Google Glass im Auto – Gefährliche Ablenkung oder Connectivity der nächsten Generation

google glass

Man kann über Google und deren neusten Innovation Google Glass denken was man mag, aber ähnlich wie das iPhone wird diese „Datenbrille“ eine neue Phase der digitalen Integration in den Alltag einläuten. Das Unternehmen aus Mountain View hat die erste Version von Glass als „Explorer Edition“ an einen kleinen ausgewählten Kreis von ca. 3000 Entwicklern und Influencern verteilt, um die Reaktionen zu testen und Nutzungsszenarien zu erforschen.

Ein „Open Innovation“-Ansatz, der nicht nur die Weiterentwicklung des Produkts näher an einen realistischen Endnutzen bringt, sondern auch im gleichen Zug Öffentlichkeitsarbeit leistet und ein gewisses Begehren schafft, bis wohl Anfang 2014 das Device offiziell in den Handel kommt.

Mercedes testet Integration von Google Glass

Bild: WIRED

Kürzlich erst gab Mercedes USA bekannt, dass sie mit Hochdruck an einer Integration von Google Glass in ihren Fahrzeugen arbeiten. Auch wenn nach wie vor iOS die präferierte Plattform ist (Android-Version wurde auf der Google I/O vorgestellt und kommt 2014), stehe man bereits schon seit über 6 Monaten in engem Austausch mit Google, um an einem Prototypen und Proof of Concept einer Integration zu arbeiten. Die Nähe des Mercedes-Forschungszentrums zur Google-Zentrale in Palo Alto ist dabei sicherlich hilfreich.

“We definitely see wearable devices as another trend in the industry that is important to us,” sagte Johann Jungwirth, R&D President & CEO von Mercedes North America, dem Branchendienst WIRED. “We have been working with Glass for roughly six months and meeting with the Google Glass team regularly.”

Von Beginn an hat man also das Potenzial erkannt und sich mit 2 Glass Explorer Exemplaren auf den Weg gemacht Use Cases zu suchen. Die naheliegendste Anwendung ist „Navigation“. Mit Head-Up Displays, die auf die Windschutzscheibe projiziert werden, ist die Branche ja bereits einige Schritte in den Richtung gegangen. Statt auf die Scheibe, wird die Navigation auf den Glas-Quader vor dem Auge angezeigt. Das geht auch standardmäßig schon mit der Glass-Software.

Mercedes testet dabei jedoch eine Tür-zu-Tür-Navigation. Mit einem ersten Prototypen kann man in Glass eine Adresse angeben bzw. aus dem Adressbuch suchen und die Navigation starten. Sobald man in das Auto steigt und sein Telefon mit dem Auto verbindet, wird die Navigation auf das eingebaute Navigationssystem übertragen. Nun liegt das Ziel, also ein Restaurant oder eine Firmenadresse, so, dass man nicht immer direkt dort parken kann. Mit der Integration soll man dann die letzen Meter wieder über die Glass Navigation bis zur Tür geführt werden. So der Plan.

Mercedes-Benz Eyes Google Glass for Navigation | Google Glass

Erste App-Prototypen für Google Glass

Die ersten Versuche zeigen, dass es zwar noch ein wenig holprig ist zwischen App, Auto und Glass zu hantieren, aber auch dass ein riesiges Potenzial in dieser neuen Form der digitalen Mobilität steckt. Navigation ist nur der erste und ein offensichtlicher Schritt in die Richtung. Mercedes geht sehr konkret mit diesem Thema um und möchte sich seinen Platz im Innovationsrennen sichern. Schließlich gehören „Diagnose“ und „Analyse“ zum aktuellen Zeitgeist, wenn man sich Nike+, SmileDrive, Fiat EcoDrive oder auch Automatic anschaut. Das Messen und Analysieren der eigenen Handlungen ist ein starker Treiber, weil er oft auf einfache Weise die reale Welt mit der digitalen verknüpft und zusätzliche Informationen liefert. Eine Art Super-Realität.

