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Google Assistant: Wie Google die (mobile) Welt verändert

Walled GardenWalled Garden

Vergangene Woche fand in San Francisco das Hardware-Launch Event von Alphabet statt. Einer der zentralen Punkte im Programm war die Vorstellung des „Google designed“ Flagship-Smartphones Pixel, auf dem der neue KI-Assistent von Google (Google Assistant) vorinstalliert ist. Wir wurden Zeugen des Auftakts zu einem weiteren massiven Umbruch des mobilen Ecosystems.

2010 konnte ich den damaligen CEO von Google, Eric Schmidt, beim Mobile World Congress auf der Bühne sein berühmtes „Mobile First“ verkünden hören. Dieses Mantra war damals ein Paradigmen-Wechsel, der heute erstaunlicher Weise in so manchem Unternehmen immer noch nicht vollzogen wurde. Doch das ist eine andere Geschichte.

Heute, gute sechs Jahre später, sehen wir Android als weltweit dominierendes, mobiles Betriebssystem mit rund 80 Prozent Marktanteil. Doch der heutige CEO von Google, Sundar Pichai, redet auf dem Launch-Event hauptsächlich über eines: Künstliche Intelligenz und den Google Assistant, nicht über Smartphones oder Android.

Pichai drückt es ganz unbescheiden aus, was Google zukünftig sein möchte: „das ganz persönliche Interface zu allem“. Bam! Weltherrschaft. Mindestens.

Alles bleibt anders

„Mobile First“ ist erledigt. „There’s an app for that“? Been there, made that. Google erkennt ganz richtig, dass die mobile Welt, wie wir sie seit rund zehn Jahren kennen, wieder einmal vor einer massiven Veränderung steht.

Millionen von Apps sollen uns eigentlich das Leben erleichtern. Doch wir sind App-müde geworden. Theoretisch stehen uns zwar die schönsten Services und Angebote zur Verfügung, doch im Alltag wird es doch nach wie vor gern mal kompliziert. Jeder hat schon einmal versucht, Songs oder Bilder von einem Gerät zum anderen zu bewegen. Wer dabei schnell ans Ziel möchte, sollte schon eine passende Vorgehensweise im Kopf haben. Sonst kann es schon einmal kniffelig werden. Für technische Laien allemal.

Sind Apps schon tot?

Apps begegnen uns als meist unabhängig voneinander existierende Einzellösungen für ebenso einzelne Probleme. Übergreifende, komplexe Lösungen liefern sie meist nicht. Da brauchen wir, um eine Reise zu planen ganz schnell einmal drei bis vier verschiedene Apps, um alles erledigen zu können. Gerade rund um Reiseplanungen entstehen bereits umfangreiche Apps, unter anderem auch von Google, die uns das Leben erleichtern sollen. Doch wir sehen, dass die Assistenten in Form von Chatbots bereits antreten, uns die (Such-)Arbeit abzunehmen.

Diese Entwicklung wird weiter gehen und heute ist schon deutlich erkennbar, dass der Weg hin zu persönlichen Assistenten eingeschlagen ist und rasend schnell voran schreitet. Dienste und Inhalte atomisieren sich immer weiter und finden dort statt, wo der Nutzer und nicht dort wo der Anbieter ist.

Grundlage für nützliche Assistenten ist, dass sie nicht nur uns und unsere Vorlieben sondern auch immer die Situation, den Kontext kennen, in dem wir uns gerade befinden. Also nicht eine Lösung für viele („das muss skalieren“), sondern immer die beste Lösung für jeden Einzelnen. Dies war, bevor wir leistungsfähige Algorithmen programmierten, zumeist aus wirtschaftlichen Gründen nicht leistbar.

Ziel: Perfektion

Ohne den möglichst perfekten Service zu bieten, braucht heute kaum noch ein Anbieter anzutreten. Die Nutzer sind anspruchsvoll und verzeihen suboptimale oder schlechte Angebote nicht. Und der nächste Anbieter steht meist schon bereit, das Nutzenversprechen einzulösen.

Um diese Perfektion zu erreichen, muss ein Anbieter möglichst große Teile des Ecosystems kontrollieren können. Apple hat dies mit seiner Walled-Garden-Strategie bisher optimal umgesetzt. Der Lohn der Abschottung ist ein hohes Maß an Qualität, die die Marke Apple zur wertvollsten der Welt gemacht hat. Weiterhin natürlich eine treue Fan-Gemeinde und intensive Kundenbeziehungen.

Als Gegenpol im mobile Ecosystem stand bisher immer Google. Ein „offenes“ Betriebssystem, das von vielen verschiedenen Geräteherstellern genutzt werden konnte. Es galt, Marktanteile zu gewinnen und die Menschen auf mobilen Geräten ins Internet zu bringen, wo Google sie mit Werbung und Services erwartete.

