Praxistest: Instore Navigation entlang dem Einkaufszettel bei Carrefour

Carrefour Mobile

Der nächste Einkauf ist fällig. Es gilt sich durch 11.300 m2 mit 100 Gängen und über 55.000 Produkte auf zwei Etagen zu kämpfen. Wie soll ich da als Kunde meine gewünschten Produkte auf die Schnelle finden? Durch meinen Kopf schwirren Hypermarkt-Alpträume, verloren zwischen endlosen Regalen, hoffnungslos auf der Suche nach dem letzten fehlenden Produkt, ohne irgendeinen hilfebringenden Verkäufer weit und breit in Sicht. Zu oft habe ich es schon erlebt.

Aber es geht auch anders: bei Carrefour in Villeneuve-la-Garenne, einem Vorort von Paris. Dort hat vor zwei Monaten ein neues Einkaufszentrum inklusive Hypermarkt eröffnet. Zum nagelneuem Store gibt es eine nagelneue App dazu, die als Einkaufshelfer dienen möchte.

Die Shopping Vorbereitung

Ich lade mir also die „C-Oú“-App (bedeutet zu deutsch „wo ist es“) auf mein Smartphone. Dort kann ich die Angebote der Woche studieren und auf meinen Einkaufszettel setzen. Auch scanne ich alle Produkte in meiner Küche, die nachgekauft werden müssen (mithilfe des Strichcode-Scanners in der App). Dabei ist auch eine Packung Reis. Was könnte man damit eigentlich mal wieder Neues kochen? Ich klicke auf die Rezeptvorschläge für mein Reis-Produkt und finde mein Glück. Die fehlenden Zutaten klicke ich auch gleich auf meinen Einkaufszettel.

Der Shopping Trip mit Navi-Begleiter

Am nächsten Tag fahre im am neuen Carrefour vorbei, die App verlinkt direkt mit Google Maps und ich finde den Weg sofort. Der Laden ist riesig, genauso wie mein Einkaufswagen, den ich mit einem kräftigen Schwung anschieben muss. Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Also verbinde ich mich schnell (und übrigens ohne irgendwelche Probleme + kostenlos) mit dem Instore-WIFI von Carrefour. Dann rufe ich meine Einkaufsliste auf und lasse mir diese in ihrer optimierten Weg-Reihenfolge anzeigen. Irgendwie versteht die App sogar in welche Richtung ich gucke und zeigt mir den Weg durch die Gänge, um zu meinem nächsten Produkt zu kommen. Auch gibt mir die Indoor-Karte einen guten Überblick der aktuellen Etage mitsamt seiner Sortimente.

Jetzt wird es kompliziert. Ich muss den riesen Einkaufswagen steuern, dafür brauche ich beide Hände. Gleichzeitig will ich aber mein Handy anschauen, um den Weg zu finden. Also versuche ich den Wagen mit einer Hand und einem Ellenboden zu steuern. Angekommen bei meinem Produkt, einem Sechserpack große Wasserflaschen, brauche ich wieder beide Hände. Wo lege ich jetzt mein Handy hin, um das Wasser in den Wagen zu heben? Man hört immer wieder von Diebstählen, aber wenn ich es in die Tasche stecke, sperrt es sich. Hhm.

Weiter geht’s. Ich finde auch die merkwürdigsten Produkte. Die wieder aufladbaren Batterien hätte ich sonst nie entdeckt. Und Verkäufer sind rar gesät, aber die wissen oft eh nicht mehr als man selber.

Ab zur Kasse und mobil bezahlen

Auf dem Weg  zur Kasse entdecke ich ein Kosmetikprodukt, das mein Interesse weckt. Um mehr über den Badezusatz zu erfahren, halte ich mein Handy an das Preisetikett. Per NFC erkennt die C-Où-App das Produkt und sollte mir Zusatzinformationen wie Inhaltsstoffe anzeigen. Tut sie aber nicht (hat wohl noch keiner die Datenbank befüllt). Ich könnte das Produkt via App „liken“, will ich aber nicht.

