iPad als Schulbuch? Das wird teuer…

ipad als schulbuch

Wenn am kommenden Donnerstag vermutlich sein neues Konzept „iPad an Schulen“ vorstellen wird, werden die Blogs voll davon sein, wie großartig das alles sein wird. Einen Tag später werden die ersten kritischen Stimmen auftauchen und dann ist der Kommentarkrieg zwischen Apple-Fanboys und Apple-Hassern wieder im vollen Gange. Wie nach jedem Apple-Event.

Also maße ich mir vorher schon einmal an, das ganze Konzept – ohne es wohlgemerkt im Detail zu kennen – ein wenig zu beleuchten.

Apple gewinnt

Zu allererst ist natürlich klar, Apple wird wieder als der große Gewinner da stehen: Nicht nur, dass Apples Name weiter an Renommée gewinnen wird – Engagement in Sachen Schulbildung ist immer eine gute Sache -, es wird massiv in das tägliche Leben der wichtigsten Zielgruppe eingegriffen: Kinder, und Heranwachsende. Und damit tritt eine frühe Gewöhnungsphase an Appleprodukte ein, die sie womöglich ein Leben lang begleitet.

Auf der anderen Seite könnten Schüler die Tablets natürlich komplett mit Schule und Lernen negativ assoziieren und sowohl die „Coolness“ als auch den Spass-Effekt bei der Konkurrenz suchen, denn die Exklusivität der Apple-Geräte geht dabei natürlich flöten. Auch für die Erwachsenen: Warum sollte ich mir ein Apple- kaufen, wenn in der U-Bahn hundert andere ebenso damit rumhantieren?

Die Schüler auch

Ebenso zu den „Gewinnern“ gehören natürlich auch die Schüler: Man kennt das noch früher vom Informatikunterricht, wenn man in der letzten Reihe saß. Vorne erklärte der Lehrer etwas über Turbo Pascal und auf allen Monitoren waren Internetseiten offen, Casual Games wurden gespielt oder schon die Hausaufgaben für die anderen Fächer gemacht. Trotz Sicherheitsmaßnahmen waren die Schüler den Lehrer immer wieder einen Schritt voraus und der Informatikunterricht wurde so zu einer einstündigen Lernpause umfunktioniert. Wenn die elektronischen Geräte nun also auch in den „normalen“ Unterricht eingreifen, wird aus jedem einzelnen Fach eine einzige ADHS-Party!

Verlierer: Schulbuchverlage

Zu den ersten Verlierern werden wohl die Schulbuchverlage gehören, und zwar erst einmal nicht die traditionellen, die noch immer aufs Buch setzen werden, sondern diejenigen, die den neuen, elektronischen Weg gehen werden. Vor allem in Deutschland. Erstens werden viele Lehrer ihren eigenen Unterrichtsstil nicht ändern wollen. Gerade Fächer wie Geschichte, Erdkunde und Religion zeichnen sich nicht gerade durch regelmäßige inhaltliche Updates aus, d. h. die Pädagogen sind teilweise seit 20 Jahren ihren Stoff, ihren Lernrhythmus und ihre Methodik gewohnt, weswegen viele Bücher nur Updates bekommen, aber keine Generalüberholung.

Unflexible Lehrer

Es ist zu erwarten, dass viele ältere Lehrer dem technischen Einzug und Eingriff in ihre Methoden skeptisch gegenüber stehen werden. Junge Lehrer hingegen werden den elektronischen Schnickschnack mit Freude entgegen sehen: Zum Einen steigt Ihr Ansehen bei den Schülern, zum Anderen sind ihre Lernmethoden noch nicht so eingefahren wie bei Lehrern älteren Semesters, so dass sie flexibler darauf reagieren können.

Nun stellt sich die Frage, ob die E-Schulbücher einfach nur eine „abgescannte“ Version des bisherigen Buchs sein werden, dann haben es die Schulbuchverlage relativ leicht, und die Umstellung ist nicht besonders groß. Andererseits rechtfertigt der Mehrwert des iPads dann keine Anschaffung aus finanzieller Sicht (12 Jahre lang Schulbücher leihen ist nach wie vor billiger als die einmalige Anschaffung eines iPads, welches sich vermutlich während des Schullebens noch mindestens 5 Mal mit neuen Versionen verbessern wird).

„Echte“, digitale Schulbücher?

