Vodafone App Store: Größer als Apple?

vodafone app store

Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit bis die ersten Netzwerkbetreiber sich aus ihrer iPhone-induzierten Starre befreien und selbst tätig werden würden. Der größte von allen (jedenfalls nach Umsatz), Vodafone, hat nun genau dies getan und seinen ganz eigenen App Store angekündigt.

Es ist der bisher größte: Vodafone hat mehr als 289 Mio. Kunden, die – irgendwann jedenfalls – alle Zugang haben werden (was die Zahl auf das etwa Achtfache des Pendants von Apple bringt). Anders als bei Apples App Store benötigen Kunden auch keine Kreditkarte (obwohl man eine solche wohl hat, wenn man sich ein iPhone leisten kann). Denn Vodafone als Betreiber mit eigenem Netzwerk wird seinen Kunden direkt über deren Handyrechnung Abrechnung erteilen. Ziemlich cool, was?

Man stelle sich die Durchschlagkraft vor, die entsteht, wenn man eine Applikation mit einem mal auf allen Vodafone-Netzen live stellen kann. Aber bevor wir uns hier davontragen lassen, schauen wir uns doch mal die Zahlen an:

Orange UK hat (in seinem kürzlich veröffentlichten „Digital Media Index“; s. hier bekannt gegeben, dass 4.87% seiner Nutzer im Jahr 2008 ein Spiel heruntergeladen haben (770,000 Downloads p.a./ 15,8 Mio. Kunden), allerdings ohne einen App Store, sondern mit einem eher traditionellen katalogisiertem Angebot.

Auf die Vodafone-Gruppe übertragen bedeutet dies etwa 38.500 Downloads am Tag (289 Mio. x 4.87% / 365). Wenn (bzw. sobald) dieses Angebot über Vodafones 27 lokale Netzwerke hinaus auch auf seine ca. 40 Netzwerkpartner erstreckt würde (das z.B. auch Verizon Wireless einschließt!), würde man auf mehr als 1 Mrd. Nutzer schauen und mithin über 100.000 Downloads pro Tag realisieren. Mit einem App Store sollte dies – theoretisch – erheblich zu steigern sein. Wenn man eine Verdoppelung der Downloads annähme, ergäben sich 200.000 Downloads am Tag.

Wie sieht das im Vergleich zu jedermanns Liebling/Nemesis (je nach Vorliebe streichen), dem iPhone aus? Ich hatte einmal ausgerechnet, dass auf Apples App Store ca. 4.000 Downloads pro Minute realisiert werden. Das entspricht 5,7 Mio. Downloads am Tag. Allerdings sind darin all die Applikationen enthalten, die umsonst zu haben sind (ca. 22% aller angebotenen Titel sind umsonst. Wenn man ein Verhältnis zwischen 1:40 (bezahlt/umsonst) und 1:15 ansetzt, käme man auf 144.000-380.000 bezahlter Downloads pro Tag. Vodafones 200.000 sehen da gar nicht so schlecht aus.

Und es gibt sogar noch mehr: Vodafones Entscheidung, die Abrechnung unmittelbar über die Handyrechnung des Nutzers abzuwickeln sorgt für eine Minimierung der Reibungsverluste (Apple: Kreditkarte/iTunes-Konto, Blackberry: Paypal, Nokia Ovi: eine Mischung u.s.w.). Der andere – und langfristig womöglich noch größere – Vorteil besteht in der Möglichkeit der geographischen Lokalisierung: Da Vodafone das Netzwerk betreibt, weiß es zu jeder Zeit, wo jeder „seiner“ Nutzer ist. Man muss nun also nur noch die Applikation mit dem entsprechenden Ort verbinden und könnte an ziemlich einzigartigen Dingen kratzen. Im Augenblick gibt es dazu noch wenig. Aber wenn Apple seine App Store-Kampagne zur Lebensverbesserung durch Applikationen im Juni 2008 gestartet hätte, hätte das auch noch ziemlich mau ausgesehen.

