Das Unternehmen entdeckt den User

Mobile apps concept

Die vergangenen beiden Jahre haben die großen Unternehmen sich vor allem mit der technischen Integration von Smartphones und Tablets beschäftigt. Es ging um Device Management, App Development, Architekturen und Security. Man betrachtete Mobility als rein physisches Thema. Klar, denn wenn die Devices eingerollt sind, die MEAP erst installiert ist, die Business Apps in Container verpackt wurden, dann kann’s ja losgehen, oder?

Erst jetzt erkennen viele das Problem: Mobility bedeutet mehr als nur die technischen Grundlagen schaffen. Mobility bedeutet auch die Adaption der entsprechenden Prinzipien, der passenden Methoden, der richtigen Mentalität. Einige Projekte sind kläglich gescheitert, weil man die Grundlagen des Erfolges von Apple oder Google nicht erkannt oder nicht verstanden hat. Eine per Citrix virtualisierte Portalanwendung – für die Bedienung mit Maus, Tastatur und 19″ Monitor optimiert – kommt auf einem iPad nur bedingt zur Geltung. Schon garnicht, wenn der Techniker im Feld noch Handschuhe trägt während er Messdaten eingeben soll. Aus dem vermeintlichen QuickWin (denn das Portal „ist ja schon HTML5“) wird ein Desaster und mit der Akzeptanz von Tablet PCs bei den sogenannten „Blue Collar Workers“ ist es vorbei. Diese gruselige Geschichte ist sicherlich ein Extrem, aber dennoch wahr

Mehr und mehr Unternehmen haben nun „verstanden“. Plötzlich ist User-Centric-Design das Maß aller Dinge, und man erwartet von den eigenen Entwicklern und Architekten quasi über Nacht dem klassischen „Wasserfall“ abzuschwören, nun doch bitte agil & dynamisch zu arbeiten und fortan schnell, effizient, iterativ und vor allem kreativ Anwendungen zu produzieren, die man auch benutzen kann. Das funktioniert allerdings nur, wenn der notwendige Rahmen dafür geschaffen wird. Für ein 800-seitiges technisches Feinkonzept ist kein Platz in einem Projekt, das einen simplen Freigabeprozess mit drei Buttons und einem Kommentarfeld auf’s iPhone bringen soll. Was nicht auf fünf Seiten (ggf. grafisch) beschrieben werden kann, das passt wohl kaum auf einen 4″ Screen. Und so stehen Begriffe wie Rapid Prototyping, Scrum und UX-Design derzeit hoch im Kurs. Aber wieder ist es wichtig die Dinge nicht einfach nur zu machen – man muss sie auch verstehen – und akzeptieren. Aus meiner Sicht ergeben sich daraus eine Reihe klarer Empfehlungen:

  • Man sollte den Nutzer (Mitarbeiter, Kunde oder Partner) von Beginn an am Entwicklungsprozess beteiligen. Meist entstehen die besten Ideen und Lösungsvorschläge direkt in den entsprechenden Nutzergruppen.
  • Fachabteilung, UX-Designer, Entwickler und Nutzer sollten gemeinsame Teams bilden, damit alle über den gesamten Entstehungsprozess hinweg Einfluss nehmen können.
  • Man sollte sich viel Zeit für die Erstellung und Bearbeitung von Prototypen (statisch oder interaktiv) nehmen, denn ausreichender Raum für Kreativität & Diskussion verringert den späteren Mehraufwand für klassische „Change Requests“ erheblich.
  • Weg mit dem Wasserfall! Agile Methoden sind zielsicherer. Sie erlauben ein gewisses „Scheitern“ und steigern dadurch proaktiv die Qualität des späteren Ergebnisses.
  • Geben Sie klassischen Templates (z.B. für Quality-Gates) den Laufpass und versuchen Sie die wirklich relevanten, essentiellen Informationen mit hohem grafischen Anteil in wenigen Powerpoint-Seiten oder in entsprechenden Tools zu erfassen. Auch wirkliche einfache Werkzeuge wie z.B. Balsamiq finden mehr und mehr Anerkennung. Unsere Erfahrung zeigt, das dies auch bei kritischen Entscheidern sehr gut ankommt.
  • Oft hilft ein zentrales „Governance-Team“ bei der Erstellung und Anwendung entsprechender Leitlinien, damit klassisch denkende Unternehmensteile strukturiert mit neuen Methoden vertraut gemacht werden und bei der Anwendung begleitet werden.

Es tut gut zu sehen, dass nach der Technologie nun auch der entsprechende „Mindset“ in den Unternehmen anzukommen scheint. Nun muss sich zeigen, ob die teilweise verkrusteten IT-Prozesse diese neue Dynamik zulassen. Nur wenn das gelingt, werden Unternehmen wirklich von den Vorteilen neuer Technologien profitieren können.

Über Christian Klöppel 4 Artikel
Christian Klöppel ist Head of Global Mobility Consulting bei CSC. Er und sein Team von über 140 Consultants beraten und unterstützen internationale Kunden zu strategischen und operativen Fragen rund um Mobile Lösungen und die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags. Christian arbeitet seit 1997 bei CSC und fokussiert sich seit 2010 auf Mobility & Digitalization.

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