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Die Zukunft der Mobile Payment Startups: Goldener Exit oder großes Blutbad?

Wer als Startup im Payment erfolgreich sein will, braucht einen langen Atem und eine nachhaltige Finanzierung. Das Paymentverhalten der Kunden ändert sich nur sehr langsam. Noch immer werden annährend 50% der Umsätze im deutschen Einzelhandel bar gezahlt (EHI), obwohl Karten und Terminals seit Jahrzehnten etabliert sind. Das Verhalten der Kunden zu ändern und den stationären Handel zu digitalisieren, ist eine Herkulesaufgabe und skaliert nicht so schnell wie sich manche vorstellen. Selbst PayPal – mit seinen Millionen Kunden und eingeführter Marke – hat große Mühe damit wie die, gemessen an der Nutzung/Umsatz, wenig erfolgreiche Bilanz zum QR-Shopping Piloten in Oldenburger zeigte.

Für Startups ist es nicht ungewöhnlich von vornherein auf einen Exit zu schielen, d. h. sich zum rechten Zeitpunkt gut an ein großes Unternehmen zu verkaufen. Auch unter den 28 verschiedenen (Mobile) Wallet-Verfahren in Deutschland wird es da den einen oder anderen geben.

Mobile Wallet Payment Anbieter in Deutschland (J. Siegert)

Große Konzerne als traditionell potentielle Aufkäufer bedienen das Thema Mobile Payment bereits heute strategisch mit eigenen Lösungen.

Im folgenden eine kurze aktuelle Analyse über die potentiellen Möglichkeiten eines erfolgreichen Exits für die jungen Mobile Payment Startups anhand von Schlüsselkriterien:

1) Produkt, IT und UX: Neutral bis negativ

Hier liegen eigentlich die Vorteile für Startups. Schnelle agile Produktentwicklung und Innovation vs. kostenintensive und langsame Entwicklung und Entscheidungsfindung in Konzernen. Ein Mobile Payment/Wallet-Produkt ist 15 Jahre nach der Gründung von PayPal jedoch kein „Rocket Science“ mehr und kann bereits als White-Label Produkt am Markt eingekauft werden. Daher fällt dieser eigentlich Vorteil von Startups bislang noch nicht ins Gewicht.

Wie ist die User Experience gelöst? Gerade im Zahlungsverkehr ist die Usability eines der wichtigsten Erfolgskriterien. Bislang werden viele Mobile Payment Projekte jedoch eher von der Technik als von wirklichen starken Mehrwerten dominiert. Keines der Startups empfiehlt sich derzeit durch herausragende User Experience. Im Gegenteil: ich konnte bei den Tests insbesondere im wichtigen Sign-Up Prozess keine wirkliche nachhaltige Differenzierung, manchmal sogar deutlich schlechtere Umsetzungen, feststellen.

2) Risk Management & Compliance: Neutral

Vorteile im Risk Management hat der Anbieter welcher proprietäre Daten besitzt, die man nicht extern von Dienstleistern beziehen kann. Diese Daten werden nur durch Erfahrung und schmerzhafte Ausfälle gesammelt. Bislang hat kein deutsches Mobile Payment Startup wirklich skaliert und kann auf besondere Risk-Kompetenzen zurückgreifen.

Besondere Erfahrungen auf der Compliance-Seite bei den Startups kann man ebenfalls noch nicht konstatieren. Die meisten Anbieter haben Produktmodelle  gefunden die temporär noch ohne Regulierung auskommt oder die Regulierung über Partnerschaften mit Banken ausgelagert. Gerade börsengelistete Konzerne als potentielle Exit-Kandidaten dürfen beim Thema Compliance keine Risiken eingehen.

3) Patente/Intellectual Property: neutral

Leider sieht es auch auf diesem Gebiet nicht sehr gut aus für die Startups. Mit Web/IP, QR oder NFC werden offene Standards genutzt, die von Dritten mit ein wenig Entwicklungsaufwand 1:1 umgesetzt werden können, daher auch die Vielzahl der aktiven Anbieter alleine in Deutschland. Die Zahlprozesse sind vergleichbar, daher sticht kein Start-Up heraus.

4) Marktanteil – neutral

Haben die Startups bereits signifikante Marktanteile gewonnen bei Endkunden, Umsatz oder Händlern? Ist man Marktführer in seinem Bereich oder maximal zweitgrößter Anbieter?

Wie das Beispiel PayPal QR Shopping in Oldenburg zeigt ist der Markt noch nicht wirklich bereit oder gar verteilt. Hier müssen sich die Startups erst noch beweisen und durchsetzen, bevor sie ernsthaft an einen Exit denken können.

