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Beacon: Revolution oder morgen schon vergessen?

Liebe macht ja bekanntlich blind. Einen ähnlichen Effekt kann man in den Tech-Medien fest stellen, wenn neue Technologien auftauchen. Ein ums andere Mal werden die Lösungen in den Himmel geschrieben, alle werden reich und glücklich und der Weltfrieden ist auch nicht mehr weit. Egal ob es Bluetooth, Location Based Service, Augmented Reality, Datenbrillen, Smartwatches oder wie jetzt gerade Beacons sind.

Gleich vorab: Ich gehöre zu denen, die von neuen Technologien begeistert sind, sonst würde ich nicht seit acht Jahren darüber schreiben. Auch halte ich Beacons für ein durchaus interessante Technologie, die ihre Einsatzgebiete haben wird.

Doch der Hype, der in einigen Medien dazu gerade angezettelt wird, verspricht zu viel. Es gilt, mal ein wenig die Luft raus zu lassen.

Was ist Beacon?

Guidance Shopping via Shutterstock

Beacon (auf Deutsch: Leuchtfeuer) ist eine low-energy Bluetooth 4.0-Technologie, also Nahfunktechnik, die es erlaubt, in einem Radius von bis zu 30 Metern mit anderen Geräten, zum Beispiel Smartphones, anderen Smart Objects und eben den Beacons Daten auszutauschen.

Bluetooth, benannt nach dem dänischen König Harald Blauzahn, ist nicht neu und heute im Mobile Marketing fast in Vergessenheit geraten. 2007 hatte ich bereits mit Holger Hammel (Technik-Experte) und Thomas Sassenberg (Medienanwalt) ein Bluetooth Whitepaper (pdf) geschrieben, das bei einigen der damaligen Bluetooth-Protagonisten zornige Reaktionen ausgelöst hat. Denn wir haben damals schon auf die Gefahr des „Bluespammings“ verwiesen und auch die Grenzen dieser Technologie aufgezeigt.

Doch zurück zu Beacon, das eine gute und sinnvolle Weiterentwicklung von Bluetooth ist und einige der Schwächen, die Bluetooth hatte, nicht mehr aufzeigt. Es soll jedoch nicht um die Technik gehen, sondern um die vielen Anwendungsszenarien, die derzeit so heiß diskutiert werden.

Beacon rettet den Handel

Der stationäre Einzelhandel ist unter massivem Druck, verliert immer mehr Kunden an die Online-Händler und steht vor einer ähnlichen Strukturveränderung durch digitale Technologien wie vor ihm schon einige andere Branchen (und nach ihm sicherlich noch weitere).

Dieser Leidensdruck macht den Handel natürlich empfänglich für Rettungsangebote und hier tummeln sich nun auch aus der Mobile Industry einige, die heilsbringende Werkzeuge in ihren Koffern dabei haben. Einige sind gut und (werden) funktionieren, andere sind unnötig.

Beacon soll nun dem Handel ein Tool an die Hand geben, mit dem gleich auf mehreren Ebenen der vermeintliche Nachteil gegenüber dem Online-Handel wett gemacht werden soll. Dem Kunden, der das Ladengeschäft betritt, können mit Beacon gleich tolle Angebote oder Produktinformationen direkt auf sein Smartphone geliefert (gepusht) werden, sofern er die App installiert und Bluetooth eingeschaltet hat. Hört sich aus Sicht des Handels gut an, doch halte ich zumindest heute die Akzeptanz durch den Kunden für nicht gegeben. Ob sich das in Zukunft ändern wird, kann ich nicht vorher sagen.

Mit Beacon kann ich sogar Sonderangebote pushen, wenn der Kunde direkt vor der Ware steht, da ich tracken kann, wo er sich im Laden befindet. Hört sich auch toll an. Nur wird kaum ein Händler nur an die, die a) ein Smartphone (dabei), b) die App installiert und c) Bluetooth eingeschaltet haben, das Sonderangebot ausliefern wollen. Also wird er für alle anderen den Sonderpreis auch wie bisher in Papierform an das Regal hängen. In diesem Fall kann man das mit Beacon auch lassen.

Ich gebe zu, es mag Gründe geben, nur dieser oben genannten Zielgruppe ein Goodie anzubieten, doch halte ich das für den eher selteneren Fall.