An der Kasse kann man zwar mobil bezahlen (wenn man denn eine NFC-fähige Mobile Payment Lösung besitzt), aber nicht mehr mithilfe der App. Ich zahle dieses Mal kontaktlos per Sticker, das funktioniert ohne irgendwelche Probleme sehr reibungslos.

FAZIT: die Stärken und die Schwächen

Insgesamt war ich positiv beeindruckt von meiner Kundenerfahrung. Als erstes einmal: Es hat funktioniert!! So mancher Praxistest hat mich schon anderes gelehrt (übrigens auch bei Carrefour): ein gutes Konzept wird durch eine halbherzige Umsetzung quasi nutzlos und entwickelt sich zum Flop. Wen wundert’s ;-)

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    Die Einkaufsliste wird entsprechend dem optimalen Weg sortiert, das ist praktisch. Macht so mancher ja bisher manuell beim aufschreiben der Produkte in unterschiedliche Ecken eines Zettels. So wundert es auch nicht, dass die Einkaufsliste nach 2 Monaten in der Praxis die meistgenutzte Funktion in der App ist. Ganz nebenbei kann die App übrigens auch die Wege der Kunden durch den Laden erfassen, eine wichtige Datenbasis zur Analyse für Carrefour.
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    Auch kann man die Liste immer wieder verwenden und einfach nur anpassen von einer Woche zur nächsten.
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    Die App kann den Standort eines Produktes anzeigen. Denn selbst in seinem üblichen Supermarkt in der Nachbarschaft kommt es manchmal vor, dass man verzweifelt nach Schattenmorellen sucht (weil man vielleicht gar nicht weiß, was das ist?).
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    Die neue App wird im Store kommuniziert: von großflächigen Postern bis zum Hinweis auf dem Kassendisplay wir die App promoted. Nicht nur dass die Kunden darauf aufmerksam werden, auch die Angestellten setzten sich damit auseinander und sind nicht überrascht. Gibt ja auch keinen Grund zum Verstecken.

 

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    Die größte Herausforderung war das gleichzeitige Schieben des Einkaufswagens beim Halten des Handys. Da fehlte einfach eine Hand. Man kann den Kleinkindsitz des Wagens als Ablage benutzen, aber das Risiko von Diebstahl und Herunterfallen ist hoch.
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    Es fehlt die Cloud-Fähigkeit der Einkaufsliste. Erstens kann man z. B. am Schreibtisch nicht kurzerhand per Laptop einen Artikel hinzufügen. Und wenn mehrere Personen einen Einkaufszettel befüllen, dann muss immer das Handy des tatsächlichen Einkäufers her (Handy nehmen, entsperren, App öffnen, Produkt scannen oder tippen – hier lässt sich die Einfachheit der Nutzung sicher noch optimieren. Zu denken wäre hier an DASH, den neuen Einkaufs-Zauberstab von amazon.)

In diesem Praxistest steht die App C-Où mit ihren Funktionalitäten im Vordergrund. Aber ebenso zu erwähnen sind die zahlreichen anderen digitalen Formate in dem neuen „connected supermarket“ u. a. :

  • Digitale Anzeigetafeln und Poster
  • Interaktive Kiosksysteme für Fragen, Rezepte, Weinauswahl, usw.
  • Eine Shopping Wall für nicht im Store verfügbare Geräte wie Kühlschranke oder Waschmaschinen
  • Ein „Mobile Mirror“ mit Augmented Reality, der die Anprobe von Kleidung ersetzen soll
  • Aushilfsbatterien zum Notladen von Smartphones

Bei Carrefour in Villeneuve-la-Garenne geht es somit nicht nur um eine Instore Navigation entlang dem Einkaufszettel. Es geht vielmehr um die Digitalisierung eines stationären Geschäfts, um den mobil-digitalen Konsumenten zu zeigen: „wir kommunizieren und interagieren auf den selben Kanälen wie Du!“. Die Hilfsmittel, Geräte und Suchwerkzeuge aus dem Alltag des mobil-digitalen Konsumenten halten Einzug in den Supermarkt. Der Kunde muss nicht aus seiner inzwischen alltäglichen digitalen Welt in eine alte Welt zurückkehren, wenn er einkaufen geht. Man kann es auch einen überfälligen Schritt in die Zukunft des OmniCommerce nennen.

