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Mobile Payment in Deutschland? Gibt es nicht. Ergebnisse des Selbsttests (Teil 1)

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Ein Selbsttest. 14 Tage ohne EC-Karte oder Bargeld leben. Bezahlen nur mobil mit dem Smartphone via App oder kontaktlos z.B. mit NFC. Nur 14 Tage. 14 Tage ist nicht so schrecklich lang. Dachte ich. In 14 Tagen muss man in der Theorie ein Mal tanken, zwei Mal einkaufen und ansonsten braucht man nicht viel. Dachte ich. Es wird schon „irgendwie“ gehen. Dachte ich.

Mir war klar, dass, obwohl alle darüber reden, wir beim Thema Mobile Payment in Deutschland am Anfang stehen. Mir war klar, dass es noch nicht viele Akzeptanzstellen gibt – vor allem nicht in meiner Heimatstadt Siegen. Eine Provinz. Das alles war mir klar. Was ich bezahltechnisch in den 14 Tagen erleben würde – nun – das war mir nicht klar.

Ich hatte alles: Drama (z.B. bei Netto), Crime (z.B. bei der Total-Tankstelle), Angst (immer wenn es ans bezahlen ging) – im Prinzip alles, was einen guten Film ausmacht.

Mein erstes Fazit nach 14 Tagen: Wir sind nicht in den Kinderschuhen, was Mobile Payment in Deutschland betrifft. Wir sind nicht mal in der embryonalen Phase. Kurzum: Mobile Payment ist in Deutschland de facto nicht vorhanden.

Doch der Reihe nach.

In einem Moment der jugendlichen Leichtsinnigkeit startete ich also vor zwei Wochen den Selbsttest. Ich wollte wissen, wie weit wir in Deutschland mit den alternativen Bezahlverfahren wie NFC, Smartphone App, etc. sind. Schließlich ist Mobile Payment das Thema Nummer 1 in der Finanzbranche. Immer neue Anbieter von neuartigen Bezahlverfahren kommen auf den Markt und es herrscht Goldgräberstimmung. Alle reden drüber und glaubt man manchen Anbietern, ist das Bargeld längst tot und die EC- oder Kreditkarte kurz davor.

Zeit für einen Praxistest also und mein Urlaub sollte gut dafür sein. Ausgestattet war ich mit diversen Apps (finanzblick, Paypal, mPass, NettoApp, EDEKA App, etc) und NFC-Sticker (mPass). Berichtet wurde immer  wieder über meinen Twitter-Account @klotzbrocken.

Welche Auswirkungen das auf mein Privatleben hatte, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht.

Los gehts!

Die ersten drei Tage war ich mit meinen Kindern in Berlin. Kurzurlaub bei meinem Bruder.

Berlin. Großstadt. Jung. Technologisch ganz vorne dabei. Ich war extrem optimistisch. War.

Samstag, 10.08.13, 8:00 Uhr

Die DB Tickets App. Hä?!

Möchte mit der Bahn nach Berlin fahren. Ticket über DB Navigator App kaufen geht nicht. Man braucht die DB Tickets App. DB Ticket Apps geladen. Diese will nun meinen Login. Hab ich nicht, also Neuregistrierung. Benutzername mindestens acht Zeichen. Nach Registrierung, völlig verloren. Was will mir diese App sagen? Brauche nur ein Ticket. Stelle fest, das die App nur zum Bezahlen ist, also wieder DB Navigator gestartet, Verbindung gesucht und auf bezahlen gegangen. App wechselt wieder zur DB Tickets App* mit der Meldung „Für diese Fahrt kann kein Fahrpreis ermittelt werden“. Apps gelöscht und am Macbook gebucht. 20 Minuten meines Lebens verschenkt und Stimmung etwas gedämpft. Egal, Urlaub!

*Die Bahn will künftig die Apps zusammenlegen. Noch in dieser Woche soll eine neue Version erscheinen, in der die Auskunft und der Kauf in einer App möglich ist.

Samstag, 10.08.13, 16:10 Uhr

Bin mit meinen Kindern (vier und sieben Jahre) am Bahnhof auf dem Weg nach Berlin. Von meinen 50 Euro Bargeld für den Notfall sind schon zehn Euro weg. Die beiden hatten einen nicht weiter zu diskutierenden Appetit auf Eis und Fanta.

Samstag, 10.08.13, 16:40 Uhr

Sitze im ICE. Fahrkartenkontrolle. Ausdruck vergessen, aber egal hab ja das Ticket als PDF auf dem iPhone. Dumm nur, kein Empfang da die Fahrt offensichtlich durch die Karpaten geht. Schaffner als auch ich geben entnervt auf und er würdigt meinen Willen ihm zu beweisen, dass ich ein gültiges Ticket habe. Mittlerweile kippt die Stimmung bei den Kids etwas, da ich für die Versuche das Ticket zu laden auch das iPad entführen musste. Beide haben wenig Verständnis dafür, den Film zu pausieren. Bin genervt.