Doch es scheint, dass Google sich auf diese Strategie trotz ihres Erfolgs nicht mehr allein verlassen will. Mit dem Pixel betritt Google nun im Premium-Segment die Bühne der Smartphone-Hersteller und konkurriert damit insbesondere mit dem iPhone und der Galaxy-Reihe von Samsung.

Googles Walled Garden

Nur mit dem Pixel wird es möglich sein, den Google Assistant mit seinem vollständigen Leistungsumfang nutzen zu können. Es geht um die beste User Experience, für die der Nutzer dann auch bereit sein soll, tiefer in die Tasche zu greifen. Google setzt nun also auf Qualität statt Quantität. Aus der Position eines Premium-Anbieters heraus lassen sich auch immer andere Marktsegmente bearbeiten, zum Beispiel mit günstigeren Angeboten. Ist man jedoch im Niedrigpreissegment ist es fast unmöglich, von dort Premium-Dienste zu etablieren.

Was Googles Schritt für das gesamte Android-Ecosystem bedeuten wird, ist zurzeit noch offen. Klar dürfte sein, dass Google damit einige bisherige Partner, die auf Android gesetzt haben, vor den Kopf stoßen wird. Sehr wahrscheinlich auch Samsung, die bereits rund um die eigenen VR-Systeme auf eigene Software setzen und mit Tizen über ein eigenes mobiles Betriebssystem verfügen. Auch kaufte Samsung gerade das AI-Startup Viv, welches von den Siri-Erfindern gegründet wurde und steht auch im Bereich der künstlichen Intelligenz mit Google in Konkurrenz.

Andere Gerätebauer hingegen, die von Android abhängig sind und keine eigenen AI-Aktivitäten haben, werden ins Hintertreffen geraten. Für sie bleibt das Niedrigpreissegment, in dem es immer schwerer werden wird, ausreichende Margen zu erwirtschaften.

Insgesamt werden wir eine voranschreitende Fragmentierung der Märkte beobachten können. Welche Auswirkungen das insgesamt haben und was sich an dem bestehenden Duopol von Android und iOS ändern wird, welche Rolle unter anderem Samsung dabei spielen wird, das bleibt abzuwarten.

Assistenten wissen alles

Man sollte das Pixel nicht zu sehr überbewerten, denn es geht um mehr als um ein Smartphone. Es geht allen Anbietern von Assistenten, egal ob es der Google Assistant, Alexa von Amazon, Cortana von Microsoft, Siri von Apple oder M von Facebook ist darum, die Kundenbeziehung zu kontrollieren und möglichst viele Daten für ihre Services zu erheben. Diese Daten benötigen sie auch, denn einen perfekten Dienst baut nur derjenigen, der am meisten über uns weiß. Und dies geschieht am Besten mit eigenen Geräten, die eine vollständige Kontrolle über die Daten ermöglichen.

Und an dieser Stelle muss und klar sein, dass wir unsere Daten dafür hergeben müssen, wenn wir gute oder sogar perfekte Services haben wollen. Gerade wir Deutschen müssen hier unsere Ambivalenz überprüfen und aufhören mit „Wasch mich, aber mach mich nicht nass!“. Wer individuelle, auf den eigenen Nutzungskontext angepasste Dienste in Anspruch nehmen möchte, muss dem Anbieter einen weitgehenden Zugang ermöglichen zu den eigenen Daten, Bewegungsmustern, Shopping- oder Surf-Historien, persönlichen Netzwerken und vielen weiteren Stellen, an denen wir Daten generieren. Das ist der Deal.

Wer dies nicht möchte, sollte sich nicht beklagen, bei vielen Services, die nun entstehen, nicht dabei zu sein. Das ist nicht grundsätzlich verkehrt. Doch jeder sollte sich fragen, zu was er bereit ist und zu was nicht. Ein informiertes und bewusstes Verhalten ist hier der Schlüssel zum Glücklich-Sein.

Es wird sehr wahrscheinlich wieder so sein, dass sich viele kopfüber in die schöne neue Assistenten-Welt stürzen werden. Bequemlichkeit geht hier oftmals vor und Bedenken in Sachen Datenschutz werden verdrängt. Ein besonders bewusstes oder aufgeklärtes Verhalten ist dies nicht und es wird – wie sonst auch immer – das Heulen und Zähneklappern folgen, wenn die Nutzer erfahren, was die Anbieter alles über sie wissen.

Dennoch: Ich freue mich drauf, wieder einmal hautnah bei einer derart tiefgreifenden Veränderung unseres Ecosystems dabei zu sein. Es wird nie langweilig, wenn man sich mit mobilen Technologien beschäftigt.

Beitragsbild: Upper Rhenish Master [Public domain], via Wikimedia Commons

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