Not From Cupertino – Warum Apple kein NFC ins iPhone packt

NFC ecosystem
Funktioniert nicht ohne Zusammenarbeit: Das NFC Payment Ecosystem

Bezahlen ist nicht kompliziert. Bargeld oder Karte, Unterschrift oder Chip und PIN, fertig. NFC macht’s noch einfacher: Mit dem Smartphone winken, piep, fertig – theoretisch. Warum also steigt Apple nicht ein, sondern ignoriert es? Weil NFC nicht von Apple ist? Weil alle darauf warten und es sofort auch machen würden?  Weil es für Apple keinen einzigen Vorteil hätte, aber eine Reihe von Nachteilen mit sich brächte? Ja, genau deswegen.

NFC Bezahlung kann nur funktionieren, wenn es als eigenständiges Ecosystem, verzahnt mit der existierenden Payment Infrastruktur etabliert wird. Dazu braucht es Zusammenarbeit über Branchengrenzen hinaus. Seit mehr als einem Duzend Jahren versuchen Industrie, Handel und Verbände NFC als Standard zwischen Handy und Point of Sales (POS) zu positionieren – ohne Erfolg.

Seit der von Apple angezettelten Smartphone Revolution werden die fehlenden Erfolge von NFC durch Visionen ersetzt, wie diese: Ein einfaches und sicheres Bezahlverfahren, das im Internet funktioniert und auch an der Kasse. Mit nur einem „Click“ oder „Piep“.

Vollständig digital und ins Smartphone integriert, immer und überall griffbereit in der Tasche des zahlungskräftigen Kunden. Das ergäbe ein ungeheuerliches Potential zur Kundengewinnung, -betreuung und -bindung. Dieser Idee ist es zu verdanken, dass sich bislang kaum jemand von NFC abgewandt hat. Die Frustration über Apple’s eigenen Weg ist jetzt aber deutlich spürbar.

E-Commerce

Vorbildlich: Amazon „one-click-checkout“

Im Gegensatz zu NFC florieren die digitalen Marktplätze im Internet. Sie sind Dank 1-Click-Checkout sehr kundenfreundlich. Der Kunde wird, sofern er sich bei einem Händler vollständig registriert, bei seiner Kaufentscheidung nicht mehr mit technischen Prozeduren aufgehalten. Bezahlen geht da quasi von selbst, beinahe unbemerkt. Das funktioniert bei Ebay, Amazon, Apple oder Otto; überall, wo sich der Kunde als Stammkunde registriert.

Das Ganze hat nur einen Mangel: Es funktioniert nur händlerspezifisch. Ich kann also bspw. mit meinem Apple Account nur bei Apple einkaufen, nicht bei Amazon.

 

M-Commerce

Noch weit weg vom one click checkout: O2 Wallet

Im Gegensatz dazu funktionieren die elektronischen Wallets theoretisch bei allen Akzeptanzstellen. Allerdings muss im Internet zur Autorisierung jeder Bezahlung die Website des Händlers mit der Website des Bezahlsystems kommunizieren. Und der Kunde muss zusätzlich jede Bezahlung bei seinem Anbieter noch einmal bestätigen. Das ist technisch so kompliziert, dass die aktuellen Wallets gerade dort nicht gut funktionieren, wo sie eigentlich ihre Stärke haben sollten: beim Bezahlen.

Diese User experience ist meilenweit weg vom 1-Click-Checkout, der doch sowohl im stationären und mobilen Internet das erklärte Ziel ist, als auch – mit NFC – beim Handel an der Kasse.  In diesem Zusammenhang finde ich folgende Beobachtung bemerkenswert:

Stationärer Handel

Bezahlen wie immer. Apple Flagship Store

Möchte ich in einem Apple Geschäft ein Apple Produkt kaufen und mit meinem Apple Account mit einem Klick bezahlen, geht das nicht. Selbst im Apple Flagship Store muss ich, um mein zugegebenermaßen wunderbares Kauferlebnis abzuschließen, doch wieder meine Kreditkarte in ein Lesegerät stecken. Das ist übrigens nicht von Apple.

