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Studie zum Ende des Abendlandes: Kinder sind Smartphone-süchtig

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Kaum hatte ich gestern meine Rezension zum Buch von Alexander Markowetz „Digitaler Burnout – Warum unsere permanente Smartphone-Nutzung gefährlich ist“ geschrieben, ploppte die nächste Meldung dazu auf. Diese nun von der Universität Mannheim. Und es wundert nicht, dass die Medien sich wieder einmal überschlagen. Wir werden alle sterben!

Die richtigen Schlüsselwörter „Kinder, Sucht, Smartphone“ führen immer zu diesen reflexhaften Reaktionen in den Redaktionen, so dass einfach übernommen wird, was möglichst viele Klicks verspricht.

Einer der Wenigen, der nicht so aufgeregt reagiert ist Christian Stöcker (@ChrisStoecker), Leiter des Netzwelt-Ressorts bei SpOn: „Handy-Umgangsformen: Eltern, hört auf zu motzen!

„Insbesondere die Kommunikation mit Gleichaltrigen – durch Instant Messaging sowie Telefonieren – nimmt stark zu.“ Mit anderen Worten: Wenn diese Jugendlichen nach irgendetwas süchtig sind, dann danach, sich mit ihren Freunden zu unterhalten. Es gibt Schlimmeres.

„Für die Studie im Auftrag der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen haben die Forscher 500 Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 14 Jahren, aber auch Eltern befragt. Die Studie sei damit repräsentativ für die Handybesitzer dieser Altersgruppe,“ heißt es in der Meldung.

Schauen wir uns die Ergebnisse an:

48 Prozent gaben an, durch das Smartphone abgelenkt zu werden, zum Beispiel von den Hausaufgaben. Das ist ja hoch dramatisch und war noch nie da. Wir hatten früher dafür das schöne Wetter, Telefon, Musik, Fernsehen und etwas später dann Computer.

43 Prozent gaben an, „unüberlegt persönliche Daten preiszugeben“. Nein! Wie schlimm! Die armen Jugendlichen! Das würde uns Erwachsenen ja niemals passieren.

Über 25 Prozent gaben an, schon einmal Nachrichten von Fremden erhalten zu haben. Auch das ist zunächst mal kein Drama, bewegen sich doch die meisten im Internet im öffentlichen Raum. Und dort wird man eben auch mal von fremden Menschen angesprochen. Passiert mir übrigens im „Real Life“ auch öfter mal. Entscheidend ist, was für eine Ansprache das war, wie die Jugendlichen darauf vorbereitet waren und dann damit umgegangen sind. Das steht aber nicht in den Meldungen und es bleibt Raum für viel Spekulation und Angst machende Bilder in den Köpfen der LeserInnen.

24 Prozent fühlen sich durch die permanente Kommunikation über Messenger wie WhatsApp gestresst. Wie wurde „Stress“ definiert? Was genau empfinden die Befragten daran als „stressig“? Wie gehen sie dann damit um, wenn sie sich gestresst fühlen?

21 Prozent sind schon einmal auf nicht-jugendfreien Seiten gelandet. War das freiwillig oder unfreiwillig? Das bleibt offen.

20 Prozent geben zu, schulische Probleme durch die starke Handy-Nutzung zu haben. Aha. Was für Probleme sind das? Ärger mit Lehrern, weil das Smartphone nicht weggelegt wird? Mitschüler hänseln, weil man dauernd auf den Screen schaut?

19 Prozent haben schon einmal Gewalt-Videos mit entwürdigenden Darstellungen auf das Smartphone bekommen. Wie sind die Jugendlichen damit umgegangen? Welche Wirkung hatte es auf sie?

15 Prozent bedauern, dass die echten Kontakte zu Freunden zu kurz kommen. Das ist doch gut oder nicht? Eine gute Grundlage, um sein Verhalten zu ändern.

11 Prozent sind bereits Opfer digitalen Mobbings oder von Ausgrenzung aus WhatsApp-Gruppen geworden. Das ist nicht schön und sehr bedauerlich. Aber neu oder durch Smartphones hervor gerufen ist das auch nicht. Getriezt und gehänselt wurde auch früher schon, ausgeschlossen aus bestimmten Gruppen ebenfalls. Die Gefahr heute besteht in der breiten Öffentlichkeit, die es durch digitale Medien bekommen kann. Aber wie schon oben angedeutet, geht es hier um Medienkompetenz und nicht um mobile Endgeräte.

Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Ich will die tatsächlich existierenden Probleme, die mit der Digitalisierung (und ausdrücklich nicht (nur) den Smartphones) auftreten, nicht klein reden. In sehr kurzer Zeit – das iPhone kam 2007 auf den Markt – hat sich unser Umgang mit Medien, Internet und dadurch auch mit unseren Mitmenschen verändert. Und diese Veränderungen werden noch weiter gehen. Wir stehen hier erst am Anfang.

Doch diese Form der „Maschinenstürmerei“ und Panikmache bringt uns nicht weiter. Das Verteufeln von Geräten oder Diensten nützt nichts. Sie werden davon nicht verschwinden. Wir müssen uns damit ruhig und möglichst unaufgeregt auseinander setzen und Wege finden, wie wir die Chancen nutzen und die Risiken minimieren können. Und nein, früher war nicht alles besser!

Von einer „Smartphone-Sucht“ zu sprechen, die uns alle zu Zombies macht, deren Existenz aber von Experten stark angezweifelt wird, ist nicht zielführend. Die zurecht beanstandeten Unhöflichkeiten, wie ein Gespräch ganz nochchalant zu unterbrechen, indem man auf sein Smartphone schaut, hat etwas mit guter Kinderstube und nicht mit Kleincomputern zu tun. Wir haften für unsere Mitmenschen und Eltern für ihre Kinder.

Wenn es stört, sagen! Den Kindern und Mitmenschen ein Vorbild sein. Ein sehr schöner Artikel dazu erschien heute bei FastCompany: How to teach your kids about screens when screens are your job.

Und die Autoren der Studie schreiben selbst, dass „insbesondere das Vorbildverhalten der Eltern und ihre Beziehungsqualität zum Kind Einfluss auf den Umgang mit dem Handy“ hat.

In diesem Sinne, bitte keine Heilslehren von „Digital Detox“ und „Smartphone-Diäten“ oder so hilfreichen Ausführungen wie „also ich brauche ja gar kein Smartphone“. Lasst uns darüber sprechen, wie unsere Gesellschaft und unser Umgang mit einander und den uns umgebenden Technologien so gestaltet werden kann, dass möglichst alle davon profitieren können. Es sind spannende Zeiten mit großen Veränderungen!

Beitragsbild: Shutterstock

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