Alles Mobile oder was? 5 Tipps für das Digital Business

mobile

Mobile first verkündete Google-Chef Eric Schmidt vor gut drei Jahren. Damals als neuer Fokus für die Google Strategie verstanden, ist Mobile first inzwischen ein Paradigma für den Entwurf von (mobilen) Webseiten geworden. Doch für das Digital Business eines Unternehmens führt ein simples Mobile first genauso in die Sackgasse wie ein tumbes „weiter so“.

Unbestritten ist, dass Smartphones und Tablets einen rasanten Siegeszug angetreten sind. Doch folgt daraus keine Ablösung von Desktop-PC/Laptop durch Smartphone und Tablet. In Deutschland landen beispielsweise nach wie vor 84% des Webtraffics auf Desktop-Browsern.  Die Folge ist vielmehr ein nebeneinander verschiedenster „Connected Devices“, also Endgeräten, mit denen sich User heute im Internet tummeln. Und die Vielfalt wächst weiter, aktuell um Fernseher und  Autos mit Internetanschluss.

Es wird also schwieriger, das Internet zu bändigen. Oder genauer: Den Internetuser. Google hat die „New Multi-Screen World“ letztes Jahr in den USA untersucht und in einer Infographik aufbereitet. Leider gibt es weder Regelwerk noch Blaupause, die automatisch und dauerhaft zum Erfolg führen – trotz manch anders denkender Powerpoints.

 

Infografik: The New Multi-Screen World

Die folgenden fünf Tipps sollen helfen, den richtigen Weg zu finden auf der Suche nach dem Konzept für Digital Business, das zum Unternehmen und zum Markt passt. Wer es dann konkreter mag, findet hier im Blog weitere Anregungen, etwa die zehn Tipps für die Planung der Mobile Website und die wichtigsten Faktoren zur Gestaltung mobiler Shops.

1. Sei digital

Das Internet ist ein einziger großer freier Raum. Dennoch versuchen einige – beispielsweise Unternehmensabteilungen, Agenturen, Hersteller oder Analysten – sich dort „ihre“ Parzellen einzurichten: Für Desktop, Mobile, TV, Social Media usw. Das Denken und Handeln in solchen Parzellen ist verlockend, weil überschaubarer, begrenzt aber den Blick für den gesamten verfügbaren Raum.

Im Internet wollen und können sich alle User frei bewegen – von Website zu Website, von App zu App, jederzeit, von jedem Ort, mit verschiedensten Connected Devices. Deshalb müssen Produkte, Geschäftsmodelle und Dienste vernetzt gedacht und übergreifend digital gestaltet werden –  nicht allein für Mobile, für Desktop oder für TV.

Es geht nicht darum, lediglich die Darstellung der Website auf Smartphones und Tablets zu überprüfen: Das gesamte (digitale) Business muss auf den Prüfstand. Es ist zu prüfen, an welchen „Touchpoints“ der (potenzielle) Kunde wie mit den Unternehmen in Kontakt tritt – heute schon und in Zukunft. Diese Touchpoints sind auf ihren (möglichen) Wertbeitrag zu prüfen und es sind die Chancen und die Risiken zu ermitteln, die aus Digitalisierung und Vernetzung folgen.

Selbst wenn der derzeitige Hype etwas anderes suggeriert: Auch Mobile allein reicht auf Dauer nicht, wie das Beispiel Instagram mit seiner Desktop-Seite zeigt. Trotz anders lautender Meldungen ist der Desktop/Laptop noch lange nicht tot, meint etwa Jürgen Vielmeier.

 2. Sei konsistent

Die Nutzererfahrung muss bei allen digitalen Angeboten eines Unternehmens gleich sein. Egal, ob ein User seinen Desktop-PC, sein Tablet oder sein Smartphone benutzt, ob Web oder App: Er will sich überall sofort zu Hause fühlen. Das heißt gleiche Farben, gleiche Wörter, gleiche Navigation, gleiche Funktionen usw.