Während ich die Bezahlung mit der PIN bestätige fragt mich der nette Verkäufer noch nach meiner Email-Adresse und ob ich einen Apple Account habe. „Klar“ sage ich, und lasse mir die Rechnung an meine Googlemailadresse senden.

Der Vision von einem einzigen, sicheren, personalisierten und digitalisierten Bezahlverfahren, das bei allen Händlern offline und online funktioniert, steht noch Vieles entgegen. In beiden Welten sind die Bezahlverfahren über Jahre gewachsen und haben sehr spezielle Strukturen geschaffen. Dabei spielt die Frage, ob der Kunde und seine Karte physisch anwesend sind (-> proximity) oder nicht (-> remote) eine entscheidende Rolle.

Viel entscheidender aber ist, dass es weder online, noch offline relevante Probleme beim Bezahlen gibt. Es funktioniert im Großen und Ganzen gut.

Für starke Händler wie Apple ist Bezahlen gar kein Problem. Wozu also eine Lösung NFC, die für alle überall nutzbar wäre, nicht nur für Apple Kunden. 1-Click Checkout ist kein USP! 470 Millionen Apple Accounts mit One Click Purchase Option sind ein USP! Auch die Millionen von IKEA Bezahlkarten sind ein USP! NFC hat kein USP, sondern ein CSP, eine Common Selling Proposition.

Ich glaube, dass Thema Mobile Payment wird erst in Fahrt kommen, wenn ein offline und online erfolgreicher Händler ein Bezahlsystem vorstellt, dass für seine Kunden (und nur für diese) in gleicher Weise offline und online funktioniert. Apple könnte ein solches System ohne große Schwierigkeiten einführen, und es wäre unerheblich, ob QR Code oder NFC genutzt würde, und ob die Bezahlung mittels proximity oder remote Netze prozessiert würde.

Apple würde ein solches System wahrscheinlich zur Differenzierung im Wettbewerb nutzen und in einer Version 2.0 Dritten als Service anbieten. (Bemerkung des Autors: Wäre das nicht das Google Wallet ohne Suchfunktion? Oder Squarebucks?)

Passbook habe aus Sicht von Apple alles, was der Apple Kunde heute braucht, sagt Apple. Bezahlen gehört momentan nicht dazu, und damit ist eigentlich alles gesagt.

Über Klaus Jansen-Knor 1 Artikel
Klaus Jansen-Knor beschäftigt sich beruflich seit 2003 mit Mobile Commerce. Der studierte Sportlehrer, Politologe und Historiker hat fast 20 Jahre ITK Vertrieb hinter sich und ist heute als freiberuflicher Berater ein gefragter Gesprächspartner und Redner zu den Themen Mobile Services und Payment. Mehr über Klaus auf XING.

14 Kommentare

  1. Das ist soweit richtig erklärt, aber im Grunde zu kurzsichtig betrachtet. NFC ist doch nicht allein zum Bezahlen da, sondern das Bezahlen ist nur ein kleiner Teil eines gesamten Touch-Szenarios. Ein Auto starten, Zutrittskontrolle, Wecker stellen, automatisierte SMS versenden….und natürlich diese unpraktischen QR-Codes ablösen. Wenn Apple noch glaubt, dass man das nicht braucht, wird der Kunde das schon entsprechend honorieren. 

    • Danke Frank. Das wäre in der Tat kurzsichtig. NFC wirkt uninteressant, weil es allzu oft auf Mobile Payment reduziert wird. Auto starten und Wecker stellen lass ich mal außen vor, aber ich finde, dass Zutrittskontrolle der optimale Use Case für NFC ist. Da werden die Vorteile sehr deutlich.  Anders als bsw. bei Passbook kann ein NFC Mobile Ticket nicht nur sicher aufbewahrt werden (im Secure Element), sondern es kann auch durch die Gegenstelle entwertet werden. Beide können offline sein. Genau das ist der wesentliche Schwachpunkt von Barcode Tickets, deren sichere Entwertung einen closed-loop braucht. 
      Was ich deutlich machen wollte, was Apple mit seiner Entscheidung deutlich gemacht hat, ist, dass Payment alleine kein ausreichend guter Case für NFC ist.

