Beacons: Ergebnisse eines flächendeckenden Piloten in Düsseldorf

virtueller supermarkt

Der stationäre Einzelhandel steht unter Druck. Immer mehr Kunden wandern zur Konkurrenz im Netz ab und man hat es in den vergangenen Jahren versäumt, schlüssige Zukunftsstrategien für eine digitalisierte Welt zu entwickeln.

Da kommen die Heilsversprechen der Anbieter moderner Technologien gerade recht, um mit viel Aktionismus „total innovative“ Konzepte auszuprobieren. Doch wie es immer so ist, am Anfang wird viel Buzzword-Bingo gespielt und erst später stellt sich heraus, ob die neue Technologie wirklich positive Effekte erzeugen kann.

In den vergangenen Monaten wurde viel über das POS-Marketing mittels der Beacon-Technologie geschrieben und geredet, viele Einzelprojekte wurden durch geführt oder laufen noch. Beacons (Leuchtfeuer) basieren auf der energiesparenden Version 4.0 von Bluetooth, dem Bluetooth Low Energy (BLE) Standard. Bluetooth an sich ist nicht neu und auch das Marketing mit dieser Funktechnologie ist ein alter Hut. Ich selbst habe schon 2007 einen White Paper zum Bluetooth-Marketing mit verfasst. Doch zurück zu den Beacons, mit denen heute weitaus bessere Kampagnen möglich sind.

Am Point of Sale (POS) können mit den Beacons die Smartphones der Kunden erreicht werden. Vorausgesetzt, eine entsprechende App ist installiert, Bluetooth ist eingeschaltet und der Nutzer hat sein Einverständnis erklärt, Nachrichten oder Werbung zu erhalten.

6 Monate, 72 POS, 140 Beacons, 170 Kampagnen

Im vergangenen Jahr, von Juli bis Dezember 2014, nahmen in Düsseldorf 72 Unternehmen aus den Bereichen Gastronomie, Mode, Telekommunikation & Elektronik, Wohnen & Freizeit an einem Beacon-Pilotprojekt des Location Based Service Anbieters Gettings und der net mobile AG teil. Unter diesen Unternehmen waren Marken wie O2, Görtz oder der Apple-Händler Gravis.

Insgesamt wurden 140 Beacons an den jeweiligen POS installiert und 170 Beacon-Kampagnen durch geführt. Diese basierten darauf, dass die Nutzer die App von Gettings installiert hatten, Bluetooth eingeschaltet war und sie ihr Einverständnis gegeben hatten. Dann erhielten sie Push-Nachrichten, sobald sie das Ladengeschäft betraten und konnten erhaltene Angebote an der Kasse einlösen.

Das Reichweiten-Dilemma

Wie oben bereits beschrieben, kann ein Nutzer nur unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt am POS per Beacons und Push-Nachricht erreicht werden. Zunächst muss der Nutzer die zu den Kampagnen passende Applikation auf seinem Smartphone installiert haben. Im Fall der Gettings-App und diesem auf Düsseldorf eingegrenzten Projekt stellte sich die potenzielle Reichweite wie folgt dar:

  • 1,4 Mio. Nutzer der Gettings-App bundesweit, davon
  • 370.000 Nutzer in NRW, davon
  • 100.000 Nutzer in Düsseldorf und Umland, davon
  • 13.000 Nutzer mit passendem Gerät und aktiviertem Bluetooth und davon
  • 4.000 Nutzer, die ihr Einverständnis gegeben hatten.

Von der ursprünglich zur Verfügung stehenden installierten Basis der App blieben am Ende, durch den lokalen Bezug und die Berücksichtigung technischer und rechtlicher Voraussetzungen noch 0,29 Prozent der Reichweite als potenziell relevanter Teil übrig. Gettings selbst berichtet, dass dann tatsächlich 2.000 Nutzer (50% der relevanten Reichweite) in diesem Projekt erreicht wurden.

Ich sprach mit Boris Lücke, dem Geschäftsführer von Gettings, und er bestätigte, dass die Beacon-Technologie aktuell noch in den Kinderschuhen stecke und alle Beteiligten mit realistischen Vorstellungen in Pilotprojekte starten sollten.

Auch wies er darauf hin, dass die Kunden auf keinen Fall zu viele Push-Nachrichten erhalten sollten, da sonst die Gefahr besteht, dass sie sich bespamt fühlen könnten. Aus diesem Grund wurde in diesem Projekt ein so genanntes Frequency Capping vorgenommen und so jedem Kunden maximal drei Push-Nachrichten pro Woche ausgeliefert.

