Lessons Learned – Mobiles Meisterstück Pokémon Go (1/2)

Pokémon Go

Seit letzter Woche gibt es endlich einen neuen Hype im Internet, besser gesagt in der mobilen Welt. Kaum einer kommt aktuell an Nachrichten zu Pokémon Go vorbei und es ist sogar ein globales Phänomen. Quasi ein neues Revival aus Mitte der 90er Jahre, als das Tamagochi in die Welt eingeführt wurde. Einziger Unterschied, heute leben wir in einer „Connected World“, d.h. wir sind durch das Internet vernetzt.

Was für Lerneffekte können wir aus diesem Hype ziehen? Ist das der Durchbruch für das Location Based Marketing? In zwei Blogposts wollen wir uns damit beschäftigen, welche Annahmen für die einzelnen Rubriken innerhalb von Location Based Marketing möglicherweise getroffen werden können. Aber der Reihe nach.

Wer steckt dahinter?

Die Betreiber von Pokémon Go sind nicht erst gestern auferstanden. Das Unternehmen Niantic Inc. war der breiten Öffentlichkeit bisher unbekannt. Dabei fing die Entstehung des Unternehmens im Google Universum an. Seit 2015 hat sich Niantic jedoch von Google abgekapselt. Zwar nicht ganz, denn Google ist immer noch beteiligt, aber es gehört nicht mehrheitlich in das Alpha Universum.

Um Pokémon Go zu entwickeln, wurde mit Nintendo und der dazugehörigen, selbständigen Marke Pokémon eine Zusammenarbeit vereinbart. Im letzten Jahr wurde von Niantic eine 35 Mio. schwere Funding Runde erfolgreich abgeschlossen, die fast ausschließlich in das Projekt Pokémon Go geflossen ist. Den Beweis das Niantic der richtige Partner ist, wurde mit dem bisherigen Augmented Reality Leuchturmprodukt „Ingress“ angetreten. Aus diesem Projekt wurden viele Erfahrungen mit in die Entwicklung von Pokémon Go gesteckt. Die aktuellen Pokestops, also Plätze wo Pokémons eingesammelt werden können, sind bei Ingress von den Usern selbst angelegt worden und nun als Basis genutzt worden.

Learning: Frühzeitig Erfahrungen in Innovationen bzw. neue Märkte aufzubauen ist ein elementarer Baustein. Besser aktiv die Zukunft mitgestalten als passiv später erhöhte Preise zum Einstieg zu zahlen.

Wie ist es möglich einen solchen Hype zu erzielen?

Mit Geld? Also hohe Marketingaufwendungen ins klassische Marketing stecken? Nein, Geld spielte in diesem Fall eine untergeordnete Rolle, jedenfalls in der Vermarktung von Pokémon Go.

Schaut man sich die Definition von Hype an, so handelt es sich nach herrschender Meinung, um eine Art „Modeerscheinung“, die eine solche Geltung hat, dass der Mensch sich fragt, wie konnte man nur ohne diese Erscheinung Leben.

Paart man das Ganze mit medialen und sozialen Diskurs zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Gesellschaft besteht die Möglichkeit, eine hohe Aufmerksamkeit zu erzielen und sozusagen „Talk of Town“ zu werden. In der heutigen Welt, kann dieser Hype mittels Social Media rasant Verbreitung erhalten. Wie es bereits im Cluetrain Manifesto in These 1 von 95 festgelegt wurde: Märkte sind Gespräche.

Hier haben die Verantwortlichen von Pokémon Go eine Meisterleistung hingelegt. Sicherlich kein Zufallsmarketing, sondern eher harte Arbeit in der strategischen Vorbereitung.

Am 05. Juli 2016 wurde der erste Link zum Spiel auf Reddit gepostet und danach ist der Stein ins Rollen gekommen. Die richtige Ansprache von Influencern und Blogportalen wurde angestoßen und schon war die Lawine des „Earned Contents“ ausgelöst. Die Viralität für Pokémon Go kennt bis jetzt keine Grenzen, wenn man sich die Zahlen der Analyse Syteme anschaut.

