Bargeld: Und es lacht doch

Bargeld

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger forderte jüngst, das Bargeld in Deutschland abzuschaffen, um kriminelle Machenschaften zu verhindern. Diese Diskussion wurde bereits Ende 2014 durch den Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff losgetreten und auch diesmal kam es aus allen Lagern zu geradezu reflexhaften und teilweise heftigen Reaktionen.

Die Deutschen lieben Bargeld

53 Prozent der Privatpersonen in Deutschland zahlen bar. Erst mit großem Abstand folgt das erste bargeldlose Verfahren, die girocard mit fast 30 Prozent. Insgesamt sinkt der Anteil des Bargeldes jedes Jahr geringfügig um rund 1,5 Prozent (EHI). Es sieht also nicht so aus, als ob die Deutschen das dringende Bedürfnis nach nichtbaren Zahlverfahren hätten. Warum sollten sie auch? Bargeld ist als gesetzliches Zahlungsmittel überall akzeptiert, damit universell und ubiquitär nutzbar. Hinzu kommt, dass mit einem flächendeckenden Netz von Geldautomaten das Bargeld bequem und zumeist kostenfrei erlangt werden kann.

Jüngste Vorkommnisse wie Bankenkrise und die Enthüllungen von Edward Snowden haben nicht dazu beigetragen, dass das Vertrauen der Bürgen gegenüber Banken und Staat gewachsen wäre. Wer über sein Zahlungsmittel selbst bestimmen und keine Datenspuren hinterlassen möchte, wählt Bargeld.

Staat und Banken wären es gern los

Genau an diesem Punkt setzt die Argumentation von Ökonomen und Politikern an, denn sie sagen mit der Abschaffung des Bargelds der  Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und bald sicherlich auch dem Terrorismus den Kampf an. Doch in heutigen Zeiten muss man kein Verschwörungstheoretiker sein, um auch eine weitere Motivation darin zu erkennen, die eigenen Bürger ein wenig besser beobachten zu können.

Banken wiederum befürchten bei den derzeitigen Zinsentwicklungen, dass Negativzinsen die Bürger weiter ins Bargeld flüchten lassen. Diese Furcht ist nicht unbegründet, wenn die Bürger tatsächlich bald Zinsen auf ihr Erspartes bezahlen müssen. So mancher wird sein Geld dann lieber unter der Matratze verwahren. Oder er gibt es lieber gleich aus, was für Staat und bei einer kurzfristigen Betrachtung durchaus positiv zu bewerten wäre.

Verbündete finden diese beiden Parteien bei den Kartenunternehmen, die es bisher nicht geschafft haben, in Deutschland ähnliche Marktanteile wie in den oder Skandinavien zu gewinnen. Zwar sind in bestimmten Bereichen wie zum Beispiel dem Textileinzelhandel oder bei Tankstellen die Kreditkarten nicht mehr wegzudenken, aber der Gesamtanteil an den genutzten Zahlverfahren von gut fünf Prozent ist unbefriedigend.

Handel ist pragmatisch

Im Handel ist das Bezahlen mit Bargeld einfach und allseits akzeptiert. Da es oftmals um die Geschwindigkeit im Bezahlprozess geht, ist genau diese schnelle Verständigung über das Zahlungsmittel, ein relevanter Vorteil. Auch der dann anschließende Zahlvorgang ist einfach und schnell, vorausgesetzt der Kunde beginnt nicht, nach passendem Kleingeld zu kramen.

Natürlich ist die Akzeptanz von Bargeld als Zahlungsmittel für den Handel nicht kostenfrei zu haben. Häufig wird von anderer Seite auf die angeblich extrem hohen Kosten des Bargeldhandlings hingewiesen, so zum Beispiel 2013 von Mastercard, die eine Studie anfertigen ließen, die auf eine Belastung des Handels von 6,7 Milliarden Euro in jedem Jahr hinwies. 2010 ermittelte das EHI Kosten in Höhe von 0,08 bis 0,2 Prozent des Umsatzes, was bei Umsätzen von 428 Milliarden Euro pro Jahr zu erheblich niedrigeren Kosten als von Mastercard ermittelt führt. Wären diese Kosten für den Handel, im Vergleich zu den bargeldlosen Verfahren zu hoch, würde er mit gegensteuern. Doch schaut man auf die Kosten, die durch eben diese nichtbaren Verfahren entstehen wird klar, warum der Handel hier keinen großen Handlungsdruck verspürt. Bei einem Disagio für Kartenzahlungen von rund 1,2 Prozent des Umsatzes ist die Motivation, betrachtet man nur die Kosten, den kartenbasierten Verfahren den Vorzug zu geben, eher gering.

Doch für das Bargeld sprechen noch weitere Argumente. Die Bargeldlogistik ist heute weitgehend verlässlich und stabil, die Prozesse effektiv, auch wenn es sicherlich weiterhin Optimierungspotenzial gibt. Genau hier kann der Handel beim Bargeld Einfluss nehmen und die Prozesse und damit auch entstehende Kosten mit steuern. Dies kann er bei Kartenzahlungen nicht. Hier kann er nur das Verfahren so akzeptieren wie es ist.

In Gesprächen mit Vertretern aus dem Handel kam meist noch ein weiterer Aspekt zur Sprache. Ein weiteres Bezahlverfahren schafft Konkurrenz und damit auch ein Druckmittel in den Preisverhandlungen mit den Anbietern der jeweils anderen Zahlverfahren.

