Mobile Payment: Yapital gibt auf – Wer ist der nächste?

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Yapital, das Mobile Payment Verfahren der Otto Gruppe hat es trotz massiver Konzernunterstützung nicht geschafft, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Maik Klotz hat auf Gründerszene treffend analysiert, warum das Projekt scheitern musste:

„…Damit ein mobiles Bezahlverfahren funktionieren kann, braucht es vier Dinge: Akzeptanzstellen, Nutzer, ein Problem und eine gute Lösung. Yapital hatte nichts davon…“

Jochen Siegert hat den Exodos der vielen Mobile Payment Startups bereits vor anderthalb Jahren vorher gesagt: Die Zukunft der Mobile Payment Startups: Goldener Exit oder großes Blutbad?

Jetzt hat es mit Yapital also einen „Großen“ getroffen. Welches Unternehmen schmeißt als nächstes das Handtuch?

Ob und wann ein Unternehmen die Reißleine zieht, hängt von vielen Faktoren ab. Diese lassen sich von außen nur schwer beurteilen.

Ich teste seit fünf Jahren die unterschiedlichsten Mobile Payment Verfahren und nehme für mich in Anspruch, jedes auf dem deutschen Markt befindliche und öffentlich zugängliche System schon einmal benutzt zu haben. Von daher weiß ich, dass einfaches Handling Teil einer guten Lösung ist. Welche Unternehmen das beherzigen, möchte ich nachfolgend aufzeigen.

Ich beschränke mich hier auf die Bezahlung am physischen Point of Sale (POS). Das Bezahlen muss also auch am Samstagmorgen bei Aldi an der Kasse reibungslos funktionieren. Dazu gehört, dass die Augen des Kassenpersonals nicht aussehen, wie die von Bambi im Fernlicht. Außerdem möchte man nicht von den Mitbürgern in der Warteschlange getötet werden.

Untauglich sind nach dieser Definition Verfahren, die zwingend eine Mobilfunkverbindung voraus setzen sowie Apps, die geöffnet werden müssen und dann noch weitere Eingaben oder Aktionen verlangen. Ferner fallen noch die Systeme heraus, die nicht hinreichend mit dem POS oder Kassensystem abgestimmt sind.

Genau hier lag Yapital völlig daneben. Finden Kunden es toll, unter Stress an der Kasse ihr Smartphone zu entsperren, die App zu starten, mit der Kamera das POS Display zu fokussieren, zu warten bis der QR Code gescannt ist, eine PIN einzugeben und danach zu hoffen, dass die Datenverbindung stabil genug ist, um den Zahlvorgang abzuschließen?

Wer glaubt, das wäre eine gute UX (Benutzererfahrung), nimmt wahrscheinlich die falschen Drogen!

Aber genau diese Kombi ist unter allen Mobile Payment Anbietern der Favorit. Gescheitert sind damit PayPal (Oldenburg Pilot), SQWallet, mpax, und jetzt auch Yapital. Noch am Start sind go4q, paij, qooqo, ipayst und kesh.

Ein wenig eleganter ist der Ansatz, einen QR- oder Barcode vom Handy Display abzuscannen. Folgende Mobile Payment Apps setzen auf diese Technik: Paycash, Starbucks, und die Edeka App, sowie das mittlerweile eingestellte paymey. Bei Paycash (Backwerk Düsseldorf Hauptbahnhof) und Starbucks erfolgt das Vorhalten am Scanner im Blindflugmodus.

Edeka setzt in einigen Märkten auf Handscanner. In den meisten Filialen hat man sich dann aber doch für einen vier-stelligen Code entschieden. Genau wie bei der Discounttochter Netto kann dieser Code nur bei einer Online Datenverbindung erzeugt werden und ist für die Dauer von fünf Minuten gültig. Die Überprüfung der Mobilfunkverbindung vor dem Betreten des Geschäfts, ist für mich gewohnte Pflichtübung.

Ich kann mir irgendwie keines der oben beschriebenen Verfahren bei Aldi oder Lidl an der Kasse vorstellen.

Bleibt noch NFC als POS Technologie. Kunde und Kassenpersonal lernen gerade, wie man dabei mit einer Plastikkarte bezahlt. In der Regel gilt, für Beträge bis 25 € Karte vorhalten und gut. Übersteigt der Betrag 25 € muss eine PIN eingegeben werden.

Mobile Payment nach Standard der Mobilfunkunternehmen ist eine exakte Umsetzung dieser UX. Der Kunde hält sein Smartphone an den POS, bei Beträgen bis 25 € ist sofort bezahlt, darüber hinaus muss noch eine PIN eingegeben werden. Weiterhin funktioniert das Bezahlen auch dann noch, wenn die Batterie leer ist.

