Selbstversuch: Wieder ohne Lesebrille mit Glasses Off?

Glasses Off

Ich hatte in meinem bisherigen Leben das Glück, keine Brille tragen zu müssen. Zwar ist ein Auge kurz-, das andere weitsichtig, aber irgendwie glichen die beiden sich aus. Augenärzte und Optiker sagten mir unisono „wenn es für Sie okay ist, dann verzichten Sie auf die Brille. Sie können sehr gut sehen.“

Nun wird frau nicht jünger und es kam auch bei mir das, was vielen nicht erspart wird: Altersweitsichtigkeit. Es begann damit, dass ich dieses fieselige Kleingedruckte auf Lebensmittelverpackungen und Drogerieartikeln nicht mehr lesen konnte. Zunächst half ich mir mit einem beleuchteten Vergrößerungsglas auf dem Smartphone (Lupe + Licht (Magnifier)). Doch geschmeidig ist die Nutzung nicht wirklich. Immer das Telefon suchen, anschalten, App starten…

Lesebrillen everywhere

Es folgte Stufe 2. Ich schaffte günstige Lesebrillen an und verteilte sie überall in Büro und Wohnung. So hatte ich immer eine in Reichweite. Funktioniert so einigermaßen. Aber immer wieder passiert es, dass ich die Brille dann doch im Restaurant nicht mit habe und bei schlechtem Licht verzweifelt versuche zu erkennen, was ich denn essen möchte. Die Nutzung meiner Flashlight-App in dieser Situation führt häufig erst zu bösen Blicken bei den anderen Gästen, dann grinsen die älteren von ihnen. Den Jüngeren ist es entweder eh egal oder sie gucken weiter böse, was mir wiederum egal ist.

Alles in allem ist die Situation unbefriedigend. Und so kam mir ein Artikel sehr recht, den ich über Glasses Off gelesen habe.

Wenn die Arme zu kurz werden

Glasses Off ist ein mehr-wöchiges Trainingsprogramm für das Gehirn. Warum das Gehirn und nicht die Augen?

Die Altersweit- oder auch Alterssichtigkeit (Presbyopie) ist der altersbedingte Verlust der Nahanpassungsfähigkeit des Auges mittels Akkomodation. Beim Sehen betrachten wir entfernte und nahe Objekte unterschiedlich. Bei der Fernsicht sind unsere Augenlinsen entspannt und die Blickrichtung parallel. Schauen wir auf etwas in der Nähe, so krümmen sich die Augenlinsen (Akkomodation) und die Blickrichtung bewegt sich von der Parallelstellung nach innen (Konvergenz). Diese beiden Vorgänge sind reflexartig mit einander verbunden.

Im Alter verliert der Linsenkern seine Elastizität und der maximale Nahpunkt, an dem wir Dinge noch scharf erkennen können, wandert immer weiter in die Ferne. Bis die Arme irgendwann zu kurz sind, um noch etwas lesen zu können. Hier kann mit einer Lesebrille korrigierend eingegriffen werden.

Training für das Gehirn

Am Sehvorgang ist aber nicht nur das Auge sondern auch das Gehirn beteiligt. Und hier setzt Glasses Off an. Das Auge übermittelt die Signale an den visuellen Kortex, auch Sehrinde genannt, des Gehirns. Hier werden die Informationen verarbeitet und wir können sehen. Glasses Off trainiert den visuellen Kortex, damit er die altersbedingten Defizite ausgleicht.

Training bedeutet, dass man selbst etwas tun muss. Es beginnt natürlich mit dem Download der App (Android, iOS). Die erste Woche mit der App ist kostenfrei. Dann werden 9,99 Euro für einen Monat oder 24,99 Euro für drei Monate fällig. Die Macher der App versprechen einen spürbaren Erfolg nach einem Training von drei Monaten. Danach gibt es die App zur Aufrechterhaltung des Trainingserfolgs für 59,99 pro Jahr. Nicht ganz billig, aber Lesebrillen, die man ja sehr gern auch verliert, gehen auch irgendwann ins Geld.

