hochrechnungen) im Markt vorhandenen Geräten liegt Android zwar mit 53 Prozent Marktanteil immer noch weit vor konkurrierenden Systemen, der Unterschied ist aber längst nicht so groß. Während Android also bei verkauften Geräten bereits vor einiger Zeit die 50-Prozent- durchbrochen hat, ist es erst seit kurzem auch tatsächlich auf mehr als der Hälfte aller im Markt vorhandenen Smartphones installiert.

Wozu die Unterscheidung zwischen Nutzungs- und Verkaufszahlen?

Warum ist der Unterschied zwischen verkauften und aktiv genutzten Smartphones wichtig? Weil viel mehr Zahlen zu Marktanteilen veröffentlicht werden, die auf Verkaufszahlen beruhen, und sich wenig Veröffentlichungen zu Marktanteilen finden lassen, die auf den tatsächlich vorhandenen Geräten basieren. Der Blick auf den Mobile-Markt ist zu einseitig.

Für Gerätehersteller mag es entscheidender sein, wie viele Smartphones verkauft wurden und wie viel Umsatz und Gewinn damit erzielt wurde. Für alle, die in einem -Ökosystem Geld verdienen wollen, muss aber der Blick auf die tatsächlich vorhandenen Geräte mindestens ebenso wichtig sein.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Beispiel Blackberry: Trotz stetig sinkender Verkaufszahlen haben Blackberrys nach wie vor einen Anteil von acht Prozent am gesamten Smartphone-Bestand. Mit aktuell mehr als 100 Millionen aktiven Geräten dürften sich auch langfristig noch Monetarisierungsmöglichkeiten entwickeln lassen. Eine Tatsache, die mit Blick auf die laut IDC 4,5 Prozent Marktanteil im letzten Jahr nicht so deutlich ins Auge springt.

Über Wolfgang Dietl 6 Artikel
Wolfgang Dietl arbeitet als IT-Redakteur in München und schreibt in seiner Freizeit hier und auf mobile-studien.de über den Mobile-Markt. Mehr Infos gibt es auch auf Xing.

2 Kommentare

  1. In der Tat ist „Nutzung“ in dem Zusammenhang etwas schwammig – es geht ganz einfach darum herauszufinden, wie viele Geräte aktuell im Markt vorhanden sind. Es gibt aber auch durchaus Versuche, die tatsächliche Nutzung zu messen: über Werbeeinblendungen (Ad Impressions) oder Messung des verursachten Internet Traffics – laut Millennial bspw. liegt iOS dabei klar vor Android, übrigens auch was Umsatz/Gewinn pro App betrifft, auch wenn mir da aus dem Stegreif entsprechende Quellen fehlen…

  2. Der Begriff der Nutzung ist hier etwas irreführend. Ist Nutzung = Gerät ist an und der Besitzer ist erreichbar. Vielleicht schreibt er auch eine SMS bzw. empfängt SMS.
    Interessanter ist doch aber die aktive Nutzung der sogenannten Dienste bzw. des Internets. Welches OS hat die aktivsten Nutzer, welche Nutzer monetarisieren stärker als andere? Was bringen mir 500 Mio Android Devices im Markt, wenn ich nur 1/3 (nicht belegt, einfach in die Tüte gesprochen) mit Apps & Co erreiche?
    Hat jemand belastbare Zahlen zur Nutzung, wie ich sie definiere?

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