Das Potential ist jedenfalls riesig. Aber wo sind die Fallstricke?

Das sind, wenn ich es wagen darf, es zu erwähnen, die Punkte Nutzeroberfläche und Gerätevielfalt: Apple hat ein Gerät und eine Methode, Applikationen zu veröffentlichen. Es hat es außerdem geschafft, die Problematik des Auffindens zwar nicht perfekt, aber besser zu lösen als jeder andere bislang. Aufgabe gelöst.

Vodafone demgegenüber führt Hunderte von Geräten auf, die es zu unterstützen gilt. Darunter befinden sich „Porsches“ („zunächst erhältlich auf s60-Geräten“; oha…) ebenso wie „Bobby Cars“. Die Kosten für Entwickler, all diese Geräte zu unterstützen, sind erheblich, und dasselbe gilt wahrscheinlich auch für das Management des ganzen.

Am wichtigsten jedoch dürfte sein, dass die vorstehend beschriebene Fragmentierung die Einfachheit und damit Bedienungsfreundlichkeit quai aus dem System löscht. Diese ist einer der wichtigsten Beiträge zum Erfolg des Apple App Stores: Einfachheit vom Zugang (Applikationen in den App Store einstellen), über das Management (Preis, u.s.w.) bis hin zum Konsum (Download und Nutzung). Dieser Punkt ist für Vodafone systembedingt sehr schwierig zu bewältigen. Und an dieser Stelle sind Gerätehersteller in einer besseren Position, es richtig zu machen. Dass die Beziehung zwischen Herstellern und Netzwerkbetreibern nicht reibungslos ist, ist gerade kürzlich erst wieder eindrucksvoll dokumentiert worden. Insofern muss man wohl sagen, dass diese Schlacht noch nicht gewonnen ist.

Allerdings muss man sagen, dass Vodafone wegen seiner schieren Größe und Ausdehnung besser positioniert ist als die meisten Betreiber. Kleinere Netzwerkbetreiber könnten sich schwer damit tun, Anwendungsentwicklern entsprechende Anreize zu geben, ihre jeweiligen Angebote zu unterstützen, dass es ihnen an kritischer Masse fehlt

In Bezug auf Vodafone habe ich Sorge, dass die mehrstufigen Komplexitäten, die sich aus dem Verbund ergeben (Anzahl von Geräten x Zahl der lokalen Netze x Sprachen x sämtliche zusätzlichen Informationen [geographisch und andere]), zu einer so erheblichen Belastung führen könnten, sodass ein schneller und entschiedener Markteintritt behindert werden könnte. Der Vodafone App Store mag vielleicht nicht so mächtig und lebensverändernd sein wie Apples, aber er würde den „Mainstream“ der Applikationen-Welt auf eine völlig neue Stufe heben. Und da ich Optimist bin, will ich Vodafone applaudieren und sie weiter anfeuern!

Die englische Fassung befindet sich hier: http://volkersthoughts.blogspot.com/2009/05/vodafones-app-store-bigger-than-apple.html

Über den Autor: Volker Hirsch beschäftigt sich seit fast 10 Jahren mit digitalen und vor allem auch mobilen Inhalten – von Musik und Grafik hin zu Spielen und Anwendungen. Er hat den Sektor aus verschiedenen Warten begleitet: als für Unternehmensstrategien verantwortlicher Manager, externer Berater, Anwalt, Investor und Mentor. Volker bloggt in der Sprache seiner Wahlheimat England unter volkersthoughts.blogspot.com. Twittern tut Volker natürlich auch: @vhirsch

15 Kommentare

  1. Ich kann deiner Meinung nur anschliessen, weil die Produkte von Apple immer etwas besonders & sehr cool sind! Aussedem AppStore hat derzeit schon über 130 Tausend Apps & wächst noch sehr schnell.