Mercedes ist aber nicht alleine. Andere Hersteller prüfen ebenfalls welche Möglichkeiten sich ergeben könnten. Auch für Entwickler ist Automotive ein spannender Bereich, um sich mit Google Glass auseinanderzusetzen.

Sahas Katta ist Gründer von Pepperdeck und der Programmierer von „Glass Tesla„. Katta hat die Glass-App erstellt, um sich mit dem Tesla Model S seines Vaters zu verbinden. Mit der App kann man einige Funktionen das Autos steuern und etliche Informationen auslesen. So kann man z.B. den Ladestand oder die Reichweite des Elektroautos sehen ohne sich direkt am Auto zu befinden. Auch kann man seinen Tesla auf- und zuschließen oder die Innen- bzw. Außentemperatur abfragen. Wie sinnvoll auch das Öffnen des Schiebedachs über Glass ist, ist wohl eher diskutabel. Fakt ist aber, dass Automobil-Hersteller verstärkt diese Verbindungen anbieten werden und diese sich für nachkommende Generationen immer mehr zum Kaufgrund abzeichnen.

Car hacking with the Tesla S and Google Glass

Google Glass im Auto: Ablenkung oder Fokus?

Klingt alles super? Nicht alle sind begeistert. In den USA gibt es bereits Stimmen, die ein Verbot von Glass am Steuer fordern. Generell gibt es bei Glass noch viele offene Fragen, alleine wenn es um Privatsphäre geht. Man muss aber auch die Gegenfrage stellen, ob die Fummelei am Smartphone während der Fahrt sicherer ist, wenn es sich in dem Getränkehalter verhakt oder in den Fußraum fällt. Oft heißt es, dass man mit Glass die Augen trotzdem auf die Fahrbahn gerichtet hat und man auch in brenzligen Situationen noch schnell genug reagieren kann. Da ist oft der eine kurze Blick auf die Mittelkonsole genug, um den entscheidenden Moment im Straßenverkehr zu verpassen.

Aber ob es Segen oder Fluch ist, kann man meiner Meinung nach noch gar nicht entscheiden. Letztendlich reden wir hier von einer Zukunftstechnologie, die sich erst in den kommenden 3-5 Jahren überhaupt durchsetzen und entwickeln wird. Bis dahin sollte man die Zeit nutzen und ernsthaft die Potenziale aufdecken. So könnte Glass beispielsweise zu Sicherheit während der Fahrt entscheidend beitragen. Mit dem Bewegungssensor – mit dem man u.a. Glass aus dem Ruhezustand reaktiviert – ließe sich eine App entwickeln, die den Sekundenschlaf erkennt und Schlimmeres verhindert. Beim Einnicken wird durch einen lauten Alarmton der Fahrer gewarnt. Man darf auch nicht vergessen, dass Glass per Sprachsteuerung genutzt werden kann, was wohl eine noch geringere Ablenkung darstellen würde.

Ich bin jedenfalls gespannt wie sich das Thema weiter entwickeln wird. Wenn Mercedes ernsthaft soviel Druck hinter die Entwicklung legt, könnte Glass im Automobil schneller zur Realität werden, als das momentan noch denkbar ist. Wichtig werden die Anwendungen sein, die einen echten Mehrwert bringen und das Device mit seinen Möglichkeiten nutzen. Tür-zu-Tür-Navigation könnte ein Anfang sein. Mit Google’s Indoor-Navigation macht das alles noch viel mehr Sinn. Auch das Auslesen von Telematik-Daten in Echtzeit ist ein interessantes Feld, jedoch ebenfalls nur der Anfang einer spannenden Entwicklung.

Google Glass Promo-Video

Über Goran Minov 31 Artikel
Nach Stationen als Online-Projektmanager und Senior Konzeptioner ist Goran heute als Schnittstelle zwischen Kreation, Strategie und Kundenberatung nun seit 2010 als Emerging Media Manager bei MRM Frankfurt tätig, wo er das Ohr auf der Schiene hat und nach Innovationen und Trends Ausschau hält.

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