Werbungstreibende Unternehmen und Marken greifen das Thema Pokémon Go in ihrem eigenen Marketing auf, um auf der Erfolgswelle mit zureiten. (siehe auch dazu: Wie deutsche Unternehmen den Hype nutzen).

Den Earned Content haben ebenso die altbekannten Reichweitenaufbauer „TV“ geliefert. Auf allen TV Sendern sind Beiträge über den Pokémon Go Hype zu sehen.

Das Ergebnis ist überwältigend. Wir erleben die erfolgreichste Online Game Einführung aller Zeiten. Mehr als 15 Mio. App Downloads nach sieben Tagen, 98,4 Mio. Suchergebnisse in Google, Spotifys neue Nummer eins bei der Titelmelodie, usw.

Learning: Social Media ist ein unverzichtbares Marketinginstrument in 2016. Mit der richtigen und vorhandenen Strategie lässt sich einiges bewegen. Jedoch muss man dabei auch einmal alte Prinzipien über Board werfen und Offenheit zu Neuem ermöglichen.

Games ist doch nur was für Kinder und Jugendliche

Die Kinohauptstadt Hollywood ist einer der Verlierer der letzten Jahre. Die Spieleindustrie hat die Nase im Puncto Umsatz vorne. Weltweit wird in diesem Markt ein dreistelliger Milliarden Dollar Betrag erzielt. Alleine in Deutschland spielen ca. 30 Mio. Menschen gelegentlich Computerspiele. Und laut einer Facebook Studie in zwölf großen Ländern, werden 71 Prozent aller Online Games auf dem Smartphone gespielt.

Außerdem wurde herausgefunden, dass Online Games kein junges und männliches Phänomen mehr ist, sondern vor allem die weibliche Zielgruppe zunehmend aktiv ist und dies überwiegend auf dem Smartphone. Interessante Games-Kategorien sind Strategie-, Puzzle- oder Actionspiele. Somit kann man von einer neuen Popkultur sprechen.

Und auch hier hat Niantic gute Recherche betrieben. Schaut man sich die erfolgreichsten Filme aller Zeiten an, haben sie den Zeitgeist der Menschen getroffen. Vier von fünf Blockbustern haben Bezug zu Science Fiction (Avatar – Aufbruch nach Pandora, Start Wars, Jurassic World, Marvels). Gleichzeitig lieben die Konsumenten Zeichentrick, also Ähnlichkeiten zur Hauptfigur in Pokémon Go. Dies zeigt auf Deutschland bezogen die Top 10 Kinohitliste aller Zeiten (z.B. Dschungelbuch und König der Löwen).

Learning: Spiele machen Kinder froh und Erwachsene ebenso. Mit Spielen können Emotionen zu Marken und Unternehmen entstehen. Außerdem zeigt sich, dass gestrige Industrien in der Zukunft nicht unbedingt überlebensfähig sind und Neues immer wieder zur Ablösung bereit steht. Es geht nicht darum, komplett Neues zu entwickeln, aber die Weiterentwicklung  von Altbekanntem vorzunehmen. Aktuelles Buzzword: Disruption der Märkte.

User mögen Connected Environments

Oftmals wird von Unternehmen behauptet, dass die User nicht bereit sind oder kein Interesse haben, eine Verbindung zwischen On- und Offline herzustellen. Nach dem jetzigen Pokémon Go Hype muss man diese Behauptung in Frage stellen. Gerade davon lebt das Spiel. Die Verbindung des Smartphones mit dem „Real Life“. Das Ganze ist dann auch noch mit Standort bezogenen Diensten verknüpft, aber die User sehen hierin Mehrwerte. Deshalb geben sie diese Dienste freiwillig frei.