Eine der größten Herausforderung ist deshalb, den User (technische) Unterschiede nicht spüren zu lassen. Denn natürlich ist es relevant, wie groß der Bildschirm ist, wie schnell die Internetverbindung ist und das es mit Apps auch proprietäre Lösungen zusätzlich zum Web gibt. „Speziallösungen“, die für Smartphone, Tablet etc. eine eigene Welt bauen, sollten nur in wirklich gut begründeten Ausnahmefällen (Kunden be-fragen!) gewählt werden, andernfalls fühlt sich der User nicht mehr zu Hause. Der User ist bequem und will nicht mit jedem neuen Endgerät auch ein „neues“ Unternehmen kennen lernen.

Die Begeisterung über beispielsweise Amazon kann ich unter diesem Aspekt nur bedingt teilen. Immerhin, es gibt nur einen Warenkorb und ein Login – das gilt leider nicht für jeden Online-Shop. Schlecht dagegen, dass der Wunschzettel unterschiedlich bedient wird und in mobilen Varianten Funktionen fehlen. Auch XING beweist gerade, wie man Kunden durch eine immer andere User Experience nerven kann, was Lars Hahn es in seinem offenen Brief  an XING treffend auf den Punkt bringt.

Warum selbst das Anpassen von Texten keine gute Idee sein kann, diskutiert James Young im Smashing Magazin. Generell sollten „Spezialversionen“ nur in wirklich begründeten Ausnahmen zum Einsatz kommen und die Akzeptanz beim User besonders kritisch untersucht werden.

3. Sei fokussiert

Ein 4- oder 5-Zoll-Bildschirm ist der Elevator-Pitch für jedes Business. Smartphones decken die Probleme vieler Unternehmen gnadenlos auf, denn viele „normale“ Webseiten sind fett und geschwätzig geworden: Großflächige Bilder, schon auf der Startseite das ganze Portfolio, am liebsten mit Video, mindestens aber mit Slide-Show, selbst Flash findet man noch.

Zu oft hat man den Eindruck, dass sich auf Webseiten die verschiedenen Beteiligten im Unternehmen ohne Rücksicht auf den Kunden austoben. Denn ist die Usability der Webseiten in den letzten Jahren wirklich besser geworden? In dem Sinne, dass der Kunde beim Aufruf der Website schneller zum Ziel kommt?

Hier zwingt vor allem das Smartphone, sich (wieder) zu besinnen auf die zentralen Fragen: Welchen Mehrwert bietet das Unternehmen seinen Kunden? Welches sind die zentralen Leistungen? Welches ist die Intention des Kunden beim Besuch der Website und wie bringt eine Webseite ihn sofort ans Ziel?

Wenn die Antworten auf diese zentralen Fragen auf den Startscreen des Smartphones passen (und zwar ohne zu scrollen), kann dann – wohl dosiert – die größere Fläche eines Tablets und Desktop gerne für ein paar zusätzliche Inhalte und größere Bilder genutzt werden.

4. Sei schnell

Eine Webseite soll verkaufen. Je schneller, je besser! Jede Sekunde, die der User auf die Darstellung der Webseite wartet, ist kostbar. Mehr als zwei Sekunden Wartezeit können schon zum Problem werden. Maßstab ist letztlich die „gespürte“ Geschwindigkeit auf dem Screen des Users: Wie lange dauert es vom Klick bis zum dem Zeitpunkt, an dem der User die Webseite wirklich nutzen kann? Ähnliches gilt für die App, wenn es denn eine sein muss.

Doch Hand auf’s Herz: Wer hat für seine Website mit hoher Priorität die zu erreichende Geschwindigkeit definiert? Wer misst diese dann auch mit verschiedenen Bandbreiten und Endgeräten? Wer weiß, wie sich seine Website mit 2 MBit/s DSL-Leitung oder EDGE oder seine App auf einem „alten“ iPhone 3G anfühlt?

Das Problem verschärft sich, wenn Unternehmen verstärkt auf Responsive Web Design (RWD) setzen, um damit ihre mobile Website zu erzeugen. Auf einmal soll die gleiche Datenmenge, die für Breitband-DSL und PC-Power ausgelegt wird, per wankelmütigem Funk übertragen und von einer schmalbrüstigen Smartphone-CPU gerendert werden.

