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LBS heute: 2 kg schwer, 6 cm hoch

Dicke Gelbe Seiten Das TelefonbuchDicke Gelbe Seiten Das Telefonbuch

Nachdem ich mich in den letzten Jahren der Abholung verweigert hatte, fand ich sie letzte Woche unverhofft vor meiner Haustür: „Das Telefonbuch“ und „Gelbe Seiten“. Eigentlich die Location Based Services einer vergangenen Epoche – dachte ich.

Als Mobiler hat man natürlich längst die entsprechenden Apps von Gelbe Seiten, Das Örtliche und/oder Das Telefonbuch installiert bzw. nutzt wie ich die mobil-optimierte Webseite. Darüber hinaus sucht man Dienstleister und Händler in seiner Umgebung über Google, Bing oder Yelp (inzwischen mit Qype vereint) und zusätzlich vielleicht auch Facebook, Foursquare und meinestadt.de, um nur einige zu nennen.

In der mobile Branche ist Location Based Service (LBS) eines der wichtigsten Mantras, immer kurz vor dem Durchbruch. Mobile zeitgeist berichtet ebenfalls regelmäßig über LBS. Um so mehr stellt sich die Frage, warum es um LBS etwas ruhiger geworden ist.

Beispiele gefällig: Foursquare sucht immer noch sein Geschäftsmodell, Gowalla wurde von Facebook gekauft und abgewickelt,  aroundme geht mit 6 Mio. Unique Users in 200 Ländern nicht gerade durch die Decke, AllesNebenan ist bei EinkaufAktuell (das Printmagazin ! der Deutschen Post) untergeschlüpft, Aloqa von Motorola gekauft und inzwischen eingestellt, meinestadt.de hat sich unter die Fittiche von Axel Springer begeben.

Aber vielleicht täuscht mein Eindruck, und die gefühlte Ruhe ist das Zeichen dafür, dass LBS Alltag geworden ist. Laut der vergangenen Woche vorgestellten Studie „Location-based Services 2013 in Deutschland“ von Goldmedia im Auftrag der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gab es Ende 2012 in Deutschland 181 Anbieter von Location Based Services.

Ganz überzeugt mich diese Zählung allerdings nicht, denn es wird nicht genau klar, was denn LBS im Kern eigentlich ausmachen soll. Als Beispiele für LBS-Apps werden Augmented Reality und Coupons genannt, auch ebay wird zu LBS-Apps gezählt, Google Search dagegen nicht.

Auszug aus der Studie Location-based Services 2013, Goldmedia Strategy Consulting

Zugegeben, die Abgrenzung ist schwierig, Mobile Zeitgeist hat es auch schon versucht. Wenn, wie in der Studie definiert, eine Ortungsfunktion bzw. der Ortsbezug in einer App reicht, dann ist auch jede Banking-App mit einem Geldautomaten-Finder LBS, aber solche Anwendungen wurden offenbar nicht mit gezählt. Jedenfalls wollen auf meinem iPhone fast die Hälfte der Apps auf die Ortsfunktion zugreifen (58 von 124).

Deshalb zurück zur lokalen Suche mit Gelbe Seiten und Co. Also die Frage eines potenziellen Kunden „Wo finde ich in meiner Nähe …?“. Woraus sich für Unternehmen unmittelbar die Frage ableitet: „Wie werde ich gefunden?“ Eben das klassische Gebiet der Telefonbücher, Lokalzeitungen, Anzeigenblätter und Postwurfsendungen.

Wozu heute noch Papier bemühen, um ortsansässige Unternehmen zu finden? Was treibt Anwälte, Ärzte, Handwerker, Händler usw. dazu, für Anzeige in den Telefonbüchern Geld auszugeben? Warum investieren sie nicht ausschließlich online, besser mobile?

