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Welche Mobile Payment Lösung für welchen Händler?

Im Rahmen seiner Masterarbeit hat Michael Waldmann das Thema Mobile Wallets aus der Perspektive des Handels untersucht. mobile-zeitgeist hat ihn dabei unterstützt. In der Arbeit hat Michael ein 3-Stufen-Modell zur Veranschaulichung der organisatorischen Architektur einer Mobile Wallet entwickelt, welches er in diesem Artikel näher vorgestellt :

Jeder, der sich schon mal etwas intensiver mit der Materie „Mobile Payment“ auseinander gesetzt hat, dürfte relativ schnell festgestellt haben, um welch komplexes Gebilde es sich doch handelt. Bevor ich als Nutzer mit Mobile Payment starten kann, ergeben sich zunächst etliche Fragen:

Mobile Payment image via Shutterstock

Um zumindest bei der Frage des geeigneten Anbieters eine Hilfestellung geben zu können, habe ich im Rahmen meiner Masterarbeit „Proximity Mobile Payment“ (* siehe Definition am Ende des Artikels) ein 3-Stufen-Modell herausgearbeitet, das einen Überblick über die relevanten Formen des mobilen Bezahlens von Anbieterseite geben soll.

Stufe 1: Das geschlossene System / Die Silo-Lösung

Charakteristisch für die Silo-Lösungen ist, dass sie von einem Händler angeboten werden und dieses Angebot auch nur über diesen einen Händler genutzt werden kann. Im Proximity Mobile Payment würde man demnach von einer Silo-Lösung sprechen, wenn ein Händler eine App für seine Kunden auf den Markt bringt, mit der der Kunde nur innerhalb dieses Händlers bezahlen und Zusatzleistungen nutzen kann. Das bekannteste Beispiel für diese Form des Mobile Payments ist die Discountkette Netto, die mittels einer Silo-Lösung als erster Discounter eine flächendeckende Mobile-Payment Struktur in Deutschland etabliert hat.

Doch was ist nun die Besonderheit an diesen geschlossenen Systemen und was bedeutet das für den Nutzer?

Der größte und offensichtlichste Nachteil aus Sicht der Nutzer ergibt sich durch die stark eingeschränkte Verwendbarkeit dieser Systeme. Dass der Kunde  mit der Netto App nicht bei Aldi oder Lidl zahlen kann, versteht sich ja von selbst. Dies bedeutet also, die Kunden müssen sich für jeden Händler eigens registrieren und eine neue App herunterladen, bei dem sie mobil bezahlen möchten. Daraus ergibt sich ein hoher Aufwand für den Kunden und  somit eine geringe Nutzerfreundlichkeit. Für den Händler ergibt sich vor allem ein Risiko durch hohe Kosten für Entwicklung und kontinuierliche Pflege eines eigenen Systems.

Die große Frage für die Zukunftsfähigkeit von Silo-Lösungen ist nun: Sind die Kunden wirklich bereit, für jeden Händler ein eigenes Bezahlsystem zu nutzen?

Meine Antwort: Nein, zumindest sicher nicht für alle Händler! Aber wohl zumindest für bestimmte Händler, zu denen der Kunde eine besondere Beziehung pflegt!

Demnach könnte sich eine Silo-Lösung bei Händlern mit regelmäßiger Kundeninteraktion und einem besonders hohen Anteil an Stammkunden  als eine durchaus denkbare Variante  durchsetzen.  Für einen Händler, der in erster Linie viel Laufkundschaft und viele unregelmäßige Kundenkontakte hat ist das geschlossene System daher nicht zu empfehlen.

Als Kunde bin ich also nur bereit, ein geschlossenes System eines Händlers zu verwenden, bei dem ich Stammkunde bin und in sehr regelmäßigen Zeitintervallen (bspw. einmal wöchentlich) einkaufe.

Stufe 2: Das offene System / Die offene Wallet-Plattform

Die zweite Ebene beschreibt im Gegensatz zur Stufe eins eine Mobile-Wallet-Plattform, die grundsätzlich offen für den gesamten Handel ist. Der Betreiber einer solchen offenen Wallet-Plattform ist also nicht der Handel selbst, sondern ein Drittanbieter. Diese Drittanbieter können sowohl Telekommunikationsanbieter, Banken oder spezialisierte M-Commerce oder Finanzdienstleister sein. Besonders die Telekommunikationsanbieter taten sich in jüngster Zeit auf diesem Gebiet hervor. Erste Schritte in Richtung einer offenen Wallet-Plattform wurden bereits von der Telekom (MyWallet), O2 (O2 Wallet) und von Vodafone (Vodafone Wallet) unternommen.

Das Grundkonzept einer solchen offenen Wallet-Plattform sieht vor, dass einer dieser möglichen Anbieter dem Handel und den Kunden die Infrastruktur und Sicherheitsfeatures in Form dieser App zur Verfügung stellt. Dem Handel soll es ermöglicht werden, innerhalb dieser App bzw. Wallet tätig zu werden und über Mobile Payment hinaus auch für den Handel relevante Zusatzleistungen wie Couponing und Rabattaktionen zu steuern.