  2. Die Einschätzung des Autors teile ich nur sehr bedingt. 
    Zahlreiche namhafte Player im Bereich m-Commerce und m-Payment hatten auf Apple gesetzt und setzen nach wie vor auf NFC. 
    Apple wird sich höchstwahrscheinlich aus patentrechtlichen Gründen zurückhalten (müssen) und lässt sich damit die Rolle als Motor entgehen. Der Handel, Giesecke-Devrient, MasterCard, die Mobilnetzbetreiber, etc werden ihren Weg auch ohne Apple gehen, gerne dann zusammen mit Nokia, Samsung, Google, Microsoft.

  3. Guter Artikel Klaus! Der fehlende Push fuer NFC ist auch einer der Gruende warum Mobile Couponing ein so schwierig zu skalierendes Thema ist.

    Kleine Ergaenzung allerdings zum Checkout im Apple Store. In den USA kannst du in jedem Apple Store ueber deinen iTunes account mit dieser App bezahlen: http://itunes.apple.com/us/app/apple-store/id375380948?mt=8

    Und Starbucks hat ebenfalls die Zahlung deiner Bestellung vom POS in die App geholt: http://itunes.apple.com/us/app/starbucks/id331177714?mt=8

    Beste Gruesse aus Singapur
    Christian

    • Ales richtig, Christian. Hinsichtlich der Zahlung aus der europäischen Perspektive: Die Zahlung am POS bsw. mit iTunes wäre eine eCommerce Zahlung. Das widerspricht dem EMVCo Regelwerk ganz grundsätzlich. Die Face to Face Situation erfordert zwingend Chip&PIN oder  NFC. Gegenüber den Kreditkartenunternehmen sind die alternativen Systeme (PayPal / Skrill etc.) am POS im Vorteil, wenn es darum geht, die existierende Infrastruktur zu umgehen. Noch besser sind da Square, iZettle und Payleven aufgestellt.

  4. NFC beschränkt sich ja nicht aufs Bezahlen, ich finde es ein wenig kurzsichtig, die Diskussion nur unter diesem Aspekt zu führen. NFC dient auch zum einfachen Koppeln von Geräten, zum Lesen von Tags, zur einfachen lokalen Übertragung von Daten, usw.

  5. Ich kann meinen Amazon Account zum Bezahlen bei anderen Händlern schon heute nutzen. Stichwort Amazon payments / Bezahlen über Amazon. Händlerakzeptanz in DE bisher niedrig.

    Andere Regionen sind beim m-payment schon weiter, weil sie kaum andere etablierte Bezahlverfahren haben (z.B. mpesa in Afrika).

    • Ja, Amazon leads the way von händlerspezifischen zu kundenzentrischen Bezahlverfahren. Wird spannend sein zu sehen, ob und wie sich das beim POS payment durchsetzen kann. Da, wo die existierende Infrastruktur nicht „im Weg steht“, weil es so gut wie keine gibt, können sich Alternativen viel besser und schneller durchsetzen. 

  6. Bei deinem ECommerce Beispielen fehlt mir PayPal – die haben es über merchants hinweg geschafft ein One Click Payment zu schaffen. Und dieses sogenannte Payment in the cloud werden wir auch bald am POS haben. Ob dabei nfc zur Übertragung genutzt wird, oder wie bei der us wallet levelup der qr Code, ist mir dabei egal.

    • André, nach meinem Verständnis bedeutet „payment in the cloud“, dass die Daten nicht auf dem Smartphone, sondern eben „in the cloud“ gespeichert sind. Warum muss dann überhaupt eine Interaktion am POS sein? Zum Checkout brauche ich doch nur die Bezahlbestätigung – die Quittung oder, wenn Du so willst: das Ticket. Das macht Passbook so spannend.

    • Hi Björn. Ist spannend und geht, soweit ich weiß, nur in den USA. Allerdings ist das genau genommen eine hybride Anwendung aus E-Commerce (Shop, Basket, Payment), Mobile (Barcode scan) und Retail (Pick-up im Store) 
      „Personal Pickup lets you choose and pay for an item and then head over to the Apple Store to collect it.“ 
      Was nicht funktioniert ist: Im Apple Geschäft ‚was aussuchen und an der Kasse mit deinem deinem iPhone und deinem Apple Account bezahlen. 

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