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Attacke auf die Girocard – Aldi und Lidl setzen auf Kreditkarten

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Die virtuelle Tinte unter meinem Beitrag: „Während Du schliefst – Aldi führt Mobile Payment ein“ war noch nicht ganz trocken, da kamen bereits die ersten Rückmeldungen. Aus dem Bankenumfeld wurde bestätigt, dass ich den Finger in die Wunde lege. Eine andere Behauptung war, dass all diese neuen Verfahren nur über Werbekostenzuschüsse in den Markt gedrückt würden. Dazu später mehr.

Interessant war dann noch eine sibyllinische Bemerkung. Aldi hätte gerne noch mehr gemeldet. Das Essener Unternehmen wäre aber noch nicht so weit. Man wollte aber ein Signal senden, bevor ein anderes Unternehmen das tut. Damit konnte ich erst mal gar nichts anfangen und dachte: „Schauen wir mal!“

Am Freitag (19.6.2015) zeigte sich dann was mit dieser Aussage gemeint war. Zuerst kamen die Twitter Meldungen, dass Kaufland ab dem ersten Juli Kreditkarten akzeptiert. Kurz danach die Bestätigung, dies gilt genauso für den Discounter Lidl, ebenfalls ein Unternehmen aus der Schwarz Gruppe. Am späten Nachmittag war schließlich klar, auch Aldi ist dabei. Die Einführung bei den Schwesterunternehmen Nord und Süd ist bis zum 1.September 2015 abgeschlossen.

Wieso kommt die Kreditkarte jetzt?

Grundlage für die positive Entscheidung der beiden marktführenden Discounter zu Gunsten der Kreditkarte ist natürlich das EU Regulierungsverfahren. Ab dem 9. Dezember 2015 fällt der Interchange also der Anteil, den die Banken für eine bargeldlose Transaktion erhalten, von durchschnittlich 1,7 auf 0,3 Prozent. Ok und warum warten beide Firmen nicht bis es soweit ist? Hier kommt wohl das Thema Werbekostenzuschüsse (WKZ) ins Gespräch.

Von einem WKZ spricht man, wenn der Hersteller einem Handelsunternehmen Zuschüsse für Werbezwecke überlässt, damit deren Produkte und Leistungen besondere Beachtung finden. Für den Werbekostenzuschuss wird eine WKZ-Vereinbarung als vertragliche Grundlage unterzeichnet. Mit anderen Worten: Die Hersteller von Markenartikeln geben dem Handel Geld, damit deren Waren besonders exponiert werden. Das ist gängige Praxis und legal, alles andere wäre ein Fall für das Kartellamt.

Die Werbekostenzuschüsse beschränken sich aber nicht nur auf die Produkte, die der Endkunde im Geschäft erwirbt sondern fließen zum Teil auch für die Bezahlverfahren. Im Prinzip behauptet jeder in der Mobile Payment Branche, die Akzeptanzstellen des Konkurrenten im Handel wären gekauft. Natürlich benötigen Innovationen eine Anschubfinanzierung. Aber kann man den Handel damit bewegen, dauerhaft ein unattraktives Zahlverfahren zu verwenden?

Mobile Payment ein Zuschussgeschäft

Hier mal ein paar Zahlenbeispiele. Laut Statista lagen der Umsatz von Aldi und der Schwarz Gruppe im Jahr 2014 zusammen bei ca. 71 Milliarden Euro in Deutschland. Wenn also ab 2016 alle Bezahlungen bei diesen beiden Schwergewichten des Lebensmitteleinzelhandels mit Kreditkarte erfolgen, ließe sich daraus ein Erlös von 213 Millionen Euro für die Finanzindustrie erzielen.

Nun wissen wir aus einer Studie der Bundesbank, dass in Deutschland die Hälfte der Einkäufe bar bezahlt wird. Was den Kuchen schon mal halbiert. Der augenblickliche Anteil von Kreditkarten beträgt dabei 5 Prozent. Sollte sich mit der Einführung von Kreditkarten bei den beiden Discounter Riesen ein ähnlicher Zahlungsmix einstellen, Läge der Erlös-Anteil von MasterCard und VISA bei ca. drei Millionen Euro. Es ist aber nicht zu erwarten, dass die Kreditkartenzahler aus dem Lager der Barzahler kommen, sondern von der Girocard wechseln. Bei einer angenommenen Gebühr von 0,2 Prozent für die Girocard, wären damit die jährlichen Mehrkosten für Aldi und Lidl zusammen bei ca. einer Million Euro. Vorstellbar, dass dieser Betrag eine Zeitlang durch die Payment Schemes in Erwartung höherer Umsätze ausgeglichen wird.

Quo Vadis Girocard?

Aber auch dem Handel dürfte klar sein, dass der Schwenk hin zu Kreditkarten auf Dauer teurer wird. Wenn alle Kunden von der Girocard auf eine Kreditkarte wechseln, liegen die Mehrkosten allein für die Discounterriesen bei ca. 35 Millionen Euro pro Jahr. Kaum zu glauben, dass WKZ in dieser Höhe fließen werden. Die Erben der sparsamen Albrecht Brüder und Herr Schwarz betreiben ein profitables und nachhaltiges Geschäftsmodell. Die Unternehmen sind nicht auf „Shareholder Value“ ausgerichtet. Aber beide spielen auf dem Weltmarkt und benötigen für ihre Prozesse Bezahlverfahren, die dort skalieren.

Zum anderen benötigen sie Zahlverfahren, die zukunftsfähig sind. Das kann man der Girocard derzeit nicht attestieren. Im Augenblick treiben nur die Volksbanken eine sinnvolle Weiterentwicklung voran. Die Sparkassen haben sich mit Girogo hoffnungslos verlaufen. Ich bin nach wie vor ein Fan der Geldkarte. Die Technik ist klassische deutsche Wertarbeit. Aber irgendwie hat man bei der ganzen Entwicklung den Kunden vergessen.

Ein Trauerspiel! Das gilt übrigens auch für unseren neuen Personalausweis und die Gesundheitskarte. Nur müssen sich diese beiden Produkte nicht am Markt behaupten.

Wie geht’s weiter mit Mobile Payment?

Also ab September 2015 gehört kontaktloses Bezahlen und damit auch Mobile Payment zum Alltag. Vor vier Jahren erhielt ich meine ersten beiden kontaktlosen Karten von PayBack und dem VFB Stuttgart. Dazu gab es eine App mit dem Namen PayPass Finder, damit konnte man sich auf einer Karte anzeigen lassen, wo der nächste Händler mit einem kontaktlosen Terminal zu finden ist. Wo der nächste Lidl und Aldi ist, weiß ich auch so!

Mein erster Artikel hier auf mobile zeitgeist war dem Wallet War gewidmet.

Ist der Krieg um das mobile Bezahlen jetzt entschieden?

Noch nicht, aber um im militärischen Sprachgebrauch zu bleiben, mit dem Schwenk von Apple hin zu NFC und der Einführung von kontaktlosen Kreditkarten sind zwei entscheidende Schlachten geschlagen.

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