Und wenn die Apps das halten, was sie versprechen, fällt auch noch das Gefummel mit den Brillen weg. Zumindest, so die Anbieter, für das Lesen zwischendurch und nicht im Dunkeln. Für längeres Schmökern sollte man doch besser wieder eine Brille aufsetzen.

Erstmal zum Sehtest – inApp

Hat man die App installiert, geht es erst einmal zum Sehtest, bei dem fest gestellt wird, wie gut man noch sehen kann und nach Eingabe einiger weniger persönlicher Daten (Geschlecht, Alter) erhält man das Ergebnis, ob man für die App geeignet ist. Bei mir hieß es, ich wäre perfekt, um mit Glasses Off Erfolge erzielen zu können.

Ich habe die App jetzt eine Woche genutzt und die ersten Trainings absolviert. Es ist nicht schwer, aber auch nicht übermäßig unterhaltsam. Training halt. Macht eben nicht immer nur Spaß. Alle Übungen werden in kurzen Tutorials (englisch) sehr gut erklärt, so dass man gleich in die Übungen starten kann.

Gabor

Der Trainingsplan beginnt mit dem „Geschwindigkeitstraining“. Hierbei soll die Auge-Hand-Koordination verbessert werden. Man muss mit Ja und Nein reagieren, ob man „Gabor“ (ein Streifenmuster) gesehen hat und trainiert so sein Gehirn, was „Perceptual Learning“ genannt wird. Die Übungen kommen in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen, wobei es nicht schlimm ist, ob man mal falsch liegt oder auch rät. Ich konnte in der einen Woche schon einen Geschwindigkeitszuwachs von 14 Prozent bei mir beobachten, bei gleich bleibender Antwortqualität.

Man erhält noch weitere statistische Daten, z.B. die kleinste Textgröße, bei der man noch gut lesen kann. Diese wurde bei mir anfangs mit 6.3pt festgestellt und hat sich bisher noch nicht verändert. Laut App ist die Standard-Textgröße in der New York Times 8.0pt und auf digitalen Geräten 2.1pt. Diese beiden Vergleichswerte finden auch bei einem weiteren Messpunkt, der kleinsten Schriftgröße, Anwendung. Hier komme ich auf 5.0pt und auch hier gab es in der ersten Woche keine Veränderung.

Das Training sollte mindestens drei Mal pro Woche und immer ausgeruht und bei gedämpftem oder nicht zu grellem Licht absolviert werden, natürlich ohne die eigene Lesebrille. Auch empfehlen die Macher, die Lesebrille während der ersten drei Monate möglichst wenig zu tragen.

Noch kann ich nicht sagen, ob das Training wirklich wirkt. Dafür ist der Zeitraum zu kurz. Die zwei Prozent Verbesserung meiner „Reading Performance“ nehme ich erst einmal nicht allzu ernst. Ich werde aber fleissig weiter trainieren und über den Fortschritt berichten.

Anmerkung: Ich habe von Glasses Off eine Jahreslizenz erhalten.

Über Heike Scholz 429 Artikel
Nach über zehn Jahren als Strategieberaterin für internationale Unternehmen gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mobile zeitgeist und machte es zum führenden Online-Magazin über das Mobile Business im deutschsprachigen Raum. Heute ist sie ein anerkannter und geschätzter Speaker und gehört zu den Köpfen der deutschen Internet-Szene. Weiterhin ist sie Beiratsmitglied für die Studiengänge Angewandte Informatik und Mobile Computing an der Hoschschule Worms. Als Co-Founder von ZUKUNFT DES EINKAUFENS, begleitet sie die Digitale Transformation im stationären Einzelhandel. Sie berät und trainiert Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und fördert mit ihrem Engagement die Entwicklung verschiedener Branchen und Märkte.

1 Kommentar

  1. Ich habe auch vor kurzem einen Sehtest gemacht. Der letzte lag wohl schon mehrere Jahre zurück und siehe da; eine Brille scheint praktisch nicht mehr nötig zu sein. Ich war ziemlich überrascht davon, dass sich meine Augen anscheinend erholt haben. Vielen Dank fürs Teilen Ihrer Erfahrungen!

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