Einen anderen Weg beschreitet Apple mit der Einbindung des Fingerscanners. Der Kunde muss das iPhone an den POS halten und anschließend mit dem Finger über den Sensor streichen, so als ob das Smartphone entsperrt werden soll. Einschränkend gilt hier, Akku leer – kein Payment. Außerdem ist bei den schönen Werbefilmen von Apple die NFC Antenne des POS immer auf der Oberseite direkt über oder unter dem Display. In Deutschland haben aber sehr viele der NFC Terminals die Antenne auf der rechten oder linken Seite. Wie flüssig die Bedienung von Apple Pay in Zwangslage ist, wird sich dann zeigen.

Der Suchmaschinengigant Google hat mit Host Card Emulation ebenfalls eine Variante für den Einsatz von NFC ins Spiel gebracht. In Deutschland bietet Wirecard HCE unter dem Produktnamen Boon an. Hier muss man erst die App öffnen und eine PIN eingeben. Bei der Postbank befindet sich ebenfalls eine HCE Lösung von Worldline im geschlossenen Benutzertest. Leider ist es mir noch nicht gelungen, hiervon eine Demo Version zu bekommen.

Eine weitere Möglichkeit NFC einzusetzen, ist eine Micro-SD Karte mit eigener Funkantenne. In Deutschland gibt es das derzeit von der Volkswagenbank. Auch hier muss man zum Bezahlen erst die App starten. Ein weiteres Problem für das Verfahren könnte sein, dass immer mehr Smartphone Hersteller Geräte ohne Micro-SD Slot ausliefern.

Mein Fazit aus fünf Jahren Mobile Payment Nutzung in Deutschland. In der Praxis überzeugt mich bisher nur die UX der Mobilfunkunternehmen. Apple hat ebenfalls ein taugliches Konzept auf der Straße, leider nicht in Deutschland.

Ansonsten ziehe ich lieber die Karte aus dem Geldbeutel oder bezahle mit meiner Uhr!

Beitragsbild: Shutterstock

Über Rudolf Linsenbarth 91 Artikel
Rudolf Linsenbarth ist Senior Consultant für den Bereich Mobile Payment und NFC bei der COCUS Consulting GmbH. Zuvor war er 11 Jahre im Bankbereich als Senior Technical Specialist bei der TARGO IT Consulting (Crédit Mutuel Bankengruppe). Hier auf mobile zeitgeist schreibt Rudolf Linsenbarth in eigenem Namen . Mehr über Rudolf auf Twitter @Holimuk oder bei XING.

2 Kommentare

  1. Hallo Tobias,

    habe ich geändert, bei den vielen Lösungen vor allem wenn Sie nur kurz auf der Bildfläche waren, schleichen sich schon mal kleine Fehler ein. :-)
    Prinzipiell gebe ich Dir Recht, dass QR Code auf dem Display funktioniert nur die Lösungen die in Deutschland am Markt sind überzeugen derzeit nicht. Das liegt stellenweise an einer schlechte App UX und auch an mangelnder POS Infrastruktur. Im Ausland sieht das anders wie Dein Beispiel China zeigt. Auch in Österreich gibt es mit Bluecode https://www.bluecode.com/ eine gute Implementierung.
    Es gibt ja sogar eine EMV Token Spezifikation für QR Code Payment.
    LG Rudolf

  2. Sehr geehrter Herr Linsenbarth,

    vielen Dank fuer Ihre Analyse. Selbstverstaendlich hat PAYMEY nicht auf das abscannen eines QR-Codes am POS durch den Endkunden gesetzt!
    Wie auch Starbucks haben wir am POS stets auf das abscannen eines QR bzw. Barcodes vom Kunden-Smartphone gesetzt.

    Weniger elegant ist subjektiv und hier in China sprechen die Zahlen mit 190 Mio. aktiven Nutzer (Alipay) eine ganz andere Sprache. Die UX ist einfach nur genial und ich bin immer wieder begeistert wie elegant das z.B. bei Carrefour umgesetzt wurde. Abscannen mit dem (Produkt-)Handscanner und selbstverstaendlich entsperrt sich die App/ der Bezahlvorgang mittels Fingerabdruck und nicht mittels PIN.
    Gefuehlt definitiv um einiges schneller als jegliche Kartenzahlung.

    Ueberzeugen Sie sich selbst und kommen mich gerne hier in Shanghai besuchen.

    Beste Gruesse und vielen Dank fuer die Korrektur
    Tobias Pfuetze

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