Man könnte demnach von eigenen „Abteilugen“ innerhalb dieser offenen Wallet sprechen, die jeweils die unterschiedlichen Händler abbilden. Demnach kann man dieses Konzept  auch als „App in der App“ bezeichnen, da die offene Wallet-Plattform die Basis für weitere Anwendungen einzelner Händler innerhalb der Wallet darstellt.

Für die Konsumenten ergibt sich eine hohe Nutzerfreundlichkeit, da eine App  für alle Händler verwendet werden kann. Der Handel profitiert von dem geringeren finanziellen Risiko und den Stärken der Anbieter (bspw. 20 Mio. Deutschland weite Kunden eines Telekommunikationsanbieters).

Geeignet ist diese Form der offenen Wallet-Plattform prinzipiell für alle Händler, jedoch insbesondere für diejenigen, welche keine extrem starke Kundenbindung oder einen hohen Anteil an Stammkundschaft in ihrer Kundenstruktur haben, aber dennoch den mobilen Kanal für sich nutzen wollen. Händler, die nicht das Investitionsrisiko eingehen wollen, jedoch dennoch einen regelmäßigen Austausch mit den Kunden auf dem mobilen Kanal forcieren möchten, können mit den Anbietern dieser Plattformen interagieren und ihre eigenen Kundenbindungsinstrumente in die Wallet integrieren.

Stufe 3: Der Handel als Akzeptanzstelle für Mobile Payment

Die dritte Stufe beschreibt den Umstand, dass ein Händler lediglich als Akzeptanzstelle für mobiles Bezahlen fungiert. In diesem Fall spielen Kundenbindungs- oder Loyalitätsprogramme keine Rolle. Der Fokus liegt hier nur in der Akzeptanz von mobilen Bezahlvorgängen im Einzelhandel. Der Kunde hat die Möglichkeit, mit der offenen Wallet (Stufe zwei) bei einem Händler mit dem Mobiltelefon zu bezahlen. Der Unterschied zur zweiten Stufe des Modells besteht darin, dass der Händler über diese offene Wallet keinerlei Kommunikation mit den Kunden hat und somit auch nicht als eigene „App in der App“ in Erscheinung tritt. Der Händler ist lediglich als eine Akzeptanzstelle für die Wallet im Payment-Prozess anzusehen. Diese Händler würden somit dazu beitragen, dass Mobile Payment vermehrt im Einzelhandel möglich ist und dadurch einen Beitrag dazu leisten, dass es als universelles Zahlungsmittel etabliert wird.

Geeignet ist die Form im speziellen für kleinere Händler, deren Kundenstruktur geprägt ist von geringer Kundenbindung, einer geringen emotionalen Bindung der Konsumenten und einem hohen Anteil an Laufkundschaft, welche nur einmal oder in unregelmäßigen Zyklen diese Händler aufsuchen.

Das Modell

Mobile Wallet 3 Stufen Modell von Michael Waldmann

Das Fazit

An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass es sich hier nicht zwangsläufig um „Entweder-oder-Entscheidungen“ handelt, welches System sich letztendlich am Markt durchsetzen wird. Es besteht durchaus die Möglichkeit einer Koexistenz der Stufen eins und zwei. Das Grundkonzept der Stufe drei ist ohnehin als zusätzlich existierende Form neben den ersten beiden Stufen zu betrachten.

Praktisch könnte dies bedeuten, dass ein Kunde beispielsweise die Wallet seines Mobilfunkanbieters nutzt, um damit in bestimmten Geschäften mobil bezahlen zu können und zusätzlich noch Mehrwertleistungen über diese Wallet in Anspruch nehmen zu können (Stufe zwei). Gleichzeitig kann dieser Kunde in vielen weiteren Geschäften sein Mobiltelefon ebenfalls zum Bezahlen nutzen, wodurch die Reichweite mobiler Bezahlvorgänge deutlich erhöht werden kann (Stufe drei). Zusätzlich zu der offenen Wallet-Plattform seines Mobilfunkanbieters kann dieser Kunde auch noch zwei oder drei weitere Apps von Händlern auf seinem Smartphone installiert haben, bei denen er regelmäßig und häufig einkaufen geht (Stufe eins).

 

Der Autor:

Michael Waldmann ist ausgebildeter Industriekaufmann und hat einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre (B.A). Seit Mai 2014 ist er Absolvent des Masterstudiengangs Marketing Management (MBA) der Hochschule Hof.

Im Rahmen seiner Masterarbeit „Proximity Mobile Payment – Die Rolle mobiler Bezahlverfahren im stationären deutschen Einzelhandel sowie deren Erfolgsfaktoren und Potenziale aus Kunden- und Händlersicht“  beschäftigte er sich mit mobilen Bezahlformen im Einzelhandel.

 

 

*Definition Proximity Mobile Payment:

„Unter Proximity Mobile Payment werden Transaktionen im stationären Einzelhandel verstanden, bei denen Güter durch die Übermittlung von Zahlungsdaten mit einem mobilen Endgerät erworben werden. Mindestens der Zahlungspflichtige setzt dabei mobile elektronische Kommunikationstechniken für die Initiierung, Autorisierung und/oder Realisierung der Zahlung ein. Mobile Transaktionen im Internet werden hierbei nicht berücksichtigt.“

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