Auch Augmented Reality  wurde bisher immer tot gesagt. Kaum kommt dem User ein Mehrwert um die Ecke, finden sie Augmented Reality sehr spannend und als eine Bereicherung. Alleine die tägliche Nutzungsdauer ist ein Indiz. Laut Similiarweb hat Pokémon Go mit 43 Minuten pro Tag eine doppelt so hohe Nutzungsdauer wie z.B. Snapchat.

Learning: Wir müssen noch mehr User-zentrisch unsere Konzepte, Produkte und Services entwickeln. Oftmals sind Technologien nicht das Zugpferd, sondern eher im Hintergrund zu betrachten. Unsere Aufgabe ist es, mit den Technologien Mehrwerte für User zu schaffen. Und dies am Besten mit einer perfekten User Experience und Usability. Also die Erweiterung des Kiss Prinzips: Macht es einfach und verständlich, auch für Laientechniker.

Zwischenfazit

Wenn man sich zu dem aktuellen Hype Gedanken macht, was für eine Auswirkung Pockémon Go auf zukünftige Location Based Services oder Mobile Konzepte hat, ist erkennbar, dass seit letzter Woche eine neue Zeitrechnung beginnen kann. Alte und bestehende Konzepte sollten generalüberholt werden und es gilt zu prüfen, wie diese Konzepte in Zukunft aussehen sollen. Im zweiten Teil dieses Blogposts soll sich alles um die Frage drehen: „Verschafft Pokémon Go dem LBS Markt zum Durchbruch?“ Stay tuned…

Über Alexander Süßel 54 Artikel
Alexander Süßel ist Digitaler Consultant mit den Schwerpunkten Couponing, Loyalty und Location Based Services. Seine Fokusbranchen sind der Handel und die Konsumgüterindustrie. U.a. hat er Berufserfahrung bei Nestlé, BrandLoyalty und Couponinghouse gesammelt. Mehr über Alexander auf XING oder www.as-auf-zeit.de

2 Kommentare

  1. Meiner Meinung nach ist PokemonGo überhaupt nicht auf irgendwas anderes übertragbar. Die konsumentenbindung im Alter der Spieler zu Nintendo Pokemon, ist etwas was andere Firmen gar nicht erst erreichen können. Das Spielprinzip von Pokemon überträgt sich wunderbar einfach in AR. Macht man das gleich mit, sagen wir mit Thomas Gottschalk und Gummibärchen, passt es nicht mehr zusammen.

    Das der PokemonGo Hype die Akzeptanz fuer AR oder Locationbased Services erhöhen wird, wage ich stark zu bezweifeln, eher das Gegenteil wird der Fall sein – Menschen die ununterbrochen auf ihre Handys glotzen, und Verkehrsstaus erzeugen wegen eines Spiels, sind ja lustig, aber erzeugen in weiten Kreisen der Bevölkerung eher Widerwillen als Akzeptanz.

    Das die sogenannte Technologie Presse wieder mal „The next thing“ sucht, kann ich ja verstehen. Aber, das gamification einen besseren Anreiz fuer Kunden bietet als PayPal Ponkte ist ja nicht erst seit PokemonGo bekannt. Den ganzen Rest des PokemonGo Appeals halte ich persönlich fuer absolut nicht übertragbar auf andere IPs. In den nächsten 6 Monaten werden wir wahrscheinlich 3-5 ernsthafte Versuche sehen, diesen Erfolg zu kopieren, diese werden fehlschlagen, und AR geht wieder in die Niche zurück, wo AR hingehört.

    • Hallo Frank,
      danke für deine Meinung zu Pokemon Go. Finde ich gut, dass es unterschiedliche Auffassung und Einschätzungen
      gibt. Das macht ja eine Demokratie wertvoll. Aus meiner Sicht bleibe ich dabei, dass die große Aufmerksamkeit durch Pokemon Go anderen LBS Playern nutzen wird. Wer von uns beiden recht hat, werden wir jedoch erst in der Zukunft sehen:-)
      VG, Alex Süßel

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