Schnäppchenjäger Galore

Es ist keine neue Erkenntnis, dass bei derartigen Kampagnen der direkte und sofort nutzbare, zumeist geldwerte Vorteil der beste Call-to-Action ist. Auch bei den hier durchgeführten Kampagnen erhielten die Preisnachlässe die größte Aufmerksamkeit (CTR). Über alle Call-to-Actions hinweg reagierte jeder dritte Nutzer innerhalb der ersten fünf Minuten auf die Nachricht.

  • 45 Prozent Preisnachlässe in %
  • 40 Prozent Preisnachlässe in Euro
  • 29 Prozent Geschenke/Proben
  • 19 Prozent Informationen zum POS

Betrachtet man die Click-Through-Rates nach Branche und POS, so punkteten hier Mode, Gastronomie und Kosmetik.

  • 66 Prozent Mode
  • 54 Prozent Gastronomie
  • 43 Prozent Kosmetik
  • 28 Prozent Wohnen & Freizeit
  • 19 Prozent Telekommunikation & Elektronik

Es zeigt sich, dass es heutzutage nicht mehr so ist, dass auf diese neuen, Technologie basierten Kampagnen vornehmlich die Technik affinen, männlichen Geeks auf dem Weg in den nächsten Elektronik-Fachmarkt reagieren. Diese Stereotype sind hier nicht nachweisbar und auch Benjamin Thym,  Gründer und Geschäftsführer der überaus erfolgreichen App barcoo konnte schon früh davon berichten, dass sich ausgerechnet Drogerie-Artikel aller größter Beliebtheit bei barcoo erfreuen. Hierdurch ergeben sich verschiedene Anwendungs- und Targeting-Möglichkeiten, die in der Konzeption solcher Kampagnen berücksichtigt werden müssen.

Mehr Kunden, mehr Umsatz?

In diesem Projekt wurde auch die Verweildauer der Nutzer im jeweiligen POS gemessen. Im Durchschnitt blieben die über ihre Smartphones angesprochenen Kunden elf Minuten im Geschäft. Je nach Branche und POS fielen diese Zahlen unterschiedlich aus.

  • Mode 20 Minuten
  • Wohnen 14 Minuten
  • Gastronomie 14 Minuten
  • Kosmetik 11 Minuten
  • Telekommunikation & Elektronik 9 Minuten

Leider liegen zum heutigen Zeitpunkt noch keine Auswertungen der beteiligten Unternehmen vor. So bleiben im Moment noch viele Fragen offen:

  • Konnten Neu-Kunden gewonnen werden oder hat man Preisnachlässe an Stammkunden verteilt?
  • Haben sich die Kampagnen beim Umsatz bemerkbar gemacht?
  • Wie hoch war der durchschnittliche Bon bei Kunden der Kampagnen? Höher oder niedriger als bei anderen Kunden?
  • Halten sich die über Beacons hin geleitete Kunden länger oder kürzer im POS auf?
  • Wie war das Nutzer-Feedback gegenüber den Unternehmen?
  • Werden die Unternehmen nach den Erfahrungen Beacons dauerhaft einsetzen?

Es soll in absehbarer Zeit aber auch noch diese Informationen aus den Auswertungen der beteiligten Unternehmen geben, die dann natürlich auch hier bei uns nachzulesen sein werden. Ebenso wie ein Bericht, der gerade in Vorbereitung ist, über die Learnings auf Seiten des technischen Dienstleisters, mit sicherlich vielen spannenden Tipps und Insights.

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Titelbild: Shutterstock

Über Heike Scholz 429 Artikel
Nach über zehn Jahren als Strategieberaterin für internationale Unternehmen gründete die Diplom-Kauffrau 2006 mobile zeitgeist und machte es zum führenden Online-Magazin über das Mobile Business im deutschsprachigen Raum. Heute ist sie ein anerkannter und geschätzter Speaker und gehört zu den Köpfen der deutschen Internet-Szene. Weiterhin ist sie Beiratsmitglied für die Studiengänge Angewandte Informatik und Mobile Computing an der Hoschschule Worms. Als Co-Founder von ZUKUNFT DES EINKAUFENS, begleitet sie die Digitale Transformation im stationären Einzelhandel. Sie berät und trainiert Unternehmen, die sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und fördert mit ihrem Engagement die Entwicklung verschiedener Branchen und Märkte.

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