Samstag, 10.08.13, 18:30 Uhr

Berlin. Mein Bruder holt uns ab. Erst mal was essen. Ich erzähle von meinem Praxistest und bitte ihn, zu zahlen. Er kommentiert das ungläubig mit „schon klar“. Esse nur wenig um die unfreiwillige Einladung nicht zu überstrapazieren und versichere, das Geld sofort per App zu bezahlen. Überweise also den Betrag noch am gleichen Abend mit finanzblick und stelle wieder mal fest, wie nervig eine Überweisung ist.

Sonntag, 11.08.13, 13.00 Uhr

Haben den Vormittag auf einem wunderschönen Spielplatz verbracht. Jetzt haben wir Hunger auf Pizza. Vapiano steht auf dem Plan. Nun kommt meine Stunde, denn dort kann ich mit mPass und PayPass bezahlen. Ich habe die Spendierhosen an und lade meinen Bruder ein. Bzw. er mich. Denn das mPass Terminal geht nicht. ES GEHT NICHT. Die Verkäuferin kommentiert wie selbstverständlich, dass es noch nie funktioniert hat und ich „könne doch mit Karte zahlen“. Kann ich nicht. Mein Bruder zahlt. Habe keine Lust auf Überweisung, möchte schneller und einfacher meine Schulden begleichen. Der Bezahldienst paymy.de hat den Betatest eingestellt und die finale Version noch nicht gestartet. Bleibt nur noch Paypal. Das geht zwar, kostet aber Gebühren. Egal.

Sonntag, 11.08.13, 15.40 Uhr

Bombenwetter. Die Sonne scheint. Die Kids wollen ein Eis. Wenn ich ehrlich bin, will ich das auch. Habe noch 40 Euro. Gibt es halt nur ein Bällchen, ist sonst auch zu viel. Ernte zwar böse Blicke, aber ich ziehe das durch. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass eine Kugel Eis bei Häagen-Dasz a) keine Kugel ist, sondern ein Eis-Ball und b) 2,90 kostet. Habe jetzt von meinem Notfall-Geld nur noch 35 Euro übrig.

Montag, 12.08.13, 9:00 Uhr

Sind im Berliner Zoo, die Eintrittskarten für den Zoo habe ich vorsichtshalber online gekauft und ausgedruckt (!). Warum man das Familienticket (1 Erwachsener und zwei Kinder) nicht online kaufen kann, weiß vermutlich nur der Berliner Zoo.

Montag, 12.08.13, 15:00 Uhr

Wir sind nach dem Zoo ins Tropical Island. Das ist eine nachgebaute Südseelandschaft in der ehemaligen Cargolifter-Luftschiffhalle, der größten freitragende Halle der Welt. Das Ding ist riesig. Und kostet auch. Aber mein Bruder zahlt ja, der kennt das schon. In der Anlage bezahlt man dann mit einem von der Anlage bereitgestellten NFC-Armband, welches dann am Ausgang abgerechnet wird. Das Armband funktioniert weder bei mir noch bei meinem Bruder vernünftig und man braucht Geduld an der Kasse.

Dienstag, 13.08.13, 10:00 Uhr

Lego Discovery Center. Wieder online gekauft, diesmal mit dem iPhone. Natürlich nicht auf einer mobil optimierten Webseite.

Stattdessen scrollt man sich durch die Seite. Immerhin, der Kauf glückt nach einigen Anläufen. Das Ticket kommt per PDF als E-Mail. An der Kasse verlangt man einen Ausdruck aber ich protestiere lautstark und man lässt uns rein. Trotzdem doof. Die Kids schauen mich verunsichert an. Der Große will mir sein Taschengeld borgen.

Mittwoch, 14.08.13, 20:00 Uhr

ATM Hunter. Das soll ein Kunde verstehen…

Inzwischen wieder zu Hause angekommen. Muss tanken und suche eine Tankstelle, welche mPass unterstützt. Starte dazu die mPass App, die auch einen Storefinder anbietet. Denke ich. Stattdessen verlinkt die mPass App auf den englischsprachigen ATM Hunter von MasterCard. Ich denke: „Hä?!“, lade aber brav den ATM Hunter wie mir befohlen. In dieser App gibt es zwar keine Suchfunktion für mPass, aber für PayPass (hört sich ja so ähnlich an) und ich finde tatsächlich eine Tankstelle.