Sollte allerdings tatsächlich geplant sein, dass komplette Apps für den Unterrichtsstoff programmiert werden, verlieren die Lehrer tatsächlich die Oberhand über die zu vermittelnden Stoffe und ihre Methodik. Die Lehrer werden in gewisser Hinsicht austauschbar. Unabhängig davon, dass die Schulbuchverlage neue Wege gehen müssen, denn die ideale Schulsoftware muss nach wie vor erfunden werden. Für gutes E-Learning bedarf es nämlich drei Parteien:

  • den Inhalt
  • die Methodik
  • die Programmierung

Für jeden der drei Bereiche bedarf es eines Spezialisten. Bislang wurden Schulbücher oft von Lehrern selbst geschrieben, die ihre Methodik gekonnt mir den zu lernenden Inhalten verbanden und diese zu Papier brachten.

In Software gibt es aber mehrdimensionale Wege als nur den linearen des Umblätterns, d. h. die Schulbuchverlage müssten zusätzlich auch in Spezialisten der Methodik und natürlich in die Programmierung investieren. Die reinen Produktionskosten (ohne den Druck) verdreifachen sich damit.

Welche Finanzierung?

Auf dieser Argumentation lässt sich nun allerdings nicht mehr weiter reiten, da Apple die E-Books kostenlos veröffentlichen möchte (was auch dringend notwendig ist, denn gerade auf Pausenhöfen blüht der Raubkopiemarkt). Wer die Kosten für die Entwicklung übernimmt, steht also noch aus. Mehr Gedanken können wir uns dann in einer Woche darüber machen, wenn das genaue Finanzierungsmodell bekannt werden sollte.

Längerfristig sollten sich Schulen in intelligenten Ländern jedenfalls nicht von der Qualität und den Inhalten eines Unternehmens mit finanziell einseitigen Interessen machen. Für sein soziales Engagement war Apple jedenfalls noch nie berühmt. Eher berüchtigt.

Apps als E-Books werden jedenfalls zu Beginn noch schwer mit der Vermittlung von Inhalten zu kämpfen haben, denn die Methodik, die bisheriger Lernsoftware zu Grunde liegt, konnte bislang nicht auf seine Wirksamkeit und Nachhaltigkeit positiv getestet werden (Nachweis dieser Argumentation: hier und hier, diese sind zwar schon 10 Jahre alt, erläutern das Problem aber grundlegend und die Entwicklung ist seitdem nicht viel weiter gekommen, jedenfalls nicht empirisch).

Ich lasse mich da allerdings gerne positiv überraschen! Benutzerfreundlichkeit war schon immer ein Teil der Methodik und gerade darin ist Apple ja nicht gerade unerfahren.

Ausgerechnet das iPad?

So weit zu meinen ernsthaften Bedenken. Ein paar amüsante Argumente kann ich allerdings noch aus meiner Tasche ziehen. Denn als Letztes stellt sich mir die Frage, warum ausgerechnet iPads (ohne austauschbaren Akku) das ideale Lerngerät sein sollte? Ein normaler Schultag geht gut von 8 Uhr bis 16 Uhr, erfahrene iPad-Nutzer würden die erforderliche Akkulaufzeit nach ein paar Monaten Dauereinsatz da eher unoptimistisch beurteilen. Gut, man kann das Gerät ja ans Netz anschließen, doch die Schulen sind auf den erforderlichen Strombedarf kaum ausgerichtet.

Abgesehen vom erhöhten Strombedarf, der finanziell vermutlich auf die Schüler abgewälzt wird oder durch die Steuern der Eltern getilgt werden muss, wird bei Klassengrößen von 25 Schülern und mehr das Klassenzimmer zu einer einzigen Stolperfalle. Unabhängig davon, dass ich mich an kaum ein Klassenzimmer erinnern vermag, welches mehr als 3 Steckdosen anbot. Diese waren ja sogar an die Uni später hart umkämpft.

Und wenn bei diesen Kämpfen aus Versehen mal ein iPad zu Bruch gehen wird, freue ich mich auf das Gesicht eines Lehrers, wenn die Sechstklässlerin vor der Klassenarbeit Tränen überströmt nach vorne kommt: „Ich kann die Klassenarbeit nicht mitschreiben, weil mein Touchscreen kaputt ist und ich nicht lernen konnte!“

Aber was red ich, im Vorfeld meckern kann ja jeder… hat mir Siri erst gestern wieder vorgeworfen!

