Studie: Deutsche Unternehmen reif für digitale Nomaden?

digitale nomaden

Dezentrales Arbeiten, digitale Nomaden, Arbeiten im Café – zurzeit vergeht kein Tag, an dem nicht etwas zu den neuen Lebens- und Arbeitswelten zu lesen ist. Man bekommt den Eindruck, dass man selbst vielleicht zu einer aussterbenden Spezies gehört, die jeden Tag ins Büro fährt, wo doch andere am Strand, mit dem Notebook auf den Knien ein geradezu sorgenloses (Arbeits-)Leben führen.

Ist das wirklich so? Bauen sich die Unternehmen gerade selbst so massiv um, dass bald jede(r) die/der möchte, wahlweise von zu Hause, im Café oder am Strand arbeiten kann?

Antworten auf diese Fragen liefert eine Studie von Crisp Research im Auftrag des US-amerikanischen Softwareanbieters Citrix „The Adavptive Workplace“ aus dem Jahr 2015. Befragt wurden 166 Entscheider aus Unternehmen der DACH-Region, die mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigen. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen (55 Prozent) stammt aus dem Industrie- (28 Prozent) und Dienstleistungssegment (27 Prozent). Geantwortet haben etwas zu gleichen Teilen IT- und Business-Entscheider.

Crisp Research betitelte seine Pressemeldung selbst mit „Der feste Arbeitsplatz stirbt aus“. Ist das wirklich der Fall?

Cloud treibt Entwicklung an

Der in den Unternehmen spürbare Trend zu mobileren Arbeitsplätzen wird für 46 Prozent der Befragten insbesondere durch die Verfügbarkeit mobiler Endgeräte, Technologien und Cloud-Services vorangetrieben. Aber auch strukturelle Veränderungen, wie die Globalisierung (43 Prozent), der demografische Wandel (39 Prozent) und die Work-Life-Balance (38 Prozent) sind Triebfedern für diese Effekte.

Das hört sich alles mächtig dynamisch an, doch schaut man einmal genauer in die Studie sieht man, dass die Realität der befragten Unternehmen doch noch sehr viel anders aussieht. Über 80 Prozent der Unternehmen sind heute zentral organisiert. Dieser Anteil soll nach eigenen Einschätzungen um zehn Prozentpunkte bis zum Jahr 2020 sinken. Die wenigen heute schon sehr dezentral organisierten Unternehmen (1,8%) sollen auf einen Anteil von 4,8 Prozent anwachsen, die dezentralen von 15,1 auf 21,7 Prozent.

Keine oder nur leichte Veränderungen

Es wurde auch abgefragt, wo die eigenen Mitarbeiter zukünftig arbeiten werden und wie stark diese Veränderungen eingeschätzt werden würden. Mit einer starken Zunahme mobiler Arbeitsplätze außerhalb des Unternehmens rechnen nur 6,6 Prozent der Befragten, immerhin knapp 40 Prozent sehen eine leichte Zunahme. Mit ungefähr gleichen Zuwächsen wird beim Home Office gerechnet. Shared Office und Co-Working Spaces wird nur ein schwächeres Wachstum von gut 30 Prozent zugetraut.

Nicht für alle der richtige Weg

In Anbetracht dieser moderaten Einschätzungen und entgegen der Jubel-Headline, nach der der feste Arbeitsplatz nun bald aussterben würde, stellt sich die Frage nach dem Warum. Nicht für alle Unternehmen sind flexible bzw. mobile Arbeitsplätze erstrebenswert und es gibt genug Gründe für diese Ablehnung, die jenseits der Kontrollzwänge und dem Beharrungsvermögen des deutschen Managements liegen.

  • Gebäude, die im eigenen Besitz sind, werden nicht mehr ausgelastet
  • Gewährleistung von Datensicherheit
  • Umstellung von Arbeitsprozessen und Kontrollmechanismen
  • Anschaffung anderer technischer Infrastrukturen
  • Interne Widerstände bei den Mitarbeitern

Dies sind nur einige wenige Punkte, die eine sprunghafte Ausbreitung mobiler Arbeitsplätze verhindern oder verlangsamen können. Es sind keine Probleme, die nicht lösbar wären, aber es ist eben auch nicht trivial, große Teile der Arbeitsplätze flexibler zu gestalten.

Produktivitätssteigerung bei Mitarbeitern

Die befragten Entscheider versprechen sich von den neuen Mobilitätskonzepten in erster Linie Produktivitätssteigerungen bei den Mitarbeitern (38,6%). Ist man wohlwollend, geht man davon aus, dass die größeren Freiheitsgrade und das mehr selbst bestimmte Arbeiten die Motivation und damit die Produktivität steigen lassen. Ist man weniger wohlwollend unterstellt man eher, dass die Manager schlicht die Arbeitszeit der Mitarbeiter ausweiten wollen, indem die Mitarbeiter eben ubiquitär arbeiten (können).

Was wir aus der Studie gut heraus lesen können ist, dass die Unternehmen durchaus die Zeichen der Zeit und die Vorteile mobiler Arbeitsplätze erkannt haben. Doch kommt es nicht zu einer Revolution oder massiven Umbauten in den Unternehmen in den nächsten fünf Jahren. Von einem aussterbenden festen Arbeitsplatz zu sprechen ist also ein wenig zu weit gesprungen.

Die Studie kann hier kostenfrei herunter geladen werden.

Beitragsbild: Shutterstock

Über Heike Scholz 429 Artikel
Nach über zehn Jahren als Strategieberaterin für internationale Unternehmen gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mobile zeitgeist und machte es zum führenden Online-Magazin über das Mobile Business im deutschsprachigen Raum. Heute ist sie ein anerkannter und geschätzter Speaker und gehört zu den Köpfen der deutschen Internet-Szene. Weiterhin ist sie Beiratsmitglied für die Studiengänge Angewandte Informatik und Mobile Computing an der Hoschschule Worms. Als Co-Founder von ZUKUNFT DES EINKAUFENS, begleitet sie die Digitale Transformation im stationären Einzelhandel. Sie berät und trainiert Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und fördert mit ihrem Engagement die Entwicklung verschiedener Branchen und Märkte.

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