  2. Also ich glaube dennoch nicht, dass jemand Apple einholen kann. Die sind allem meistens einen Schritt voraus!_________________________________________________________________

  3. Vodafone verkauft iPhone vom Werk aus frei an seine Premium Kunden über Drittanbieter. Und wenn der T-mobile Exklusivvertrag abläuft sind die Karten erstmal neu gemischt. Es wird spannend ;-)

  4. Also das mit Apple ist sicher richtig – die sind auf unbestimmte Zeit erstmal uneinholbar – aber ein gesunder Markt belebt das Geschäft!

  5. Haha, das ich nicht lache. Jetzt ist eine halbes Jahr vergangen, Apple hat sämtliche Rekorde mit dem AppStore gebrochen und Vodafone wollte mal größer sein als der AppStore ;) Sicher … die 20 totsicheren IPhone Killer Handys haben es ja auch nicht geschafft!

  6. Haha, das ich nicht lache. Jetzt ist eine halbes Jahr vergangen, Apple hat sämtliche Rekorde mit dem AppStore gebrochen und Vodafone wollte mal größer sein als der AppStore ;) Sicher … die 20 totsicheren IPhone Killer Handys haben es ja auch nicht geschafft!

  7. @Handy Fan: Der RIM-eigene Store, die „Blackberry App World“ ist in England bereits live und er funktioniert. Nicht ganz so elegant und glitzernd wie Apples und auch deutlich teurer (die Anbieter haben augenscheinlich die vermeintlich dicken Brieftaschen der Blackberry Geschaeftskunden im Auge), aber vorhanden (jedenfalls bald), und zwar betreiberunabhaengig. Du musst mithin „nur“ auf den Launch in Deutschland warten (ich konnte keine genauen Daten finden), nicht auf das Vodafone-Portal. Die App World-Anwendung gibt es hier: http://www.blackberry.com/appworld.

  8. Wird ja aber auch Zeit, dass es für das BB, vor allem das BB Storm ein Pendant zum Appstore gibt. Das mühsame Suchen nach BB Apps im Netz nervt schon ein wenig. Vor allem wenn man öfters im GSM Netz unterwegs ist.

    Ich, als BB User bin jedenfalls gespannt.

  9. @frank: na, das sagte ich doch, oder? Apple’s Erfolg auf einer „like-for-like“-Basis ist enorm und ich zweifele auch, dass das jemand (in naher Zukunft) wird schlagen koennen.

  10. @Ralf: dazu habe ich natuerlich auch was geschrieben ;-) http://volkersthoughts.blogspot.de/2009/05/qualcomm-slowly-admitting-defeat.html

    @Sascha: Jamba/Fox veroeffentlicht meines Wissens keine Zahlen. Der NCD (Nokia Content Discoverer) ist allerdings schon seit einiger Zeit im Rennen und Jamba war bzw. ist dort „Master Aggregator“. Soweit ich weiss, war NCD (oder Preminet wie es davor hiess) allerdings nie ein reissender Erfolg (sonst haette man wohl mehr darueber gelesen, oder?).

  11. Gibt es eigentlich auch Zahlen wie erfolgreich Jamba (bzw. FOX) auf den s60 Geräten ist? Schliesslich bieten diese seit einigen Monaten einen „Appstore“ an, der direkt in die s60 Firmware integriert ist. Die Bedienung ist denkbar einfach, dennoch denke ich nicht, dass viele diese Möglichkeit kennen oder gar nutzen. Wer nochmal schnell nachschauen möchte, bevor der OviStore kommt, einfach mal die „Download!“ Applikation auf seinem s60 Gerät aktualisieren und in den Kategorien schmökern. Diese ist nicht nur in Deutschland von Jamba übernommen worden, insofern dürften potentielle Kunden en Masse dasein.

  12. Passend dazu übrigens auch Qualcomm’s Ankündigung hier.

    Eine weiterführende Analyse sus Sicht der App Entwickler/Businesses habe ich zum Erscheinen der Ankündigung veröffentlicht, mit ziemlich interessanten Kommentaren.

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