Ich tanke voll. Die Aushilfe an der Kasse ist etwas überfordert und sehr skeptisch als ich mit meinem mPass Aufkleber, der an meinem iPhone klebt (was übrigens ziemlich bescheuert aussieht), zahlen will. Ich erkläre ihr das System und nach einigen Minuten klappt auch tatsächlich der Bezahlvorgang. Die anderen Autofahrer sind offenbar genervt, aber das ist mir egal. Bin ja nicht hier, um Freunde zu finden. Ich sehe wie die Aushilfe mein Nummernschild notiert, vermutlich glaubt sie, ich habe was illegales gemacht.

Donnerstag, 15.08.13, 7:30 Uhr

Die Netto-App und iOS 7?

Ich bin einkaufen. Frühstück. Bei Netto, denn da kann ich mit der Netto-App bezahlen. Ich habe den Wagen voll und stehe an der Kasse. 54,39 Euro, war ja auch ein paar Tage nicht zu Hause. Kein Problem, denn mit der Netto-App kann man ja bis 250 Euro zahlen. DENKE ICH. Nach dem Start begrüßt mich die App mit dem Hinweis, dass meine Betriebssystem-Version nicht unterstützt wird. Ja, ich habe „schon“ iOS 7 drauf. Ich fasse es nicht, die netto App verweigert den Dienst, weil ich die inzwischen 6 Beta von iOS 7 nutze, welches in weniger als vier Wochen offiziell veröffentlicht wird?! Die Kassiererin ist ziemlich angesäuert und macht MIR Vorwürfe. Ich koche nicht innerlich, ich backe. So wütend bin ich. Es nützt nichts, ich muss einkaufen. Ich lasse den Einkaufswagen stehen und hole zu Hause mein Android-Handy. Der Trend geht ja zum Zweithandy. Ich installiere dort die Netto-App, fahre zurück und kann zahlen.

Freitag, 16.08.13, 15:00 Uhr

Ich habe ein Beratungsgespräch bei der Sparkasse und habe keinen blassen Schimmer wovon der Berater redet. Finanzierungen sind nicht meine Welt. Am Ende möchte ich dann aber wissen, wie ich an eine EC-Karte mit girogo-Funktion komme und auch mit der Sparkassen-Karte kontaktlos zahlen kann. Nun hat mein Berater keinen blassen Schimmer wo von ich rede und verweist mich an seine Kollegen. Die wissen aber auch nur mittelgut bescheid. Ich erkläre ihnen also das System und siehe da, die Sparkassen Mitarbeiter haben bereits EC-Karte mit girogo-Funktion und setzen sie beim Zahlen in der Kantine ein. Man stellt mir die Frage, warum ich denn als Kunde in der Sparkassen Kantine essen will. Ich bedanke mich und verlasse kopfschüttelnd die Filiale.

Sonntag, 18.08, 17:00 Uhr

mPass – nicht für Kleinstbeträge geeignet

Ich brauch noch Süßkrams für den Abend und fahre zur Total-Tankstelle. Cola, Gummibärchen und Chips, der Grundstock für einen gelungenen Filmabend. 7 Euro irgendwas. Ich möchte mit mPass zahlen. Die „Dame“ an der Kasse kennt mPass, schüttelt aber den Kopf. Erst ab 10 Euro kann man bei ihr zahlen. AB 10 EUR! Ich bekomme die Krise. Ich solle Bar bezahlen. Ich versuche ihr klar zu machen, dass ich kein Bargeld habe. Das sei nicht ihr Problem, ich sehe es anders und bestehe auf Zahlung mit mPass.

Sie verweist mich der Tankstelle und ich lasse mich nicht beirren, denn ich weiß, dass wenn ec-Karten Zahlung angeboten wird, es auch keinen Mindestbetrag geben darf. Das gleiche gilt dann auch für mPass. In der Zwischenzeit kommt zufällig ein Kollege der Polizei vorbei, der sich offensichtlich was kaufen möchte. Dieser bekommt die Diskussion mit und fragt die Dame ob er ihr helfen könne. Man möge MIR bitte helfen erwidere ich, worauf hin mich der Freund und Helfer hinaus begleitet. Leben am Limit.

Ich gebe auf.

Die erste Woche ist rum. Von meinem Notfall-Geld habe ich nur noch ein paar Euro über. Ständig muss man irgendwo bar zahlen. Freibad, Bäcker, Imbiss oder im Parkhaus. Nach einer Woche breche ich frustriert und wütend den Test ab.

Was mich in der Woche so massiv geärgert hat, welche Probleme es beim Mobile-Payment auch in Zukunft gibt und wie Lösungen aussehen könnten kommt im zweiten Teil meines Praxisberichts.

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