Hochtechnologiestandort trifft Steckdose

Unsere Zukunft liegt in Elektroautos. Und doch schaffen wir es nicht, eine Steckdose vor dem Haus und der Straße anzubringen.
Foto: mz

Ja, Elektroautos werden bis auf weiteres mit Batterien fahren. Ja, die Rohstoffe dafür müssen gefördert werden. Nein, 90% bis 95% der Benzin- und Diesel-Sorten wachsen nicht auf dem Feld hinter der Tankstelle. Von der Gewinnung über die Logistik bis zum Verbrauch verursachen Mineralöle Lärm, Dreck, Umwelt- und Gesundheits­schäden. Dennoch krallen wir uns an ihnen fest, wie am letzten Schnuller.

Es knattert und stinkt

Sie entspringen einer langen, lautstarken, riechenden und qualmenden Linie der Wert­schöpfung. Entlang dieser finden sich auch immer wieder Brandlöcher, Blutflecken und Bremsspuren. Sehr unschön. Mineralöle und deren Verbrennung sind unange­nehme Zeiterscheinungen der Energieversorgung. Das Ende dieses Zeitgeistes ist eingeläutet. Allein aufgrund der Vorfreude auf ruhigere Straßen und sauberen Lebensraum dürften wir aus dem Häuschen sein – aber keine Chance. Die Panik mit 500km Energiespeicher auf 40km Strecke in der Rush Hour liegen zu bleiben obsiegt – noch.

Erst langsam, dann gewaltig

Die Nachfrage der Welt nach E-Autos wird in den kommenden Jahren massiv ansteigen. Laut einer CAM Studie aus 2017 klettern die globalen Neuzulassungen von E-Autos bis zum Jahr 2020 mit 2,5% (konservativ) und 6% (optimistisch) sehr moderat. Dann soll der Wachstums­schub kommen. Im Jahr 2025 werden etwa jährlich 25% (optimistisch, entspricht 25Mio. Einheiten) bzw. 12% (konser­va­tiv) Neuzulassungen erwartet. In der Folge wird eine weitere Steigerung bis zum Jahr 2030 auf jährlich 40% bzw. konservativen 25% kalkuliert.

Foto: Center of Automotive Management/CAM

0,1% Steckdose – 99,9% Experience

In Deutschland haben wir über die vergangenen 1,5 Jahrhunderte quer durch die Republik Eisen- und Autobahnen, Straßen, Tunnel, Kanäle, Strom-, Wasser-, Abwasser-, Coax-, Glasfaser-, Klingeldraht­trassen und Hausanschlüsse gebaut, verlegt, vergraben. Warum ist die Sache mit den Steckdosen vor dem Haus und an der Straße so ein Riesen-Ding? Ein Tesla Powercharger ist zu 99,9% Experience und 0,1% Steckdose. Aber um die 0,1% geht es: Es ist eine Steckdose. Vielleicht auch eine Mehrfachsteckdose aber: Eine Steckdose. „Das Stromnetz ist noch nicht bereit dafür…“. Okay, warum nicht mit den Steckdosen anfangen? Dann wären die schon mal da?

Erst die Steckdose, dann die KI

Die gute Nachricht vorweg. Die Deutsche Bundesregierung hat entschieden Deutschland und Europa werden bis 2025 auch in KI gut. Die schlechte Nachricht, KI benötigt Strom. Mobile KI benötigt mobil verfügbaren bzw. erreichbaren Strom. Wir werden nicht umhinkommen, Steckdosen zu setzen – jederorts und überall. Wäre es nicht naheliegend mit Deutschlands Mutter-aller-Dinge-Industrie zu beginnen? Weil, das wäre wie Klausur schreiben. Erledige zuerst das, was Du kannst. Autos können wir, Infrastruktur auch. Wir haben es rund 100 Jahre lang bewiesen und wir sollten nicht warten bis uns Google und Co. abermals und wie zuletzt häufig das Gegenteil beweisen. Nicht das wir uns wundern, wenn da plötzlich und im Hinblick auf zukünftige Vorhaben jemand beginnt Steckdosen zu setzen – nur damit die schon mal da sind: Reserviert.

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