Über Patrick Voelcker 32 Artikel
Patrick beschäftigt sich beruflich und privat seit 2005 neben der Webprogrammierung auch mit der Entwicklung von Mobile und Native Apps. Er ist Rich Media Innovation Specialist bei Google und Autor des Buches "Spiele programmieren für iPhone und iPad" (dpunkt-Verlag). Außerdem ist er Gastdozent an der Popakademie Baden-Württemberg und der Filmschule Köln. Auf Mobile Zeitgeist schreibt er dementsprechend hauptsächlich über Trends und Entwicklungen in Mobile Entertainment [XING]

7 Kommentare

  1. Schön fand ich 
    >> Junge Lehrer hingegen werden den elektronischen 
    >> Schnickschnack mit Freude entgegen sehen

    Das muss man sicher nicht kommentieren :) 

    Ansonsten: Tscha, ich denke Apple will wirklich Geld verdienen damit. Das ist keine sehr sensationelle Enthüllung. Und in Apple’s Geschäftsmodell kommt das Geldverdienen vor allem aus den Hardwareverkäufen. Das ist übrigens selbst bei iTunes bis heute so. Musik und andere Medien sind lediglich der Treiber für die Hardware. Hier verdient Apple nicht viel.

    Wer das verwerflich findet – aus welchen Gründen auch immer (es gibt viele gute), sollte sich m.E. vor allem darum bemühen eine Konkurrenzplatform zu schaffen, die „offen“ ist, bzw. solche Plattformen unterstützen. Alles anderes ist Stammtischnörgelei. Und … bitte keine „gemeinsame Initialive der deutschen Schulbuchverlage und Kultusministerien“ :( Wie solche Projekte ausgehen, wissen wir inzwischen.

    Was die Kosten angeht. Heute kostet ein iPad oder ein gutes Android-Tablet vielleicht 500EUR. Das heißt aber zugleich, dass es 2014 unter 250 EUR kostet. Man darf solche Strategien nicht auf den heutige Tag bewerten. Und, wenn ich mich an die Preise für Lehrbücher aus meiner Oberstufen und Universitätszeit recht erinnere (ausleihen war da eher unüblich), dürften die 250 EUR nach 2 bis 3 Semestern wieder drin sein – ohne überhaupt zu berücksichtigen, dass interaktive Software vielleicht andere Vorteile gegenüber Büchern auf toten Bäumen hat. 

  2. „Warum sollte ich mir ein Apple-Gerät kaufen, wenn in der U-Bahn hundert andere ebenso damit rumhantieren?“

    Der Satz teilt mir mit, dass der Schreiber des Artikels nicht verstanden hat, warum die Leute Apple-Sachen kaufen. Es mag zwar einen Prozentsatz Idioten geben, für die ein iPhone eher ein Statussymbol ist, für den Großteil der Nutzer ist es aber schlicht das beste Smartphone, egal, wer sonst noch eins hat.

  3. Apple ist da auch nicht besser als MS, die auch mit Sonderkonditionen für Schulen früh Schüler an ihr Unternehmen binden wollen. Bildung sollte aber frei bleiben. Wenn ein Konzern da helfen möchte, habe ich kein Problem damit, doch dann bitte vollständig kostenlos und ohne versteckte Kosten. Doch bei Apple habe ich so meine Bedenken, da sie ja noch nicht mal in der Lage sind kostenlos iPads an einzelne Klassen zu verteilen, sondern iPad-Benutzer auffordern beim Erwerb eines iPad2 ihr altes an eine Klasse zu spenden. Hört sich aber in der Überschrift gut an, ist jedoch mit keinen Kosten für den Hersteller verbunden:

    „When Apple introduced the iPad 2, it also introduced a program for
    people who planned to upgrade to donate their original iPad to an
    organization called Teach For America, which would in turn give the iPads to some of the U.S.’s most impoverished schools.Read more: wenn es Apple wirklich um eine Verbesserung der Bildung geht, dann bitte auch kostenlos für alle Zeit.

  4. Es dürfte unweigerlich feststehen, dass Apple auch nach Steve Jobs noch Gewinn machen und eben nicht im Altruismus aufgehen möchte.

    Wenn man diese Tatsache nun betrachtet, dann wird vor allem interessant sein, wie das ganze finanziert werden soll?! Denn in den meisten Fällen, spüren Schulen, Lehrer oder auch ich als Lehramts-Student sehr deutlich, dass Bildung möglichst wenig kosten soll. Neue Bücher sind in vielen (sächsischen) Schulen schon ein halbes Wunder, Beamtenstatus (wieder in Sachsen) ein guter Witz und die Ausbildung in der Uni (z.B. Dresden) auch mehr Notbehelf als alles andere, denn die Landesregierung(en) wollen schlicht kein/kaum Geld ausgeben. Also mangelt es an Personal, Material, Räumen, Zeit – eigentlich allem.