Drei Thesen dazu:

1. Viele reden bei LBS im Marketing bzw. Advertising an den Zielgruppen vorbei

Das Traumszenario vieler Marketeers bei LBS ist offenbar die ortsbezogene Zusendung von Coupons, Rabatt-Alarme usw. Daraus kann für Konsumenten jedoch schnell ein Albtraum werden. Ein Einkaufszentrum wie das CentrO hat zum Beispiel über 200 Geschäfte und über 50 Restaurants auf kleinem Raum. Das gäbe ein tolles Gebrumme, Gesumme und Gedudel in den Taschen der Shopper. Eigentlich sollte die Branche doch aus den schnell wieder verschwundenen Bluetooth-Säulen gelernt haben, die nur genervt haben.

Von der Sensibilität von Orts- und Bewegungsdaten einmal ganz abgesehen, wie etwa die Diskussion um die Speicherung von Trackingdaten durch Apple gezeigt hat. Auch in der Goldmedia-Studie wird dies thematisiert.

Also, weg mit Szenarien, die allzu naiv die (ständige) Befeuerung des Konsumenten fokussieren und zudem weder technisch noch datenschutzrechtlich ausgegoren sind. Location Based Services müssen von Kunden transparent gesteuert werden können, lokales Business lebt von Vertrauen.

2. Für lokale Unternehmer ist das alles noch zu kompliziert

Eine gedruckte Anzeige zu gestalten ist einfach. Und erzeugt nur einmal (im Jahr) Aufwand. Ein Online-Auftritt dagegen muss gehostet, gepflegt, programmiert und in die zahlreichen LBS-Anwendungen integriert werden. Und wenn es nach den Experten geht, kommt am besten noch SEM, SEO, … dazu, ganz zu schweigen von Social Media.

Dafür hat ein lokal agierendes Unternehmen schlicht keine Zeit und kein Budget. Jedenfalls nicht für alles gleichzeitig bzw. auf einmal.

Wer also lokale Unternehmen für LBS gewinnen will, muss ein Gesamtpaket liefern, dass am besten mit vergleichbarem Gestaltungsaufwand wie eine Print-Anzeige automatisch die richtigen Kanäle versorgt. Ich habe die Vermutung, dass viele LBS-Anbieter genau daran gescheitert sind: Die lokalen Unternehmen effizient anzusprechen.

3. Bei LBS wird zu viel in einen Topf geworfen

Machen wir eine einfache Unterscheidung: Pull und Push.

Pull bedeutet, der Nutzer möchte bezogen auf seinen aktuellen Standort etwas kaufen oder wissen. Z.B. ein Taxi rufen. Oder die nächste Pizzeria finden. Dafür übermittelt er einmalig seinen Standort. Diese Art von LBS ist Teil vieler Applikationen und ist aus dem mobilen Kontext nicht wegzudenken.

Push dagegen ist die Information, die der Nutzer unverlangt gesendet bekommt, wenn er einen bestimmten Ort erreicht. Was bedeutet, dass seine Position von einem Dritten erfasst, ausgewertet und daraufhin eine Aktion ausgelöst wird. Das berühmte, immer wieder aufgewärmte Beispiel der SMS, die jemand bekommt, wenn es im FastFood-Restaurant 50m weiter den Burger für die Hälfte gibt.

Für den lokalen Unternehmer geht es in erster Linie um Pull, er will gefunden werden. Dazu benötigt er Antworten auf zwei Fragen: Wo sucht der Kunde, sprich, welche LBS-Anwendungen sind relevant? Und: Wie kommt er mit seinem Angebot sehr einfach in diese Anwendungen? Aktuell sehe ich keinen Anbieter, der dies zufriedenstellend gelöst hätte.

Fazit:

LBS-Pull ist für die meisten Smartphone Nutzer Alltag. Dies spiegelt sich aber noch keineswegs in einem entsprechenden Auftritt lokaler Unternehmen wider. Es fehlen nach wie vor Anbieter, die LBS-Pull handhabbar machen.

Dagegen lässt LBS-Push noch auf sich warten, wahrscheinlich ewig, wenn es in der derzeit diskutierten Form umgesetzt werden soll. Die Restriktionen, die es aus gutem Grund beim Telefonmarketing gibt, sollten die Branche stärker sensibilisieren.

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