Hat wirklich fast jeder Mensch auf der Welt ein Handy?

jeder mensch auf der Welt ein Handy

Gestern habe ich die Ergebnisse einer Befragung von SSI in neun Ländern zur Anzahl der Handys, die die Menschen besitzen, veröffentlicht. Es hieß darin, dass fast jeder Mensch auf der Welt ein Handy hätte. Ich bin mehrfach auf diese Daten angesprochen worden. Die Kritik ging von „kann gar nicht sein“ bis zu „unseriös“.

Nun möchte ich darauf noch einmal eingehen und vielleicht etwas zur Klarheit beitragen.

Ja, die Pressemeldung ist – sagen wir einmal – „Medien gerecht“ formuliert. Diese Nebelgranaten kennen wir an dieser Stelle zur Genüge und man muss schon das eigene Denken aktivieren, um trotz dieser Sichtbehinderung etwas klarer sehen zu können.

Repräsentativ?

Zur Vorgehensweise und damit der Frage, ob eine solche Herleitung repräsentativ sein kann: Es wurden 4.500 Menschen im Rahmen von Online-Panels in neun Ländern (USA, China, Hong Kong, Schweden, Japan, Australien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland) befragt. Die hier gewonnen Erkenntnisse wurden weltweit hoch gerechnet. Nun möchte man schnell urteilen, dass dies nicht zulässig sei, doch diese neun Länder vereinen auf sich 35 Prozent der Weltbevölkerung. Auch ist es selbstverständlich fraglich, ob im Durchschnitt 500 befragte Personen pro Land für eine repräsentative Analyse ausreichen. Natürlich wäre es besser, hier eine noch höhere Quote zu haben, doch ich halte es für legitim so vorzugehen. In manch anderer Befragung sind die Zahlen schlechter.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen

Zu den Zahlen: Wenn 95 Prozent der Weltbevölkerung ein Handy besitzen, kommen wir bei sieben Milliarden Menschen auf unserem Globus auf 6,65 Milliarden Devices. Das erscheint auf den ersten Blick als absolut unmöglich. Doch so weit weg von den Zahlen der GSMA, der weltweiten Industrievereinigung der GSM-Mobilfunkanbieter, die diese Zahl mit derzeit sechs Milliarden Mobile Devices (die sich übrigens bis 2020 auf 12 Mrd. verdoppeln sollen) angeben, ist das gar nicht. Ja, ich weiß, es sind immer noch 650 Millionen Unterschied und hier kann man dann der SSI Übertreibung anlasten, auch wenn man bedenkt, dass die GSMA-Zahlen sehr wahrscheinlich um einiges früher erhoben wurden als die der SSI, was zu einem Teil die niedrigere Zahl der GSMA erklären könnte.

Diese Zahlenspiele und Statistiken sind immer mit Vorsicht zu genießen, denn es sind eben Rechenübungen. Es heißt ja nicht, dass in der Realität fast jeder Mensch ein Handy besitzt. Die SSI selbst schreibt in ihrer Pressemeldung, dass 28 Prozent aller mehr als ein Handy besitzen (ich habe z.B. fünf, die ich zwar nicht alle nutze, aber ich besitze sie).

Afrika ist nicht immer rückständig

Vielleicht an dieser Stelle noch eine kleine Überraschung. In unseren Köpfen gilt Afrika nach wie vor als ziemlich rückständig, gerade was moderne Technologien angeht. Ich will nicht sagen, das sei allein aus einer westlichen Arroganz heraus so, es liegt sicher sehr stark daran, dass wir mit diesen Bildern groß geworden sind und wir sie nur schwer aus unseren Köpfen bekommen.

In Afrika gibt es heute (Ende September 2011) über 616 Millionen Mobilfunkverträge und Afrika hat Europa bereits im zweiten Quartal 2011 an dieser Stelle überholt. Heute liegt Afrika unter allen Regionen damit an Platz 2, hinter Asia-Pacific. Ende 2010 lag Afrika noch auf Platz 4.

Ich hoffe, ich konnte für die eine oder andere Überraschung sorgen und halte eine Diskussion, wie sehr man auf solche Zahlen als Bild der Realität vertrauen kann, für sehr spannend. Ich denke, derartige Daten sind für uns Anhaltspunkte, um große Bilder von Märkten zu bekommen. Bei der Interpretation oder Ableitung von unternehmerischen Handlungsempfehlungen ist jedoch Vorsicht geboten.

 

 

Über Heike Scholz 429 Artikel
Nach über zehn Jahren als Strategieberaterin für internationale Unternehmen gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mobile zeitgeist und machte es zum führenden Online-Magazin über das Mobile Business im deutschsprachigen Raum. Heute ist sie ein anerkannter und geschätzter Speaker und gehört zu den Köpfen der deutschen Internet-Szene. Weiterhin ist sie Beiratsmitglied für die Studiengänge Angewandte Informatik und Mobile Computing an der Hoschschule Worms. Als Co-Founder von ZUKUNFT DES EINKAUFENS, begleitet sie die Digitale Transformation im stationären Einzelhandel. Sie berät und trainiert Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und fördert mit ihrem Engagement die Entwicklung verschiedener Branchen und Märkte.

3 Kommentare

  1. Danke für die ausführliche Einordnung! Ich fand es halt allein schon methodisch problematisch, dass als Grundlage eine *Online-Befragung* diente – und wir wissen ja zugleich, das bspw. in Deutschland nur 73,3 Prozent der Bevölkerung überhaupt Online sind und es z.B. auch zu größeren Unterschieden kommt, wenn man die Smartphone-Penetration in Deutschland a) auf Grundlage der Onliner betrachtet und b) auf Grundlage der Gesamtbevölkerung. Aber ich will hier auch nicht den Wissenschaftskasper machen – und wir können uns hier sicher einig sein, dass die weltweite Handy-Penetration zumindest nahe an die 90% rankommen dürfte.

  2. Hmmm, eigentlich kämen wir auf 6,65 Mrd. Menschen und nicht auf  6,65 Milliarden Devices. Ersteres ist sicher nicht richtig – Devices und Sim Karten aber plausibel. Das „5 Devices / Sim Karten, die meiner Person zugerechnet werden“ – Schicksal teile ich -:) 
    Bei allen Zahlenspielen bleibt die wesentliche Aussage: mobile ist  grösser und komplexer als online … und die perfekte Metrik ist noch nicht gefunden.  das macht auch nix !

  3. In Afrika sind deutlich über 90% der SIMs prepaid, die ARPU häufig im eher mittleren bis unteren einstelligen US$ Bereich, das relativiert neben den Multi SIMs doch die 616m etwas.
    Nichtsdestrotz ist die Korrektur des Bildes eines rückständigen Afrikas notwendig.

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