5) Finanzkennzahlen – negativ

Wie realistisch sind die tatsächlichen Zahlen vs. den geplanten? Wie stark ist die Kundenpipeline auf der Handelsseite, wie stark die Liquidität und Marge. Spricht man mit den Start-Ups über die Zahlen, erfährt man wenig konkretes oder komplett unrealistische Planzahlen die selbst einem einfachen Vergleich nicht statthalten.

Öffentlich ist dies sichtbar beim Anbieter Paymey.de, der über die Crowdfunding-Plattform Seedmatch finanziert ist. Während Paymey in der ersten Finanzierungsrunde im August 2013 mit einer Transaktion pro Kunde und Monat im Durchschnitt plante, sind es in der 2. Runde im März 2014 schon 5 Transaktionen pro Kunde und Monat. Interessant dabei ist vor allem der Vergleich zu etablierten Zahlverfahren. PayPal mit einem globalen Netzwerk und etablierter Marke schafft bislang 1,7 Transaktionen pro aktivem Nutzer und Monat. Rechnet man alle PayPal Accounts ein sind es weniger als 0,8 Trx/Monat. Selbst die deutschen Karten Girocard/ec-Karte und Kreditkarten schaffen es mit einem Netzwerk von hundertausenden Akzeptanzstellen auf gerade eimal 2,1 Transaktionen pro Kunde und Monat. Paymey plant also nicht weniger als aus dem Stand heraus, ohne nennenswertes Händlernetzwerk, Marke und etablierten Konsumentenvertrauen so viele Transaktionen pro Kunde abzuwickeln wie dieser bislang mit seinen Debit&Kreditkarten sowie Paypal zusammen durchführt. Je unrealistischer die Planung, was spätestens in der Due Dilligence auffällt, desto unwahrscheinlicher ein möglicher Exit!

Payment Transaktionen pro Kunde (J. Siegert)

 

6) Management / Leadership – neutral bis leicht positiv

Im Silicon Valley ist es üblich Startups zu übernehmen nur wegen des starken Managements und diese rare Ressourcen zu sichern. Hier liegen Chancen auch in Deutschland.

Payment Startups die von innovativen Gründern geführt werden, die neue Wege betreten, sind generell interessant, denn hier sind eher disruptive Lösungen zu erwarten. Start-Ups deren Management aus „erfahrenen“ Payments-Experten besteht, die bislang ausschließlich in Banken oder banknahen Zahlungsverkehrsdienstleistern Erfahrungen sammelten und nun zum ersten Mal in einem Start-Up agieren, sind sehr mit Vorsicht zu geniessen. Innovationen ist eher Gründern zuzutrauen, die Problemlöser sind und explizit neue Wege beschreiten. „Klassische“ Payments-Manager, die bislang nur Entscheidungsprozesse im Konzern-Background kennen und  bislang kein Online-Business geführt haben, ist dies weniger zuzutrauen. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass ein solches Management in einem Start-Up erst einmal eher negativ zu sehen ist.

Fazit

Betrachtet man die aktuell aktiven Mobile Payment Startups in Deutschland drängt sich anhand der oben genannten Kriterien kaum eines ins Auge welches sich für einen schnellen, attraktiven Exit empfiehlt. Die Startups sind bislang kaum skaliert und zu sehr vergleichbar. Der Markt ist noch nicht aufgeteilt und keines der Produkte löst derzeit ein wirkliches Problem von Kunde und Handel. Zeitglich sind Konzerne als klassische Käufer bereits ebenfalls mit eigenen Lösungen strategisch am Markt aktiv und kommen daher als Übernehmer nur dann in Frage wenn eines der StartUps sich nachhaltig als Marktführer vor den Konzernen etablieren kann, was derzeit zumindest nicht sichtbar ist.

Es bleibt daher zu befürchten, dass wir weiter große Übernahmen im Silicon Valley sehen statt in Deutschland und hier primär Liquiditätsengpässe das Tagesgeschäft der vielen mobile Payment Startups beherrschen.

 

Der Autor:

Jochen Siegert (40) befasst sich seit 14 Jahren intensiv mit dem Zahlungsverkehr. Er leitet derzeit als Geschäftsführer und Direktor Global Payment Services die Monetarisierungs-Gesellschaft von Bigpoint, einem führenden Entwickler und Anbieter von Onlinespielen mit weltweit über 350+ Millionen Kunden und 200 Paymentverfahren.
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