Interview: Mobile Wallets – es sind noch einige Steine aus dem Weg zu räumen

Ercan Kilic

Am 4. und 5. Juni 2014 findet in Berlin die WirtschaftsWoche-Konferenz “Mobile Wallet & Mobile Payment” statt. Ercan Kilic, Leiter Strategieprojekt Mobile Commerce bei der GS1 Germany wird dort über das Zusammenspiel von Mobile Payment, Loyalty & Co sprechen. Wir haben ihm bereits vorab einige Fragen stellen können.

mz: Die Konferenz Mobile Wallet & Mobile Payment steht in diesem Jahr unter dem Motto „Das digitale Portemonnaie wird Wirklichkeit“. Wie ist das Wort „Wirklichkeit“ aus Ihrer Sicht dabei im Detail zu interpretieren? Wie weit ist der Markt jetzt tatsächlich vorangekommen?

EK: Einige Mobile Wallets sind gelauncht und können bereits für das Bezahlen mit dem Smartphone genutzt werden. Beispielhaft seien hier die Vodafone Wallet oder die MyWallet der Telekom genannt. Hinzu kommen die Bezahllösungen von Edeka/Netto, Yapital, PayCash, Paij, CashCloud, PayPal und vielen weiteren. Damit ist das mobile Bezahlen zumindest in Teilen in der Wirklichkeit angekommen. Allerdings fehlt bisher die breite Akzeptanz im Handel. Daraus resultierend sind auch die Nutzerzahlen auf Kundenseite noch nicht exorbitant hoch. Bis wir jedoch unser Portemonnaie vollständig digitalisiert verwenden können, wird es noch dauern. Von dem Zielszenario einer Mobile Wallet, die neben Payment, auch Couponing, Loyalty, Access, Ticketing und weitere Services integriert, sind wir noch ein Stück entfernt. Aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Angebote über Mobile Payment hinausgehen.

mz: „Mobile Wallet – mehr als nur Payment“ ist eine weitere Schlagzeile der Veranstaltung. Sind unter diesem „mehr“ Coupons und Kundenkarten zu verstehen? Wo steht Deutschland heute in Bezug auf mobile Coupons?

EK: Ja, „mehr“ das sind Coupons, aber ebenso Kundenkarten oder Leergutbons. „Mehr“ kann im Sinne von PayPal beispielsweise auch bedeuten, dass der Kunde seinen Kaffee noch vor dem Betreten des Cafes ordert, an der Kassenschlange vorbeigeht und den vorbereiteten Kaffee in Empfang nimmt – damit muss kein klassischer Bezahlprozess an der Kasse durchlaufen werden.

Ansonsten müssen wir bei Mobile Couponing zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist das Verteilen von Coupons in Apps oder Wallets, was grundsätzlich bereits möglich ist. Das andere ist das Einlösen der Coupons. Und das sind auch die großen Herausforderungen bei diesem Thema. Es gibt derzeit noch keine Technologie und keinen Nutzungsablauf, der flächendeckend und händlerübergreifend für die Einlösung von Coupons am POS genutzt wird. Die Ansätze sind vielfältig, reichen von 1D bzw. 2D Codes über NFC bis hin zu BLE. Alle Technologien weisen Vor- und Nachteile auf, aber keine verfügt aktuell über eine signifikante Marktdurchdringung. Erst wenn sich ein Einlöseszenario etabliert, das von einer Großzahl an Händler unterstützt wird, kann die Relevanz und damit die Reichweite mobiler Coupons deutlich gesteigert werden. Erst dann werden die Unternehmen ihre Werbespendings zu Gunsten von Coupon-Kampagnen entsprechend anpassen.

mz: Wo liegen die Herausforderungen im Zusammenspiel von Mobile Payment, Loyalty & Co und weist der deutsche Markt im internationalen Vergleich hier Besonderheiten auf?

EK: Bis alle Zahnräder von Mobile Payment über Mobile Couponing bis hin zu Loyalty ineinander greifen, sind noch einige Steine aus dem Weg zu räumen. Dies trifft nicht nur hierzulande, sondern auch international zu. In Deutschland werden die Händler in den kommenden Jahren überwiegend NFC-fähige Terminals an ihren Kassen installiert haben. Nun gilt es Protokolle und Nachrichtenformate für die unterschiedlichen NFC-Transaktionen zu standardisieren, damit die Coupondaten vom Smartphone des Kunden in das Kassensystems des Händlers transferiert werden können.

Darüber hinaus braucht es definierte Nutzungsabläufe für die unterschiedlichen Transaktionsarten und deren Reihenfolge, die vom Kassensystemdes Händlers abgearbeitet werden können. Wichtig dabei ist, dass der zeitlich sensible Check-out Prozess an der Kasse weiterhin reibungslos funktioniert.  Gemeinsam mit allen relevanten Marktteilnehmern arbeitet GS1 Germany an einer standardisierten Lösung.

mz: Wenn Sie einen dringlichen Wunsch äußern dürften, um welchen Gefallen würden Sie die deutsche „Wallet-Fee“ – wenn es sie denn gäbe – heute bitten?

EK: Ich bin zu lange in diesem Themenumfeld tätig, um daran zu glauben, dass sich meine Wünsche schnell erfüllen werden – auch nicht von einer Fee.

Über Maike Strudthoff 95 Artikel
Maike Strudthoff unterstützt Unternehmen Innovation neu zu denken, schneller zu agieren und sich konsequent auf den Nutzer-Kunden auszurichten. Ihr Schwerpunkt liegt auf digitalen Services sowie Commerce & Payment 4.0. Sie unterstützt seit über 8 Jahren Unternehmen in Europa, die Zukunft der Digitalisierung zu antizipieren und für sich zu gestalten – nahe am Kunden und mit schlanken Methoden (Design Thinking, Co-Creation, Lean Principles, …). Als Gründerin des JumpNext Netzwerks verbindet Maike Strudthoff Menschen mit unterschiedlichsten Perspektiven, um Inspiration für Neues entstehen zu lassen. Sie beobachtet und analysiert Innovationen und disruptive Unternehmen rund um die Welt. Sie trägt die Erkenntnisse in Workshops und Keynote Vorträgen weiter. Regelmäßig veröffentlicht sie Beiträge über Mobile Payment in Online und Offline Medien sowie Buchbeiträgen. Digitale Innovation ist nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre persönliche Leidenschaft. Zuvor hat Maike Strudthoff 12 Jahre für eine führende Unternehmensberatung, in einer internationalen Bankgruppe sowie in einem Startup in London gearbeitet. Mehr über Maike auf XING, ihrer Website oder per Mail

1 Kommentar

  1. Erfreulicherweise mal wieder eine sehr realitätsnahe Einschätzung.
    Unklar bleibt aber wer oder was denn die Treiber für Mobile Payment sein sollen. Ist Mobile Payment beim Bezahlen eine Me2 Entwicklung ?
    Leider erfährt man auch wenig über die Erfahrungen der Mobile Payment Inseln ( Netto, Edeka etc.) . Gibt es da so positive Erfahrungen dass die von selber wachsen ? Am Ende stellt sich hier doch die Frage, was treibt die Entwicklung ? Wo ist das Zusammenspiel mit dem Kundennutzen, das die Inseln zu Kontinenten werden lässt.
    Sehr gut dargestellt auch die Unwägbarkeiten, Risiken und Möglichkeiten bei BLÉ

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  1. Facebook, McDonald’s, Google.

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