Ein aktuelles Beispiel ist tagesschau.de im Responsive Design. Dort gehen rund 1,5 Mbyte über die Leitung mit insgesamt 55 Dateien. Völlig egal, ob der User PC, Smartphone oder Tablet nutzt. Der Mobitest von Akamai berechnet dafür für ein iPhone eine Ladezeit von 8,2 Sekunden, weit entfernt von den eingangs genannten zwei Sekunden.

Deshalb ist Responsive Web Design, das alle Connected Devices über einen Kamm schert und den Browser die ganze Arbeit verrichten lässt, mit großer Vorsicht zu genießen. Eine „Vorverarbeitung“ des Contents für das jeweilige Endgerät wird in den vielen Fällen zu deutlich schnelleren und damit besseren (= gewinnbringenderen) Ergebnissen führen. Zumindest eine Diät stünde den meisten Webseiten gut zu Gesicht.

5. Sei offen

Das Internet verändert nicht nur, es ist auch selbst permanenten Veränderungen unterworfen. Die Art dieser Veränderungen sind im Detail nicht vorhersehbar, wie zuletzt iPad, Facebook und Google Glass bewiesen haben. Binnen weniger Monate kann sich das Internet in unserem Leben ganz neue Plätze erobern.

Bits und Bytes sind die sehr flexible Modelliermasse für jede Art von Businessmodell im Internet. Eine seriöse Prognose selbst der kommenden zwölf Monate ist eigentlich nicht möglich, es sei denn, man schreibt– wie die meisten selbst ernannten Trendscouts – die Entwicklung einfach linear fort und hofft, dass kein neuer Steve Jobs um die Ecke kommt.

Auch die Internet-User sind überaus schwer zu berechnen. Denn für jeden von uns User sind die meisten der neuen Internet-Angebote ungewohnt. Wir haben zu wenig Erfahrung um unmittelbar entscheiden zu können, ob uns ein Online-Angebot gefällt oder nicht. Wenn der Zugang einfach und der Invest nicht zu hoch ist, probieren wir allerdings gerne aus, denn Menschen sind neugierig. Und bei Gefallen bleiben wir treu – wenigsten ein paar Monate.

Es gilt im Digital Business deshalb: Jederzeit offen sein für Änderungen, die Unvorhersehbarkeit akzeptieren und das Fundament – technisch wie betriebswirtschaftlich – solide, aber nicht für die Ewigkeit zu bauen. Digital Business ist iterativ, bedeutet ausprobieren und lernen, ähnlich den Prinzipien, die Eric Ries als Lean Startup Process postuliert.

Auf den ersten Blick mögen diese fünf Tipps nicht bahnbrechend erscheinen, und doch finden sich in der Praxis deutlich mehr zweifelhafte als gelungene Beispiele für die Adaption der neuen (mobilen) Möglichkeiten. Obwohl die Zeit drängt, denn das Internet wird von Mobile weiter katalysiert in immer neue Lebensbereiche. Spätestens mit „always on“ gibt es kein Business mehr ohne Digital.

Und falls es mal wieder kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem sein sollte: Mutig sein. Anfangen. Technische Kompetenz aufbauen. Technologien scouten. Ausprobieren. Investieren. Flexible Architekturen schaffen. Fehler machen. Mit Kunden reden. Fehler erkennen. Korrigieren.

Über Jörg Ruwe 8 Artikel
Jörg Ruwe ist Experte für Digitale Strategien und hilft Unternehmen, ihren erfolgreichen Weg in das mobile Internet zu gehen. Er ist selbstständiger Berater und kennt den Mobile Markt seit den ersten Gehversuchen mit WAP im Jahr 1999. Unter anderem als Management Consultant für Kienbaum und zuletzt als Geschäftsführer von Sevenval hat er in über 200 Projekten erfolgreich digitale Geschäftsfelder erschlossen für namhafte Unternehmen aus Industrie, Medien, Handel und Finanzen.

1 Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


Ich bestätige, dass die hier von mir eingegebenen persönlichen Daten in der von mobile zeitgeist genutzten Datenbank bis auf Widerruf gespeichert werden dürfen.