Über Maike Strudthoff 95 Artikel
Maike Strudthoff unterstützt Unternehmen Innovation neu zu denken, schneller zu agieren und sich konsequent auf den Nutzer-Kunden auszurichten. Ihr Schwerpunkt liegt auf digitalen Services sowie Commerce & Payment 4.0. Sie unterstützt seit über 8 Jahren Unternehmen in Europa, die Zukunft der Digitalisierung zu antizipieren und für sich zu gestalten – nahe am Kunden und mit schlanken Methoden (Design Thinking, Co-Creation, Lean Principles, …). Als Gründerin des JumpNext Netzwerks verbindet Maike Strudthoff Menschen mit unterschiedlichsten Perspektiven, um Inspiration für Neues entstehen zu lassen. Sie beobachtet und analysiert Innovationen und disruptive Unternehmen rund um die Welt. Sie trägt die Erkenntnisse in Workshops und Keynote Vorträgen weiter. Regelmäßig veröffentlicht sie Beiträge über Mobile Payment in Online und Offline Medien sowie Buchbeiträgen. Digitale Innovation ist nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre persönliche Leidenschaft. Zuvor hat Maike Strudthoff 12 Jahre für eine führende Unternehmensberatung, in einer internationalen Bankgruppe sowie in einem Startup in London gearbeitet. Mehr über Maike auf XING, ihrer Website oder per Mail

4 Kommentare

  1. Hallo Frau Strudthoff,
    vielen Dank für den interessanten Beitrag.
    Carrefour scheint bereits dort angekommen zu sein, wo viele deutsche Unternehmen erst noch hinwollen.
    Wie sieht es mit der Indoor-Navigation aus? Wissen Sie, mit welcher Technologie (W-LAN, iBeacon, …) diese realisiert wurde? Im Netz habe ich dazu keine Informationen gefunden.

    • Hallo Herr Schulna,

      es ist eine Kombination aus BLE und WIFI. Präferiert nutzt die App BLE und kann mit den rund 200 installierten Beacons den Kunden bis auf 2m präzise lokalisieren. Als Fallback wird WIFI genutzt für Smartphones, die mit den Beacons nicht kompatibel sind bzw. Bluetooth ausgeschaltet haben.

  2. Hallo Bruno,

    ich hatte eine Kasse mit Personal gewählt, ich war zu einem Tageszeitpunkt da, wo es keine Schlangen gab.

    Insgesamt sind Shelf-Check-Outs in F sehr verbreitet und funktionieren auch sehr gut zu Stoßzeiten. Man sieht des öfteren auch Menschen, die den Shelf-Check-Out bevorzugen, obwohl die Schlange bei der Kassiererin kürzer ist!! Da die Franzosen ständig und alles per Karte bezahlen, haben sie gelernt, allein zu zahlen.

    In manchen Hypermarkets gibt es auch Selfscan, dann muss man die Ware nicht wieder aus dem Einkaufwagen auf das Kassenband legen und zahlt dann auch allein. Das habe ich auch schon öfter probiert, da muss ich immer wahnsinnig aufpassen, keinen Artikel zu vergessen (man scannt ja direkt, wenn man den Artikel in den Einkaufskorb legt).

  3. Hallo Maike

    ein anschaulicher Praxisbericht über die Vorteile von Mobile Shopping im Store. Carrefour hat ja umfangreiche Erfahrung auf dem Gebiet. Deutsche Händler sind auf dem Gebiet ja BEDAUERLICHERWEISE zurückhaltend.
    Unklar ist, wie der Check-Out verlief. Musstest du dich an einem POS „anstellen“ oder gabe es da andere Optionen für Mobile Shopper ( Carrefour kennt/hat auch Self-Payment Lösungen).

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