So ist die Bargeldakzeptanz für den Handel nach Aussagen von Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE, das Benchmark für alle anderen Verfahren und so lang das Bargeld noch gesetzliches Zahlungsmittel ist und die Kunden es nutzen möchten, wird der Handel es anbieten. Kaufabbrüche weil das vom Kunden gewünschte Bezahlverfahren nicht zur Verfügung steht, kann und will sich der Handel nicht leisten.

Ganz im Gegenteil. Rewe investierte über seinen digitalen Arm Rewe Digital gerade eine siebenstellige Summe in das -Unternehmen Cash Payment Solution, den Betreiber von Barzahlen.de. Schon in 2.200 Penny-Märkten konnten die Kunden Barzahlen.de nutzen, nun soll der Service, bei dem man Online-Käufe im Supermarkt bar bezahlen können, auch in rund 3.000 Rewe-Märkten ausgerollt werden. Dr. Johannes Steegmann, Geschäftsführer der Rewe Digital GmbH: „Wir wissen um die Bedeutung des Bargeldes und den Bedarf der Kunden nach einer bequemen, kundenfreundlichen Bargeldversorgung. Durch die strategische mit Barzahlen.de möchten wir unsere Beziehung zum Kunden weiter stärken.“

Die neuesten Entwicklungen im Handel zeigen jedoch, dass durch veränderte Rahmenbedingungen unbare Zahlverfahren an Attraktivität gewinnen. So führte erst Aldi Nord das kontaktlose bzw. mobile Bezahlen ein, kurz darauf gaben auch Kaufland, Lidl und wiederum Aldi Nord und Süd bekannt, noch in diesem Jahr das Bezahlen mit Kreditkarten zu akzeptieren. Mehr zu den Hintergründen im Artikel unseres Payment-Experten Rudolf Linsenbarth.

New Kids On The Block

Die Payment-Arena wird zusätzlich von Technologieanbietern wie Mobilfunkunternehmen, Internet Giganten (, Amazon, Apple, Facebook) und diversen Start-ups betreten. Einige dieser Start-ups haben sich mittlerweile zu relevanten Playern entwickelt, wie zum Beispiel Paypal. Alle diese Anbieter sehen sich sehr ähnlichen gegenüber. Zunächst müssen sie Vertrauen und Akzeptanz bei den Konsumenten aufbauen. Die überwiegende Zahl der Deutschen vertraut bei Geld (noch) den Banken, doch wir sehen bei jüngeren Menschen, dass hier eine deutliche Bewegung zu den Diensteanbietern stattfindet, die sie aus der Online-Welt bereits kennen. Der größten Gefahr an dieser Stelle sehen sich die Banken gegenüber, denn sie verlieren damit die Beziehung zum Endkunden und werden als „Dumb Pipes“ nur noch den Zahlungsverkehr abwickeln. Nun scheinen auch die Banken diese Bedrohung erkannt zu haben und versuchen mit einem gemeinsamen Zahlverfahren „Pay Direkt“ gegen zu halten. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich sie damit sein werden.

Dass in Deutschland Smartphone-basierte Bezahlverfahren einfach nicht durchstarten wollen, liegt nicht zuletzt an der fehlenden technischen Infrastruktur. Near Field Communication (NFC) wird sich als technologischer Standard für das Bezahlen mit dem Smartphone durchsetzen und verschiedene Verfahren (Apple, Android Pay, Wallets der Telkos etc.) setzen auf NFC. Doch mit rund 60.000 NFC-fähigen Kartenterminals in Deutschland – das sind ca. acht Prozent aller Kartenterminals – fehlen schlicht die Akzeptanzstellen, um eine massenhafte Nutzung auszulösen.

Der Konsument wartet derweil nicht auf ein neues Bezahlverfahren. Er hat keinen Leidensdruck, denn er kann bezahlen und aus einem bunten Strauß von Verfahren wählen, die für ihn meist völlig kostenfrei sind. Dass wir Nutzer aus reiner Technikverliebtheit ganz scharf darauf wären, mit unseren Smartphones zu bezahlen, kommt wohl nur in den Marketing-Träumen einiger Anbieter vor. Daher werden diese nicht müde zu versichern, dass wir auch unsere Coupons und in ferner Zukunft auch all unsere Ausweise und Dokumente mit ihren Wallets verwalten und nutzen können. Doch auch so kommt keine Begeisterung auf, zumal keines der in Deutschland verfügbaren Wallets nennenswerte Erfolge vorweisen kann. Es braucht wohl doch mehr und das Bargeld lacht noch für viele Jahre.

Beitragsbild: Shutterstock

Dieser Artikel ist in gekürzter Form bereits bei Bankingnews erschienen.

Über Heike Scholz 429 Artikel
Nach über zehn Jahren als Strategieberaterin für internationale Unternehmen gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mobile zeitgeist und machte es zum führenden Online-Magazin über das Mobile Business im deutschsprachigen Raum. Heute ist sie ein anerkannter und geschätzter Speaker und gehört zu den Köpfen der deutschen Internet-Szene. Weiterhin ist sie Beiratsmitglied für die Studiengänge Angewandte Informatik und Mobile Computing an der Hoschschule Worms. Als Co-Founder von ZUKUNFT DES EINKAUFENS, begleitet sie die Digitale Transformation im stationären Einzelhandel. Sie berät und trainiert Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und fördert mit ihrem Engagement die Entwicklung verschiedener Branchen und Märkte.

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