    Es fragt sich also wie da die Kosten für ein iPad und Co. zusammen kommen sollen mit den Vorstellungen, dass alles nichts kosten darf.

    Ansonsten sehe ich Tablets im Unterricht nicht als Teufelszeug und bin Technik in jeder Hinsicht positiv zugewendet, doch leider erwarte ich nicht sonderlich viel – vor allem inhaltlich bewegen sich viele Schulbücher schon heute auf einem Niveau zwischen, noch ganz okay und bodenlos schlecht. Wer also erwartet, dass nun Apps mit innovativen Ansätzen zu haben sein werden, der darf die jedenfalls nicht bei den Schulbuch-Verlagen erwarten. Im Übrigen versagen ja selbst die Apps großer Zeitschriften und Zeitungen und sind eigentlich nur die digitale Variante des gedruckten Produkts, ohne das Medium Internet/Computer mit all seinen Möglichkeiten zu nutzen.

    Den eigentlichen Pepp bringt heute, wenn überhaupt, der Lehrer mit seiner Methodik und dem Variantenreichtum der Präsentation in den Unterricht. Ein iPad mag zwar zunächst ganz nett erscheinen, aber ohne gute und vor allem SEHR GUT aufgearbeitete Inhalte können wir auch Bücher behalten, oder auch noch abschaffen und die Lehrer ihren Job machen lassen. Nämlich die wesentlichsten Inhalte so aufbereiten, dass sie verständlich und gut fassbar für die Schüler werden.

    Ganz nebenbei würde man so massig Geld sparen und sich nicht an einen großen Hersteller binden. Und dieses Geld könnte man dann noch viel sinnvoller investieren, z.B. in ordentliche Schulgebäude mit funktionierendem Inventar (angefangen bei den Toiletten), denn Schule ist auch ein Ort an dem Schüler LEBEN müssen/sollen.

    Und ansonsten – wenn man mal mit träumen anfängt – könnten wir auch noch mehr Personal einstellen und so anfangen das gesamte Schulsystem zu reformieren. Wer sich nämlich an der PISA Spitze orientieren will, sollte auch akzeptieren, dass iPads nicht den großen Unterschied machen, sondern eben ganz andere Dinge.

  5. Mann kann natürlich gegen Apple motzen, aus der etwas muffig riechenden „ich mag Apple halt nicht“ Ecke, aber der Hersteller ist erstmal völlig irrelevant. Die ganzen Schähnoten im Artikel (mein iPad hält regelmässig von Germany nach Kalifornien, das sind dauert schon was länger wie ein Schultag) machen diesen Beitrag auch nicht glaubwürdiger oder interessanter. 
    Tablet’s an Schulen funktionieren durchaus. Das wird in anderen Ländern vorgemacht. Das elektronische Lesemittel die Zukunft sind, gerade für Schulbücher, die oft voller Fehler sind, und so wenigstens kostengünstig revidiert werden könnten, und damit kosten sparen für die Eltern, ist begrüssenswert. Schulbücher aus 5ter Hand sind auch nicht wirklich toll, und das Geschichte sich nicht ändert, oder nicht anders beigebracht werden kann wie mit Büchern der Nachkriegszeit halte ich mal für eine arge Plattitüde. Wichtig ist das Technologiekonzerne versuchen sollten in diesen Markt zu investieren und zu innovieren. Denn, ganz ehrlich, Lehrern und anderen Bürokraten traue ich weder Renovation noch Innovation im Schulbereich zu. Gerade in NRW demonstriert die Politik immer wieder das Schulprobleme nur durch formale Änderungen, nicht durch tatsächliche Innovation, gelöst werden sollen. 

    Technologie wird diese Probleme nicht lösen. Aber ich finde Apples Vorstoß generell wichtig. Technologie soll das Alte interrupten, und deren Strukturen verändern. Was immer diese Woche vorgestellt wird, ich hoffe es wird zu Denkanstößen führen, die das Lehren in Deutschland bewegen. Wir haben es wirklich nötig, und wenn es iPad sind die dazu führen, dann ist das in meinen Augen besser, als wenn gar nichts passiert. 

  6. Man tausche das Wort iPad gegen Taschenrechner, suche auf Archive.org die Seite mobile-rechenmaschine.com, reise 30 Jahre zurück zum Artikel „Casio möchte Taschenrechner in Schulen etablieren“ und findet raus, dass dieser Artikel eine einfache Kopie davon ist.

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