Loyalty Programme, Couponing, Check-Ins oder Incentivierungen für Produkt-Scans hat sich unser Autor Alexander Süßel bereits in seinem Artikel „iBeacon: Breakthrough? Hype? Flop?“ angesehen.

Inhouse Navigation mit Beacon

Für den Handel wird häufig auch die Inhouse Navigation als Killer Feature genannt. Wenn ich dem Kunden das Sonderangebot auf sein Smartphone gepusht habe, kann ich ihn auch gleich dorthin navigieren, wo er das Produkt in seinen Einkaufswagen legen kann.

Dies gilt sicherlich nur für Händler, die a) sehr große Ladenflächen haben, b) unübersichtlich sind und c) Kunden sich bei ihnen nicht für die täglichen Einkäufe aufhalten, also zum Beispiel Baumärkte oder Möbelhäuser. Selbst wenn mein Stamm-Supermarkt sehr groß ist, kenne ich mich in ihm meist aus und brauche keine Navigation. Andere Supermärkte besuche ich, genau so wie die meisten Menschen, eher selten und ich werde mir für den eher seltenen oder sogar nur einmaligen Besuch nicht die für die Beacon-Nutzung in diesem Supermarkt notwendige App herunter laden.

Das Navigations-Szenario wird auch für andere Branchen, zum Beispiel Messen, sehr gern angeführt. Beiden ist gemein, dass sowohl der Handel als auch die Messegesellschaften überhaupt kein Interesse daran haben, dass der Kunde/Messebesucher schnell zu seinem Produkt/Termin und schnell wieder aus dem Laden/vom Messegelände verschwindet. Ganz im Gegenteil. Ziel ist es, den Kunden möglichst lang bei sich zu halten und ihn so zu Spontanhandlungen (Kauf/Kontakt zu anderen Messeausstellern) zu verleiten.

Natürlich kann man nun die Navigation so gestalten, dass der Nutzer genau dort vorbei geführt wird, wofür wiederum jemand gezahlt hat, was eine zusätzliche Umsatzquelle sein könnte. Nur sollte man den Nutzer auf keinen Fall für dumm halten und damit rechnen, dass er diesen Trick durchschaut.

Beacon ist der Durchbruch beim Mobile Payment

Hier möchte ich gar nicht weit ausholen, sondern auf den Artikel „Mobile Payment – Alles Beacon oder was?“ von unserem Autor Rudolf Linsenbarth verweisen, der mit den Worten „BLE ist aber jedenfalls nicht die Durchbruchstechnologie für das Mobile Payment!“ schließt.

Museen und Ausstellungen werden mit Beacon attraktiv

Es wäre ein Traum, wenn in Museen mehr moderne Technik im Sinne des Besuchers eingesetzt werden würde. Ich sehe hier wundervolle Einsatzmöglichkeiten auch für Beacon. Doch in der Vergangenheit sind schon die QR Codes, die Bilderkennung und auch Bluetooth an diesem immer unter Geldmangel leidenden Bereich gescheitert. Vielleicht kann Beacon hier punkten, zuversichtlich bin ich ganz persönlich für die nächsten drei bis vier Jahre nicht.

Revolution im Personen-Nahverkehr

Ich würde mich sehr freuen, hier bessere Systeme als die heutigen zu sehen. NFC versprach hier schon einfaches und bequemes Handling. Projekte wie Touch & Travel der Deutschen Bahn schafften es in den letzten Jahren auch immer wieder in die Presse. Ein bundesweit flächendeckender Roll-Out steht bis heute aus. Manche Städte wie zum Beispiel Amsterdam sind weiter und dort funktioniert das NFC-basierte System sehr gut. Vielleicht ist es für Beacon eine Chance, dass bisher die Unternehmen nur selten in NFC investiert haben und nun auf Beacon setzen. Mit sichtbaren Projekten in absehbarer Zeit rechne ich hier nicht.

Fazit

Natürlich gibt es noch eine Menge anderer Szenarien, die zu beschreiben diesen Artikel sprengen würde. In den meisten Fällen hat die Beacon-Technologie durchaus Attraktivität und sie wird sich auch an verschiedenen Stellen durch setzen. Doch sollte man bei der Diskussion um die Einsatzmöglichkeiten ein wenig Bodenhaftung behalten und sich nicht von der jetzt schon jubelnden Berichterstattung dazu verleiten lassen, in neuen Technologien zum Beispiel die Lösung für strukturelle Probleme einer Branche zu sehen.

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